Berlin Die Bundesregierung will Deutschland als Einwanderungsland attraktiver machen und dafür das Migrationsrecht ändern. Die Vorstellung, dass „per se alle Fachkräfte der Welt“ nach Deutschland kommen wollten, sei „leider eine Illusion“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), nachdem das Bundeskabinett am Mittwoch die Reformeckpunkte verabschiedet hatte. Das gelte schon allein wegen der sprachlichen Hürde, weil nur etwa 100 Millionen Menschen weltweit Deutsch sprächen.
Aber wie ist es wirklich um das Interesse von Ausländern bestellt, in Deutschland zu arbeiten und zu leben? Welche Erwartungen sind damit verknüpft? Und wie hoch ist die Bereitschaft, fehlende Qualifikationen oder Sprachkenntnisse nachzuholen?
Erste Antworten auf diese Fragen liefert jetzt eine groß angelegte Befragung der Industrieländerorganisation OECD im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums. Von Anfang August bis Mitte Oktober haben daran knapp 30.000 internationale Fachkräfte teilgenommen, die über das Webportal „Make it in Germany“ oder deutsche Auslandsvertretungen gewonnen wurden.
Die nicht repräsentative Umfrage bezieht also Ausländer ein, die sich für einen Umzug nach Deutschland interessieren und sich im Internet oder bei Botschaften und Konsulaten bereits informiert oder erste Schritte unternommen haben. Mehr als die Hälfte der Befragten hat fest vor, nach Deutschland zu ziehen. An einer ersten Folgebefragung im September nahmen knapp 11.000 Befragte der ersten Welle teil. Die wichtigsten Ergebnisse:
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Wie alt und wie qualifiziert sind die potenziellen Einwanderer?
Zwei Drittel der Befragten sind zwischen 25 und 44 Jahre alt, vier von zehn haben aber schon mindestens das 35. Lebensjahr erreicht. Das relative hohe Alter erklärt sich jedoch auch mit dem Bildungsstand: Drei von vier Befragten haben studiert, 52 Prozent bringen einen Bachelorabschluss mit, 23 Prozent einen Master- oder Doktortitel.
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Mit Blick auf Akademiker ist das deutsche Einwanderungsrecht allerdings heute schon sehr liberal. Die Anstrengungen der Politik zielen deshalb darauf, auch mehr Einwanderer mit beruflicher Bildung anzuziehen, beispielsweise Handwerker.
Unter den befragten Interessenten haben aber nur 16 Prozent einen Berufsabschluss nach ein- bis dreijähriger Ausbildung. Neun Prozent verfügen weder über einen Berufs- noch über einen Hochschulabschluss. Auffällig ist, dass 70 Prozent aller potenziellen Einwanderer Männer sind.
Welche Nationalitäten interessieren sich für einen Wechsel nach Deutschland?
Inder stellen heute schon die größte Gruppe unter den Erwerbsmigranten aus Staaten außerhalb der Europäischen Union. Und die OECD-Befragung zeigt ein anhaltendes Interesse. Knapp jeder fünfte Teilnehmer stammt aus Indien, gefolgt von Kolumbien (zehn Prozent der Befragten), der Türkei (neun Prozent), den Philippinen (fünf Prozent) und Algerien (vier Prozent).
Wie wichtig sind die Willkommenskultur und die Sprache?
In der heftig geführten Debatte über erleichterte Einbürgerungen stützt die Umfrage die Position von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die gut integrierten Ausländern schneller die deutsche Staatsbürgerschaft gewähren und den „Doppelpass“, die doppelte Staatsbürgerschaft, zur Regel machen will.
Rund 60 Prozent der Befragten nannten auf die Frage, was ihnen im Land ihrer Träume am wichtigsten sei, eine positive Einstellung gegenüber Migranten. Neun von zehn Teilnehmern wären bereit, eine gegebenenfalls erforderliche Weiterbildung zu absolvieren – aber nur, wenn sie nebenbei arbeiten und dann auch dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen.
An erster Stelle bei den Wünschen an das ideale Einwanderungsland steht ein gutes Bildungssystem. Das hat auch damit zu tun, dass mehr als die Hälfte der Befragten Familie haben und das Gros Partner und Kinder auch gerne mit nach Deutschland bringen würden.
Die Sprachkenntnisse sind vielleicht kein gar so großes Problem, wie der Arbeitsminister glaubt: Mehr als die Hälfte der Befragten bringt zumindest grundlegende Deutschkenntnisse mit, jeder Siebte beherrscht die Sprache bereits auf fortgeschrittenem Niveau.
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Können die potenziellen Migranten helfen, Fachkräftelücken zu schließen?
Fast die Hälfte gibt an, in einem Mangelberuf zu arbeiten – also dort, wo qualifiziertes Personal besonders knapp ist. Das gilt etwa für Berufe, die eine Ausbildung in den sogenannten MINT-Fächern Mathe, Informatik, Naturwissenschaft und Technik erfordern. Knapp ein Viertel der Befragten sind im Ingenieurwesen tätig, 15 Prozent sind IT-Spezialisten.
Welche Hürden sehen die Einwanderungswilligen?
Viele tun sich schwer, aus der Heimat heraus ein passendes Stellenangebot in Deutschland zu finden und wünschen sich hierbei Unterstützung. Die Bundesregierung plant eine sogenannte „Chancenkarte“, die auch Ausländern ohne konkretes Jobangebot die Einreise nach Deutschland erlaubt. Wie das dafür geplante Punktesystem mit Kriterien wie Alter, Qualifikation, Berufserfahrung und Sprachkenntnissen im Deutschen aussehen soll, ist aber noch offen.
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Für die von der OECD befragten Ausländer wäre ein zwölfmonatiges Visum zur Arbeitssuche eine attraktive Option. In der Folgebefragung sagten neun von zehn Teilnehmern, dass sie bereit wären, ein solches Visum zu beantragen.
Ein Drittel davon würde dies aber nur unter Bedingungen tun. Ihnen ist wichtig, dass sie schon nebenher gelegentlich arbeiten dürfen, bis die richtige Stelle gefunden ist – und dass sie bei der Jobsuche unterstützt werden.
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