Dec 7, 2022
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Umweltfreundliches Wirtschaften: Start der Weltnaturschutzkonferenz in Montreal: Darum geht es

Written by Silke Kersting

Berlin Die Verhandlungen für ein globales Abkommen zum Schutz der Arten und der Biodiversität beginnen an diesem Mittwoch auf der Weltnaturschutzkonferenz im kanadischen Montreal.

Während die Klimakrise inzwischen weltweit ein Thema ist, werden die Debatten über die Biodiversitätskrise bislang eher am Rande geführt. Zu Unrecht, finden Wirtschaftswissenschaftler wie Jörg Rocholl. „Der Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt ist genauso wichtig wie der Kampf gegen den Temperaturanstieg“, sagte der Präsident der internationalen Wirtschaftsuniversität ESMT Berlin dem Handelsblatt.

Die Folgen einer zerstörten Natur sind erheblich – für Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen. Die Lebensgrundlagen vieler Menschen sind bedroht, weil etwa der Schutz vor Sturmfluten, Starkregen, Hitze und Dürren schwindet. Zudem unterhöhlt die Schädigung der Natur die Basis wirtschaftlichen Handelns.

„Biodiversität ist die entscheidende Voraussetzung für das globale Wirtschaftssystem“, so Rocholl, der erst kürzlich in der sogenannten „Frankfurter Erklärung“ zusammen mit anderen Wissenschaftlern und Nichtregierungsorganisationen forderte, das Wirtschaften gegen die Natur zu beenden. Die Zerstörung von Ökosystemen sei ein Problem „von allergrößter Bedeutung“, erklärt der ESMT-Präsident.

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Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke betonte die Abhängigkeit des Menschen von der Natur: „Wir Menschen sind auf eine intakte Natur angewiesen, auf die Ökosystemleistungen“, sagte die Grünen-Politikerin am Dienstag. „Die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts hängt von den Leistungen der Natur ab.“

Schwierige Verhandlungen erwartet

Die Konferenz in Montreal, auch CBD COP15 genannt, sollte ursprünglich in China stattfinden, wurde aufgrund der Coronapandemie aber mehrfach verschoben. Worum es konkret geht und was Deutschlands Ziele bei der knapp zweiwöchigen Konferenz sind, zeigt diese Übersicht.

Wofür steht CBD COP15?
CBD steht für Convention on Biological Diversity, COP für Conference of the Parties – es treffen sich also die Vertragsparteien des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur biologischen Vielfalt, insgesamt 196 Staaten. Der diesjährige 15. Gipfel gilt vielen als letzte Chance, den Niedergang der Natur aufzuhalten. Die Umweltministerin erwartet schwierige Verhandlungen: „Es hat sicherlich günstigere Zeitpunkte gegeben für multilaterale Abkommen für Umwelt- und Naturschutz.“

Was sind die Probleme?
Biologische Vielfalt sichert die Lebensgrundlagen für die Menschen. Gesunde Böden, Insekten und vielfältige Pflanzen sind Voraussetzung für eine funktionierende Landwirtschaft und die Ernährung der Weltbevölkerung. Die Natur liefert viele Inhaltsstoffe für Arzneimittel. Wälder und Moore binden Kohlendioxid aus der Atmosphäre und speichern es langfristig.

Rotes Moor in der hessischen Rhön

Menschen dringen aber immer weiter in die Lebensräume von Tieren und Pflanzen vor und zerstören sie. Letztendlich geht es in Montreal also um die Schlüsselfrage, wie Naturschutz und -nutzung in Einklang zu bringen sind, auch um die Gefahr von Pandemien einzugrenzen.

>> Lesen Sie hier: Umwelt- und Klimaschutz hilft auch gegen Pandemien

Was bedeutet der Verlust der biologischen Vielfalt konkret?
Etwa eine Million Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. In Deutschland etwa nimmt die Zahl der Insektenarten seit Jahren ab, etwa bei Wildbienen. Damit gehen wichtige Leistungen verloren, wie die Bestäubung von Pflanzen. Weltweit sind 75 Prozent der Nahrungspflanzenarten auf Tierbestäubung angewiesen. Von Bienen bestäubte Pflanzen tragen zu etwa einem Drittel zur menschlichen Ernährung bei. Insekten haben aber noch weitere Funktionen. Sie dienen als Futter für andere Arten, sorgen für den Abbau organischer Masse, sind biologische Schädlingsbekämpfer, halten Gewässer sauber und Böden fruchtbar.

Gibt es einen Wert für Biodiversität?
Wissenschaftler schätzen den volkswirtschaftlichen Gesamtwert der von einer intakten Natur erbrachten Dienstleistungen auf 170 bis 190 Billionen US-Dollar pro Jahr. „Das aktuelle Wirtschaftsmodell nimmt diese Leistungen der Natur unbezahlt in Anspruch“, heißt es in der „Frankfurter Erklärung“. Die Folge: eine Übernutzung und Vernichtung der natürlichen Ressourcen „und somit unserer wichtigsten Lebensgrundlage“.

Zentraler Verhandlungspunkt: das 30×30-Schutzgebietsziel

Was genau soll in Montreal erreicht werden?
Zentral ist die Forderung nach einer Vereinbarung, die die Staaten auf das Ziel verpflichtet, mindestens 30 Prozent der Fläche an Land und im Meer bis 2030 unter Schutz zu stellen. Dieses 30×30-Ziel entspräche in etwa einer Verdopplung der Schutzfläche an Land und einer Vervierfachung auf dem Meer. Für Lemke ist es damit nicht getan: Jede Vereinbarung müsse „messbar und verbindlich“ sein, sagte sie. „Eine reine Zielfestlegung wird nicht ausreichen.“

Biene sammelt Nektar

Von Bienen bestäubte Pflanzen tragen zu etwa einem Drittel zur menschlichen Ernährung bei.


(Foto: IMAGO/photo2000)

Wissenschaftler fordern eine „verbindliche, globale Vereinbarung historischen Ausmaßes zum Schutz der Natur“. Die Klimakrise sei wissenschaftlich deutlich besser erforscht als die Krise des Biodiversitätsverlusts, stellt ESMT-Präsident Rocholl fest. Es stelle sich beispielsweise die Frage, wie der Verlust von Biodiversität bepreist werden kann, ähnlich wie bei den klimaschädlichen CO2-Emissionen. „Für solch eine Bewertung fehlt bislang der Konsens, um Unternehmen zum verstärkten Handeln zu motivieren.“

Welche Rolle spielt Deutschland?
Deutschland als viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt habe einen enormen „Biodiversitäts-Fußabdruck“, heißt es in der „Frankfurter Erklärung“. „Die globalen Wertschöpfungsketten deutscher Unternehmen beeinflussen die Natur in erheblichem Maße und tragen vielfach zu ihrer Zerstörung bei.“

Das Bündnis erwartet ein verpflichtendes Biodiversitäts-Reporting von Unternehmen als konkretes Ergebnis der Konferenz. Die Politik müsse sicherstellen, dass Unternehmen und ihre Finanzinstitutionen ihre Biodiversitäts-Auswirkungen und -Abhängigkeiten messen, heißt es. Darüber hinaus sollten sie regelmäßig berichten, wie negative Auswirkungen reduziert und positive Effekte entlang der Wertschöpfungsketten ermöglicht werden.

Was unternimmt Deutschland zum Schutz der Biodiversität?
Das Umweltministerium hat sich zum Ziel gesetzt, hierzulande den natürlichen Klimaschutz zu stärken. Konkret geht es etwa darum, Moore zu vernässen, um sie als Kohlenstoffspeicher nutzen zu können, oder Flussauen zu renaturieren. Dafür sollen zwischen 2022 und 2026 Mittel in Höhe von vier Milliarden Euro zur Verfügung stehen.

Für internationale Maßnahmen zum Erhalt der biologischen Vielfalt hat Deutschland zwischen 2017 und 2021 im Durchschnitt rund 750 Millionen Euro jährlich zur Verfügung gestellt. Ab spätestens 2025 sollen pro Jahr 1,5 Milliarden Euro fließen.

Mehr: Artenvielfalt und ihr Preis



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Politik

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