Im Juli noch war Joe Biden auf Staatsbesuch in Saudi-Arabien. „Wir werden nicht weggehen und ein Vakuum hinterlassen, das von China, Russland oder dem Iran ausgefüllt wird“, hatte der amerikanische Präsident damals vor Journalisten gesagt.
Das war seine Kernbotschaft – aber eine Botschaft, die eher Wunsch als Realität sein dürfte, wie sich jetzt herausstellt. Denn Chinas Präsident Xi Jinping beendet an diesem Freitag seinen dreitägigen Besuch in Riad mit einem prall gefüllten Auftragsbuch.
Unterschrieben wurden 34 Investitionsabkommen, die auf rund 30 Milliarden Dollar geschätzt werden. Politische Beobachter stellen nun eine Grundsatzfrage: Braucht Saudi-Arabien Amerika überhaupt noch?
Als „dramatisch“ bezeichnet der Tel Aviver Mittelost-Spezialist Uzi Rabi die geopolitischen Folgen des Besuchs. Xi habe sich als Vertreter Chinas im Mittleren Osten profiliert, insbesondere deshalb, weil Kronprinz Mohammed bin Salman (MBS) für ihn auch Treffen mit arabischen Herrschern und Monarchen aus der Golfregion organisiert hatte.
Das sei ein deutliches Zeichen gegenüber Washington, sagt Rabi: „Die Saudis signalisieren, dass sie sich für eine Reduktion des US-amerikanischen Einflusses in der Region entschieden haben.“ Am arabisch-chinesischen Gipfel beteiligten sich unter anderem die Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi aus Ägypten und Kais Saied aus Tunesien, der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas sowie Sudans De-facto-Herrscher Abdel Fattah al-Burhan.
Die Saudis werden die Kooperation mit China weiter ausbauen, wenn MBS einmal auf dem Thron sitzt, ist Rabi überzeugt. Der künftige Monarch verabschiede sich vom Paradigma des 20. Jahrhunderts, wonach sich Riad allein auf die USA verließ.
Die Botschaft an Washington sei klar, meint Rabi: „Wir haben Alternativen.“ Die chinesisch-saudische Kooperation soll künftig alle zwei Jahre durch Gipfeltreffen ausgebaut und gefestigt werden. Damit werde der Dialog institutionalisiert.
Vor fünf Monaten war US-Präsident Joe Biden in das Königreich gereist, um für eine Ausweitung der Ölförderung zu werben. Die Opec-Länder unter Führung Saudi-Arabiens drosselten stattdessen sehr zum Ärger der Vereinigten Staaten die Produktion. Saudi-Arabien ist traditionell ein enger Verbündeter der USA. Neben dem Streit ums Öl hatte Biden auch immer wieder die Menschenrechtsverstöße im Königreich scharf kritisiert.
Saudische Beamte weisen den Vorwurf zwar zurück, dass das Königreich die beiden Supermächte gegeneinander ausspiele, und betonen, dass Riad lediglich seine Außenbeziehungen diversifizieren wolle. Die Vereinbarung mit dem chinesischen Smartphone-Hersteller und Netzwerkausrüster Huawei zeigt aber, wie losgelöst von westlichen Interessen die Saudis entscheiden.
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Westliche Länder hegen den Verdacht, dass Huawei zu eng an die Regierung in Peking angebunden ist und der Konzern zum Ausspionieren von Staats- und Firmengeheimnissen missbraucht wird. Die USA haben sich deshalb der Expansion von Huawei in der Region widersetzt. Aber Riad hat mit Peking vereinbart, dass der chinesische Konzern ein schnelles mobiles Internet realisieren wird, das es auf zehn Gigabytes pro Sekunde bringt. Auch soll das Unternehmen in Saudi-Arabien einen Cloud-Speicher entwickeln.
Datensensible Geschäfte mit China könnten die Kooperation zwischen den USA und den arabischen Ländern beeinträchtigen, hatte Washington immer wieder gewarnt. Politische Beobachter gehen davon aus, dass die USA den Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten sehr genau beobachtet haben.
„Wir sind uns bewusst, dass Peking seinen Einfluss auf der ganzen Welt ausbauen will“, kommentierte John Kirby, ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, Xis Besuch in Riad. „Der Nahe Osten ist sicherlich eine dieser Regionen, in denen sie ihren Einfluss ausbauen wollen.“
Amerika fordere die Staaten im Mittleren Osten zwar nicht auf, sich zwischen Washington und Peking zu entscheiden, sagte Kirby. Die US-Politik sei jedoch „besser geeignet, Wohlstand und Sicherheit für Länder auf der ganzen Welt zu bewahren, als diejenige, die von China demonstriert oder angepriesen wird“.
Wir sind uns bewusst, dass Peking seinen Einfluss auf der ganzen Welt ausbauen will. Der Nahe Osten ist sicherlich eine dieser Regionen, in denen sie ihren Einfluss ausbauen wollen. John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA
Rein ökonomisch betrachtet ist die engere Kooperation zwischen Riad und Peking jedenfalls für beide Seiten lukrativ. Auf die nach der Covidkrise angeschlagene chinesische Wirtschaft warten in Saudi-Arabien Aufträge im Wert von mehreren Dutzend Milliarden Dollar.
Saudi-Arabien will sich unabhängig von Öl machen
Der Strategieplan „Vision 2030“, mit dem Saudi-Arabien seine Wirtschaft bis zum Ende des Jahrzehnts von der Ölabhängigkeit befreien will, biete chinesischen Firmen „beispiellose Investitionsmöglichkeiten“, sagte der saudische Investitionsminister Khalid bin Abdulaziz al-Falih den Gästen aus Peking.
Er nannte Sektoren wie erneuerbare Energien, IT, Biotechnologie, Tourismus und Infrastrukturprojekte. So wird China zum Beispiel 300.000 Häuser fertigstellen, und Enovate Motors wird eine Fabrik bauen, die pro Jahr 100.000 Elektroautos produzieren soll. Ohnehin sind Riad und Peking wichtige Handelspartner. Peking ist zudem abhängig von saudischem Öl und zahlt dafür jährlich mehrere zehn Milliarden Dollar an Riad.
In einem Gastbeitrag für saudische Medien bezeichnete Xi seinen Besuch als „Pionier-Reise“, die Chinas Beziehungen zur arabischen Welt neu definiere. Dabei betonte er auch, dass sich China und die arabischen Länder nicht in interne Angelegenheiten einmischen werden.
Peking sehe Riad „als wichtige Kraft in einer multipolaren Welt“. Das war durchaus auch ein Seitenhieb auf die USA. Joe Biden hatte seinen Staatsbesuch in Riad auch dazu genutzt, Saudi-Arabien an die Einhaltung von Menschenrechten zu erinnern.
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