Dec 9, 2022
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Bildung: Grundschul-Gutachten empfiehlt: Stundenzahl in den Fächern Deutsch und Mathematik deutlich ausbauen

Written by Barbara Gillmann


Stundenplan zur Einschulung

Experten fordern mehr Unterricht in den Kernfächern Deutsch und Mathematik.


(Foto: IMAGO/Kirchner-Media)

Berlin Eklatante Schwächen der Grundschulkinder tragen nach Experteneinschätzung zum Fachkräftemangel bei. Die Misere in den Klassen eins bis vier führt dazu, dass ein Fünftel der 15-Jährigen die schulischen Mindeststandards nicht erfüllt und viele Jugendliche damit kaum ausbildungsfähig sind.

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) hat nun ein Programm für die Generalüberholung der Grundschule entwickelt. Die wichtigsten Ergebnisse: Die Stundenzahl in den Kernfächern Deutsch und Mathematik muss deutlich ausgebaut und schwache Schüler besser gefördert werden.

Allerdings sollte schon vor der Einschulung angesetzt werden. Die Kita soll verbindlicher Teil der Bildungslaufbahn werden, damit alle Kinder zum ersten Schultag ähnlich gut vorbereitet sind.

„Die Basis für alles ist die Kita. Wir brauchen verbindliche Sprachtests im Alter von drei bis vier Jahren für alle und eine verbindliche Förderung für alle, die Lücken haben – auch von denen, die keine Kita besuchen“, sagt Michael Becker-Mrotzek, der die SWK-Arbeitsgruppe leitete.

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Bisher gibt es diese Sprachtests nicht überall für alle Kinder, teilweise finden sie erst kurz vor der Einschulung statt, wie auch der nationale Bildungsbericht kritisiert, der alle zwei Jahre im Auftrag von KMK und Bundesbildungsministerium vorgelegt wird.

Generell sei „eine verbindliche Umsetzung des Bildungsauftrags der Kita auch im Bereich der frühen sprachlichen und mathematischen Bildung“ nötig, fordert Becker-Mrotzek, der an der Uni Köln das Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache leitet.

Die Lage in den Grundschulen ist prekär: Nach den jüngsten Vergleichstests hat sich der seit zehn Jahren gemessene Negativtrend durch die Coronakrise noch verschärft

Jeder fünfte Viertklässler kann nicht richtig lesen, schreiben und rechnen

„Heute fehlen einem Fünftel der Grundschulkinder die Grundkompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen, fast 40 Prozent sprechen zu Hause kein oder wenig Deutsch“, sagt Felicitas Thiel, Co-Vorsitzende der 2021 eingerichteten SWK. Dazu kommt: „Mehr als ein Fünftel hat ein Risiko für  psychische Auffälligkeiten. Darauf muss sich die Grundschule in Zukunft besser einstellen“, sagt die Berliner Professorin für Schulpädagogik und -entwicklung.

>> Lesen Sie auch: Negativtrend seit 2011: Nur noch 58 Prozent der Viertklässler können gut lesen, die Basisfähigkeit für jeden Lernerfolg 

Die Grundschule müsse viel mehr in die Förderung schwacher Schüler investieren, um allen Kindern das beizubringen, was sie für die weitere Schullaufbahn bräuchten, fordern die Wissenschaftler. Die Pisa-Tests zeigen seit Jahren, dass auch von den 15-Jährigen ein gutes Fünftel nicht einmal die Mindeststandards erreicht. 

Gutachter fordern 24 Wochenstunden Deutsch und 20 Wochenstunden Mathe in der Grundschule

Um die notwendige Basis zu sichern, „müssen wir die Lernzeit in den Kernfächern ausbauen. In vier Jahren Grundschule müssen insgesamt 24 Wochenstunden Deutsch und 20 Stunden Mathematik unterrichtet werden“, sagt Becker-Mrotzek. Das wären also zum Beispiel in jedem Schuljahr sechs Wochenstunden Deutsch und fünf Stunden Mathe. Aktuell würden Deutsch und Mathe überwiegend mit anderen Fächern zusammen unterrichtet. „Das sollte geändert werden.“

Um das System insgesamt zu verbessern, reiche es aber nicht, einfach nur mehr Geld hineinzustecken, mahnen die KMK-Berater. „Die Risikoschüler sammeln sich oft an wenigen Schulen. Diese müssen weit mehr Ressourcen erhalten, um die erforderliche Unterstützung zu sichern“, sagt Becker-Mrotzek. Daneben müsse aber auch die soziale und emotionale Förderung verbindlich sein – teilweise gemeinsam mit Sozialpädagogen. „Denn nur dann können die Kinder auch fachlich mitkommen.“  

Lehrern fehlt das Handwerkszeug, um die Fähigkeiten der einzelnen Schüler zu messen 

Damit die Förderung wirkt, dringen die Gutachter auf eine umfassende datenbasierte Diagnose der Fähigkeiten jedes Einzelnen. Das Ziel ist klar, die Kultusminister haben schon vor Jahren Standards eingeführt, was die Kinder bis zu welchem Schuljahr lernen sollen. „Aber die Diagnosefähigkeit der Lehrkräfte, um festzustellen, ob das auch der Fall ist, ist ausbaufähig“, formuliert Thiel vorsichtig.

Nötig sei „flächendeckend eine systematische Diagnose der Kenntnisse der Schüler und eine darauf aufbauende Förderung“, sagt Becker-Mrotzek. Für die Diagnose gebe es heute „eine unüberschaubare Menge von digitalen Tools. Wir müssen die Spreu vom Weizen trennen und den Lehrern die wirklich wirksamen darunter zur Verfügung stellen.“ 

Das werde heute noch nicht ausreichend an den Hochschulen gelehrt, und es gebe auch viel zu wenig Fortbildungen. Dazu kommt offenbar ein Misstrauen der Lehrkräfte gegen solche wissenschaftlichen Methoden: „Es gibt in Deutschland grundsätzlich Akzeptanzprobleme, was die Nutzung von Daten für die Unterrichtsentwicklung betrifft“, konstatiert die SWK-Vorsitzende Thiel.

In der Schweiz hingegen existiere „eine Tradition, die der Diagnose positiv gegenübersteht“. Und die Niederlande hätten bereits 2007 eine datenbasierte Unterrichtsentwicklung in der Grundschule eingeführt „und damit sehr gute Ergebnisse erzielt“. Dafür bräuchten allerdings die Schulleitungen „Geld und Zeit, um die datenbasierte Förderung zu organisieren“. 

Mehr: Fachkräftemangel: Firmen suchen verzweifelt nach Azubis – gleichzeitig versauern immer mehr junge Menschen in Hilfsjobs



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