Dec 6, 2022
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Energiekrise: „Kontinent der Chancen“ – Warum Minister Habeck auf Afrika setzt

Written by Wolfgang Drechsler


Kapstadt Kann Afrika Russland als Rohstofflieferant ersetzen? Und kann der Kontinent Deutschland dabei helfen, sich aus der Abhängigkeit von China zu befreien? Das sind Fragen, die Robert Habeck in dieser Woche bei seiner fünftägigen Afrikareise stark beschäftigen.

Erste Station des Wirtschafts- und Klimaschutzministers war am Montag Namibia, ab Dienstag steht Südafrika auf dem Reiseplan. Auf dem vierten deutsch-afrikanischen Wirtschaftsgipfels in Johannesburg soll es vor allem darum gehen, die Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen.

Die Afrikareise ist ein weiter Baustein in Habecks Plan, die deutsche Wirtschaft unabhängiger von Geschäften in China zu machen. Gerade bei „kritischen“ Rohstoffen will Habeck Abhängigkeiten von Peking verringern.

„Der afrikanische Kontinent ist für uns der Kontinent der Chancen“, sagte etwa Dirk Jandura, Präsident des Außenhandelsverbandes BGA. „Er entwickelt sich in Teilen schneller und dynamischer als alle anderen Weltregionen und hat daher ein großes Potenzial.“

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Zu den Hoffnungsträgern der Deutschen zählt Namibia. Dort soll vor allem die Zusammenarbeit bei der Herstellung von „grünem Wasserstoff“ ausgebaut werden. „Namibia hat gemessen auch an europäischen Standorten sehr, sehr große Standortvorteile – sehr sonnenreich, sehr starke Windgebiete, gerade am Atlantik“, sagte Habeck im Vorfeld seiner Reise.

Vor allem ein gigantisches Wasserstoffprojekt im Südwesten des Landes ist zum Symbol für den Optimismus geworden. Insgesamt sollen sich die nahe der Küste geplanten Investitionen für Solar- und Windkraftanlagen sowie für einen neuen Tiefseehafen zum Abtransport der grünen Energie auf 9,4 Milliarden Dollar belaufen. Das ist ein Megaprojekt für ein Land mit 2,5 Millionen Einwohnern, dessen gesamte Wirtschaftsleistung sich derzeit auf zwölf Milliarden Dollar summiert.

Das Konsortium Hyphen, zu dem auch das deutsche Unternehmen Enertrag gehört, erhielt den Zuschlag für das Wasserstoffprojekt. Nun hofft die namibische Regierung, dass sich das Wüstenland zu einem der wichtigsten Produktionsstandorte für grünen Wasserstoff weltweit entwickeln wird.

Einige Beobachter geben sich geradezu euphorisch und sehen Afrika bereits als neue „Tankstelle Europas“. In einem Positionspapier mahnt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) an, dringend neue Rohstoffpartnerschaften zu unterstützen. Dazu sollten Garantieinstrumente für Exporte und Investitionen ausgeweitet werden, bei denen Unternehmen grade in Afrika oft hohe finanzielle Risiken eingehen.

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Auch Stefan Liebing, der seit 2012 dem Afrikaverein vorsteht und seit Langem in der Energiebranche aktiv ist, sieht dringenden Handlungsbedarf. Er fordert, die Exportkreditversicherungen des Bundes (etwa die Hermesbürgschaften) zu verbessern. Auch müssten diese Instrumente stärker als bislang auf afrikanische Gegebenheiten zugeschnitten werden.

Doch es herrscht angesichts des Wasserstoff-Großprojekts nicht nur Euphorie vor. Skeptiker weisen darauf hin, dass frühere Großprojekte in Afrika häufig scheiterten. Die 2009 gegründete Initiative Desertec, durch die grünen Strom aus der Sahara nach Europa geliefert werden sollte, wurden in der Vergangenheit zunächst ähnlich enthusiastisch gefeiert, um dann ebenso schnell in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.

In Namibia könnte dies am Ende womöglich auch deshalb passieren, weil die Herstellung von Wasserstoff gegenwärtig noch teuer ist. So müsste dieser aus Transportgründen wohl zunächst vor Ort zu „grünem“ Ammoniak weiterverarbeitet werden. Das Verschiffen von „reinem“ Wasserstoff ist wegen der notwendigen Kühlung auf minus 250 Grad eher noch Zukunftsmusik.

Energieerzeugung aus Wind und Sonne

Namibia könnte zu einem bedeutenden Lieferanten von grünem Wasserstoff aufsteigen.



(Foto: dpa)

Auch gibt es zunehmend Widerstand von Umweltschützern, weil das Projekt mit seinen Wind- und Solarparks in einem ökologisch sensiblen Naturpark liegt. Und schließlich fragen sich viele Beobachter nach den vielen schlechten Erfahrungen mit Großprojekten, wie stark Namibia am Ende selbst von den Milliardeninvestitionen profitieren werde. Häufig entstanden in der Vergangenheit Wohlstandsenklaven inmitten tiefer Armut, ohne am Ende dem Land eine nachhaltigere Entwicklung zu bieten.

Auch die im Vergleich weniger aufwendige Trans-Sahara-Gaspipeline mahne zur Vorsicht, betonen politische Beobachter. Durch die mehr als 4000 Kilometer lange Röhre soll irgendwann Gas aus dem Nigerdelta im Süden von Nigeria nach Algerien strömen – und von dort über ein bereits bestehendes Netz an Pipelines durch das Mittelmeer nach Europa transportiert werden.

Seit fast 50 Jahren wird an der Umsetzung der Idee gearbeitet. Fortgesetzte Streitigkeiten zwischen den beteiligten Ländern, aber auch die Präsenz von Banditen und Terrorbanden am Südrand der Sahara haben das Pipelineprojekt nie wirklich vorankommen lassen. Dass im Februar seine Wiederaufnahme vereinbart wurde, ändert daran einstweilen wenig.

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Ein anderes Problem betrifft die Förderkapazitäten. Selbst wenn die Trans-Sahara-Pipeline doch noch zustande käme, würde sie noch lange keinen kontinuierlichen Gasstrom nach Europa garantieren.

Energieexperten verweisen darauf, dass Nigerias Infrastruktur infolge von Vandalismus, fehlender Finanzierung und Wartung weitgehend verfallen ist. Die vier maroden Ölraffinerien des Landes sprechen eine deutliche Sprache. Anders als Algerien, Europas drittgrößter Gaslieferant, hat Nigeria zudem keine freien Kapazitäten und könnte diese bestenfalls mittel- bis langfristig erhöhen.

Zunächst müsste in Nigeria eine halbwegs funktionierende und verlässliche Gasinfrastruktur aufgebaut werden, was Experten zufolge fünf Jahre oder länger dauern dürfte. Vorausgesetzt, das Projekt findet überhaupt die notwendige Finanzierung, denn viele westliche Länder wollen künftig keine fossilen Energieprojekte in Afrika mehr unterstützen.
Angesichts dieser Gemengelage ist es trotz der nun geforderten Rohstoffpartnerschaften eher unwahrscheinlich, dass Europa seinen südlichen Nachbarkontinent kurzfristig im großen Stil als Energielieferanten anzapfen kann. Daran dürfte auch Habecks Stippvisite im südlichen Afrika wenig ändern.

Mehr: Politik und Wirtschaft sollten jetzt in Afrika investieren



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