Dec 8, 2022
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Nahverkehr : 49-Euro-Ticket: Bundesrechnungshof warnt vor einem teuren Deal

Written by Daniel Delhaes

Berlin Die Bundesländer beraten an diesem Donnerstag mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erneut über die Umsetzung geplanter Entlastungen in der Energiekrise. Klärungsbedarf gibt es etwa noch bei der Unterstützung für Unternehmen sowie beim 49-Euro-Ticket für den Nahverkehr.

Ein Gutachten des Bundesrechnungshofs bringt Brisanz in das Treffen. So raten die Rechnungsprüfer dem Bund, keinen teuren Kompromiss mit den Ländern einzugehen, nur um das geplante Deutschlandticket für den Nah- und Regionalverkehr durchzusetzen. Vielmehr sollte er so lange nicht mehr Geld für den Nahverkehr überweisen, bis ein Modernisierungs- und Ausbauplan mit klaren Zielen für den Nahverkehr vorliege.

„Der Finanzierungsbedarf für den künftigen ÖPNV sollte auf belastbaren Grundlagen ermittelt werden“, schreiben die Rechnungsprüfer in einem Gutachten an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags. Es liegt dem Handelsblatt vor.

Auslöser des Gutachtens ist der Plan von Bund und Ländern, nach dem Neun-Euro-Ticket im kommenden Jahr ein bundesweit gültiges 49-Euro-Ticket für den Nah- und Regionalverkehr dauerhaft einzuführen. Zuvor aber verlangen die Länder, dass der Bund seine Zusagen aus dem Koalitionsvertrag einhält und dauerhaft mehr Geld für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) überweist.

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Die politisch brisante Empfehlung des Bundesrechnungshofs lautet: Die Ampelkoalition soll das entsprechende Regionalisierungsänderungsgesetz nicht wie geplant am 21. Dezember im Bundestag beschließen.

Es geht um insgesamt 17 Milliarden Euro, die der Bund den Ländern bis 2030 zusätzlich überweisen will. Davon soll allein eine Milliarde Euro noch in diesem Jahr fließen. „Nach Einschätzung des Bundesrechnungshofes sind die Länder kaum in der Lage, die zusätzlichen Regionalisierungsmittel von einer Milliarde Euro noch im Jahr 2022 zweckentsprechend zu verausgaben“, heißt es in dem Gutachten.

Seit Jahren beklagen die Prüfer fehlende Kontrollmechanismen des Bundes. Der FDP-Haushaltspolitiker Frank Schäffler sieht das Gutachten daher als Alarmsignal. „Wir sollten das Gutachten ernst nehmen“, sagte er dem Handelsblatt. „Der Bund zahlt an die Länder und weiß am Ende nicht, was mit dem Geld geschieht.“

Ohne Geld führen die Länder kein Deutschlandticket ein

Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Dorothee Martin, wies die Kritik des Rechnungshofs dagegen zurück. „Der Bundestag wird kommende Woche über den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Erhöhung der Regionalisierungsmittel abstimmen“, sagte sie. „Das ist jetzt der richtige Schritt.“ Unabhängig davon verhandelten Bund und Länder derzeit einen Ausbau- und Modernisierungspakt für den Nahverkehr.

Der Bund will in einem ersten Schritt die sogenannten Regionalisierungsmittel für die Länder per Gesetz erhöhen. Demnach flössen in diesem Jahr 10,44 Milliarden Euro und in den Folgejahren – statt wie bisher 1,8 Prozent – dann drei Prozent mehr. 2030 wären es 13,8 Milliarden Euro.

„Dem System sollten noch im Jahr 2022 notwendige finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit der ÖPNV mindestens auf dem bestehenden Niveau seinen Beitrag zur Verkehrswende und bei der Erreichung der Klimaschutzziele leisten kann“, erklärt das Bundesverkehrsministerium. Der Bundesrechnungshof zitiert diese Begründung in seinem Gutachten.

Im kommenden Jahr sollen die gesetzlichen Grundlagen für das Deutschlandticket auf den Weg gebracht werden. Hier haben sich Bund und Länder bereits bereit erklärt, die zunächst prognostizierten Kosten von drei Milliarden Euro zu teilen. Allerdings reichen sie offenkundig doch nicht aus, wie die Nahverkehrsbranche nach ersten Überlegungen zum Ticket erklärt hat. Da unklar ist, wer die möglichen Mehrkosten übernimmt, wollen die Unternehmen die Vorarbeiten für das Ticket nicht weiterbetreiben.

Die Beamten von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wie auch von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklären daher in ihrer Stellungnahme, die Länder seien wegen der ungeklärten Finanzierung des Nahverkehrs insgesamt nicht bereit gewesen, bereits jetzt einen Ausbau- und Modernisierungspakt abzuschließen. Er sollte eigentlich in diesem Jahr stehen und die Grundlage für Finanzverhandlungen sein. Der Pakt werde nun „im Frühjahr oder im Herbst 2023“ angestrebt, zitieren die Prüfer die Ministerien weiter.

Die Rolle des Nahverkehrs ist weiter ungeklärt

Seit Anfang des Jahres tagt eine Arbeitsgruppe. Darin beraten Vertreter aus Bund und Ländern, wie der Nahverkehr modernisiert und in die Lage versetzt werden kann, bis 2030 doppelt so viele Menschen wie bisher zu transportieren und damit einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Zugleich dient der ÖPNV aber der Daseinsvorsorge und muss sich daher weitgehend aus Zuschüssen der öffentlichen Hand finanzieren. Die Länder selbst haben bereits etliche Milliarden gefordert, um die Klimaziele zu erreichen.

„Vor einer dauerhaften Erhöhung der Regionalisierungsmittel“, empfehlen die Prüfer, sollten die Beratungen zu der künftigen Ausrichtung des Nahverkehrs abgeschlossen sein. „Solange der Bund sich nicht einseitig bindet, bleibt die Chance erhalten, mit den Ländern zu einem Ergebnis zu kommen, das die beiderseitigen Interessen ausgewogen berücksichtigt.“

Auch Bundesverkehrsminister Wissing hatte lange Zeit so argumentiert. Inzwischen aber ist ihm wichtiger, das Nachfolgeticket zügig einzuführen. Während er auf den 1. März 2023 hofft, rechnet die Nahverkehrsbranche nicht vor dem 1. April damit – sofern zuvor geklärt ist, wer die Mehrkosten trägt.

Laut Grundgesetz ist der Bund dafür zuständig, für eine auskömmliche Finanzierung des Nahverkehrs zu sorgen. Zuständig für den Nahverkehr selbst sind wiederum die Länder und Kommunen.

Mehr: E-Auto-Käufer müssen um ihre Kaufprämie fürchten.



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Politik

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