Berlin Wenn Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) über teure Fehlplanungen bei der Bundeswehr spricht, dann erzählt sie gern vom Rucksack. Acht Jahre lang habe man in einem Forschungsvorhaben versucht, den weltbesten Rucksack für die Truppe zu entwickeln, bis sie das Projekt endlich gestoppt habe, sagt Lambrecht dann. Statt aufwendiger Neuentwicklungen wolle man mehr auf Produkte setzen, die am Markt verfügbar seien.
Doch der Rucksack ist längst noch nicht das langwierigste Projekt in der Serie der Pleiten, Pech und Pannen bei der Bundeswehr. Denn die erfolglose Entwicklung einer Kommunikationsboje für U-Boote wurde erst nach 19 Jahren gestoppt. Darauf weist der Bundesrechnungshof in einer Bemerkung hin, die er an diesem Dienstag dem Bundestag zugeleitet hat.
Die Boje „Callisto“ sollte mit einem Kabel an tauchenden U-Booten befestigt werden und von dort aus an die Oberfläche aufsteigen können. Dort hätte sie Funksignale gesendet und empfangen. Ziel war es, die Funkkommunikation zwischen U-Booten sicherzustellen, ohne dass diese dafür auftauchen müssen.
Ein Zulieferer der Werft, welche die U-Boote der Klasse 212A baute, führte von 2003 bis 2007 zunächst für 2,7 Millionen Euro eine Studie zur Kommunikation aus tiefgetauchten U-Booten durch. Die endgültigen Ergebnisse lagen noch nicht vor, als die Bundeswehr im Jahr 2006 die beiden neuen U-Boote U35 und U36 in Auftrag gab. Das Projekt „Callisto“ sollte aber parallel zum Bau der U-Boote weiterentwickelt werden und war im Gesamtpreis von 824 Millionen Euro enthalten.
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In der Folge kam es aber immer wieder zu Lieferverzögerungen und technischen Schwierigkeiten, sodass das zuständige Bundesamt (BAAINBw) das U-Boot U35 im September 2014 zunächst ohne Funktionsprüfung des Bojensystems abnahm. „Callisto“ sollte nun zunächst mit dem U-Boot U36 erprobt werden.
Aus von „Callisto“ hatte sich schon länger angekündigt
Das Bundesamt stellte der Werft aber mit einer Vertragsanpassung gewissermaßen ein Ultimatum, die vollständigen Funktionsnachweise für „Callisto“ bis Mitte 2015 oder – mit einer Nachfrist – spätestens bis Mitte 2017 vorzulegen. Als die erste Frist gerissen wurde, schlug der Projektleiter für die U-Boot-Beschaffung im Bundesamt den Abbruch des Projekts vor, konnte sich aber im Ministerium und bei der Marine nicht durchsetzen.
Nachdem auch die Nachfrist erfolglos verstrichen war, wurde der Vertrag nochmals verlängert und der Hersteller erhielt erneut die Chance, in einer bestimmten Frist den Funktionsnachweis zu erbringen.
Der Bundesrechnungshof hatte aber schon bei Prüfungen in den Jahren 2017 bis 2018 vorgeschlagen, auch Alternativsysteme in Erwägung zu ziehen, was das Verteidigungsministerium auch zusagte. Denn Militärexperten hatten ohnehin mittlerweile zu einem kabellosen System geraten, weil die kabelgebundene Boje an der Oberfläche sonst Rückschlüsse auf die Position des U-Boots zulassen könnte.
Trotz eindringlicher Mahnungen des Projektleiters im Bundesamt, das Vorhaben abzubrechen, und trotz kritischer Nachfragen des Bundesrechnungshofs wurde „Callisto“ erst im Juni dieses Jahres gestoppt – ohne dass der Funktionsnachweis vorlag. Der war laut Ministerium unter anderem auch daran gescheitert, dass dafür keine U-Boote zur Verfügung standen.
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Das Verteidigungsministerium begründete das Aus aber auch damit, dass die Marine inzwischen mitgeteilt habe, dass das System selbst bei erfolgreicher Abnahme nicht zum Einsatz kommen werde, weil die Marine andere Lösungen als sicherer erachte.
„Der Bundesrechnungshof sieht in dem Vorhaben ‚Callisto‘ einen exemplarischen Fall für Rüstungsvorhaben der Bundeswehr, in denen eine jahrelange Entwicklung schließlich zu unbefriedigenden Ergebnissen mit vermeidbaren Ausgaben führt“, schreiben die Haushaltswächter.
Deshalb sollte die Bundeswehr aus ihrer Sicht künftig stärker auf marktverfügbare Lösungen setzen, so, wie es Verteidigungsministerin Lambrecht angekündigt hat.
Bei Eigenentwicklungen müsse das Beschaffungsamt zudem „effektive Ausstiegsklauseln vertraglich vereinbaren und bei mangelhaften Entwicklungsfortschritten konsequent anwenden“, heißt es im Bericht des Rechnungshofs. Weil das nicht passiert ist, wird das Bundesamt wohl auf einen Teil der acht Millionen Euro, die es wegen der Probleme beim Projekt einbehalten hatte, verzichten müssen.
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