Dec 9, 2022
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Russland: Putin nimmt an Treffen der Eurasischen Wirtschaftsunion teil – doch die Zeichen stehen auf Distanz

Written by Mareike Müller


Riga Der Himmel ist noch dunkel, das Empfangskomitee am Flughafen überschaubar, als der russische Staatschef Wladimir Putin in Kirgistans Hauptstadt Bischkek eintrifft. Dafür begrüßt ihn sein Amtskollege und Gastgeber Sadyr Dschaparow gleich mit Handschlag.

Anlass des Besuchs des Kremlchefs in Zentralasien ist ein Gipfeltreffen der Eurasischen Wirtschaftsunion. Dem Verbund gehören neben Russland Kasachstan, Kirgistan, Belarus und Armenien an.

Dass Putin persönlich anreist, zeigt, dass er dem Format einige Bedeutung zuschreibt. Gerade Zentralasien ist für Putin in einer Zeit, in der Russland nach Möglichkeiten sucht, um die Auswirkungen der westlichen Sanktionen abzuschwächen, von großer Bedeutung.

Die Beschlüsse des Treffens deuten auf eine Vereinfachung der Handelsbedingungen in einigen Bereichen hin, lassen aber derzeit nicht auf eine massive Vertiefung der wirtschaftlichen Integration in der Region schließen.

So unterzeichneten die anwesenden Politiker nach Kreml-Angaben Dokumente zu insgesamt 15 Themen, darunter zu indirekten Steuern auf elektronische Dienstleistungen, zur Liste der „vorrangigen Bereiche für die Liberalisierung von Dienstleistungen“ für den Binnenmarkt und den Haushalt der Organisation für das kommende Jahr – sowie einen Beschluss zur Aufnahme von Verhandlungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten über den Abschluss eines Freihandelsabkommens. Die Dokumente selbst wurden bisher nicht veröffentlicht.

Ziel der Eurasischen Wirtschaftsunion ist der freie Verkehr von Gütern, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften sowie eine einheitliche Politik in bestimmten festgelegten Sektoren – im Grunde die Schaffung eines gemeinsamen Marktes ähnlich dem der EU. Die Realität sieht aber anders aus, die Integration verläuft schleppend, die Macht der Institution ist begrenzt.

Trotzdem ist die Wirtschaftsunion für Russland von Bedeutung, wie Analysten des britischen Thinktanks Chatham House schon im Sommer schrieben, und zwar vor allem geopolitisch. Die Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine hätten die Organisation für Russland aber „wirtschaftlich wesentlich nützlicher gemacht als je zuvor“ – unter anderem, weil Länder wie Kasachstan maßgeblich dazu beitragen würden, dass Russland Sanktionen umgehen könne.

Putin erklärte, die Organisation habe „in diesem Jahr effektiv gearbeitet und sich konsequent weiterentwickelt“. So sei es möglich gewesen, „nicht nur die makroökonomische Situation in unseren Ländern zu stabilisieren, sondern auch eine Reihe von Entwicklungsindikatoren zu verbessern“. Putin wies auf die Bereiche Arbeitslosigkeit, landwirtschaftliche Entwicklung und Inflation hin.

Doch die Beziehungen zwischen Russland und Zentralasien sind brüchig. Putins Bemühungen beruhen nicht vollständig auf Gegenseitigkeit: Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, die stetigen Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen und nicht zuletzt die Sanktionen des Westens führen dazu, dass die zentralasiatischen Staaten im Vergleich zu früheren Zeiten auf Abstand gehen.

>> Lesen Sie hier: Die Beziehung von Kasachstan und Russland wackelt

Weder wollen sie selbst der Militärmacht Russland ausgesetzt sein – vor allem gegenüber Kasachstan häuften sich in diesem Jahr die Drohungen –, noch wollen sie durch Sanktionsverstöße tiefer als nötig von westlichen Handelspartnern mit Russland in einen Topf geworfen werden. Gerade Kasachstan hatte sich seit Ende Februar distanzierter gegenüber Moskau gezeigt. Am Freitag sagte der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew allerdings bei dem Treffen, von einer Verlangsamung der Integrationsprozesse durch Kasachstan könne keine Rede sein.

Usbekistans Präsident sagt ab

Diplomatisch schwerer könnte für Moskau wiegen, dass Usbekistans Präsident Schawkat Mirsijojew seine Teilnahme kurz vor dem Gipfel abgesagt hatte. Usbekistan hat derzeit den Status eines Beobachterstaates innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion inne.

Russland hatte im November die Schaffung einer sogenannten Gas-Union zwischen Russland, Kasachstan und Usbekistan vorgeschlagen, um den Transit zwischen den drei Staaten, aber auch mit anderen Käufern, darunter China, zu fördern. Usbekistans Energieminister Jorakeb Mirzamahmudov lehnte das Angebot am Mittwoch aber ab.

Klassenfoto in Bischkek

Armeniens Ministerpräsident Paschinjan, Belarus’ Präsident Lukaschenko, der kasachische Präsident Tokajew, Kirgistans Präsident Dschaparow und Russlands Präsident Putin.


(Foto: IMAGO/SNA)

Der Nachrichtenagentur Reuters sagte er, man werde „politischen Bedingungen im Austausch für Gas niemals zustimmen“. Es gebe bereits Verhandlungen zur Kooperation auf Basis von Verträgen mit Nachbarstaaten, sagte Mirzamahmudov, „nicht durch eine Allianz oder Union“.

>> Lesen Sie hier: 30 Milliarden Barrel Ölreserven – Kasachstan könnte Europas neue Tankstelle werden

Ein Berater Putins hatte gesagt, man werde sich zu diesem Thema in Bischkek austauschen. Usbekistan schickte allerdings lediglich Premierminister Abdulla Aripov – eine Entscheidung, die diplomatisch als Affront aufgefasst werden kann.

Neben Kasachstan gilt Usbekistan als zweite wichtige Kraft in Zentralasien. Das Land hat sich seit Beginn des Ukrainekrieges Schritt für Schritt von Moskau distanziert, wenn auch zunächst weniger offensichtlich als das benachbarte Kasachstan. Experten halten ein komplettes Lossagen von Russland, sowohl politisch als auch ökonomisch, derzeit in keinem der zentralasiatischen Staaten für wahrscheinlich.

Schlechte Nachrichten für den Kremlherrscher kamen auch aus Indien. So wird das jährliche Treffen zwischen Putin und Indiens Premier Narendra Modi in diesem Jahr nicht stattfinden. Das bestätigte Kremlsprecher Dimitri Peskow am Freitag.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete unter Berufung auf eine namentlich nicht genannte Quelle, die Entscheidung habe mit Putins Androhung, Atomwaffen im Krieg gegen die Ukraine einzusetzen, zu tun. Die Beziehung zwischen Indien und Russland sei aber weiterhin stark.

Mehr: Putin – Atomwaffen dienen nur der Verteidigung



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Politik

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