Istanbul Die Türkei will über einen Gasrabatt mit Russland verhandeln. Wie es in Regierungskreisen der türkischen Hauptstadt Ankara heißt, wolle die Türkei rund ein Viertel weniger für das aus Russland importierte Gas bezahlen.
Die Nachrichtenagentur Bloomberg schreibt, dass das Treffen zu diesem Thema bereits an diesem Freitag stattfinden werde. Demnach wolle die türkische Regierung auch für bereits bezahlte Gasimporte aus diesem Herbst einen nachträglichen Rabatt erwirken.
Die Chancen stehen gut. Erstens wäre billige Energie ein gutes Heilmittel für die schwächelnde Volkswirtschaft des Landes. Zweitens hat der Kreml seinerseits ein Interesse daran, dass die Regierung Erdogan nicht frühzeitig untergeht.
Die Regierung in Ankara kämpft mit den wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekrieges sowie mit einer lockeren Wirtschaftspolitik, die von Staatschef Erdogan erwünscht ist. Die Inflation liegt bei 84 Prozent, und die Zentralbank muss die Lira stützen.
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Außerdem ist das Land von Rohstoff-Importen abhängig. In diesem Jahr könnte die Energierechnung des Landes erstmals 100 Milliarden US-Dollar übersteigen, hatte Staatschef Erdogan kürzlich erklärt. Das wäre rund ein Achtel des türkischen Bruttoinlandsprodukts. Die Hälfte kommt durch Gasimporte zustande, wovon die Türkei wiederum knapp die Hälfte aus Russland importiert.
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Die lockere Wirtschaftspolitik hat zwar die Gewinne vieler Unternehmen und damit auch zahlreiche Börsenbewertungen beflügelt. Gleichwohl könnte die türkische Volkswirtschaft jederzeit in eine heftige Wirtschaftskrise abgleiten. Das Außenhandelsdefizit wird in diesem Jahr voraussichtlich knapp 50 Milliarden US-Dollar betragen. Die schwache Lira macht Importe wie etwa für Rohstoffe oder andere Industriegüter immer teurer.
Wahlen in der Türkei: Russland hat ein Interesse an Erdogan
Hier kommt Wladimir Putin ins Spiel. Schon im September hatte Erdogan vom russischen Präsidenten einen Rabatt gefordert, als die beiden auf einem Gipfel im zentralasiatischen Usbekistan aufeinandertrafen. Damals hatte der Kremlchef noch betont, einen Teil der Zahlungen aus der Türkei in Rubel zu verlangen, um die eigene Währung zu stützen.
Doch zeitgleich hatte Putin eine Zahlung von fünf Milliarden US-Dollar an eine Tochterfirma des staatlichen Kraftwerkbetreibers Rosatom in der Türkei veranlasst, um so die Reserven des Landes zu stützen.
Die beiden Staatschefs haben eine tiefe strategische Beziehung zueinander aufgebaut. Sie setzen auf Kooperation, selbst wenn sie unterschiedlicher Meinung sind. Dabei geht es um nüchternes Machtkalkül. Schließlich eint beide der Anspruch, geopolitisch an Bedeutung zu gewinnen – zulasten des Westens.
Obwohl die Türkei die Ukraine seit Langem mit Kampfdrohnen beliefert, verhandelt Putin am liebsten mit Erdogan über diplomatische Teillösungen im Ukrainekrieg, etwa bei einem Treffen der Außenminister der Ukraine und Russlands in der Türkei oder beim von der Türkei vermittelten Getreidedeal. Erdogan präsentiert sich als Mediator und warnt andere Nationen, Russland zu unterschätzen.
Außerdem hatte Erdogan angeboten, die Türkei könne als Umschlagplatz für russisches Öl eine größere Rolle einnehmen. Obwohl europäische Staaten dieser Idee längst eine Absage erteilt haben, dürfte für Putin vor allem die Geste zählen.
Erdogan ist für Putin wichtig, wenn dieser seinen antiwestlichen Kurs beibehalten möchte, ohne sein Land komplett von den Märkten des Westens abzukoppeln. Deswegen dürfte der Kremlchef ein natürliches Interesse daran haben, dass der türkische Präsident an der Macht bleibt.
Aktuellen Umfragen zufolge ist ein Sieg Erdogans bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr alles andere als sicher. Als größtes Problem nennen Bürgerinnen und Bürger die wirtschaftliche Lage. Putin wiederum könnte den Rabatt verkraften – viele alternative Käufer seines Erdgases sind ohnehin nicht mehr übrig geblieben. Dafür könnte er das politische Überleben seines letzten Partners im Westen sichern.
<< Den vollständigen Artikel: Türkei: Erdogan will billiges Erdgas aus Russland – und bittet Putin um 25 Prozent Rabatt >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.