London Die britische Regierung will zahlreiche Regulierungen für Banken und Versicherungen aus Zeiten der EU-Mitgliedschaft lockern. Finanzminister Jeremy Hunt kündigte am Freitagmorgen unter dem Namen „Edinburgh-Reformen“ einen 30-Punkte-Plan an, der mehr Wachstum und die führende Stellung des Finanzplatzes London sichern soll.
Unter anderem plant die Regierung, die Kapitalanforderungen für Versicherungen zu lockern und die strikte Trennung von Investment- und Retailbanking (Privatkundengeschäft) aufzuweichen. Auch die nach der Finanzkrise 2008 verschärfte persönliche und finanzielle Haftung von Finanzmanagern für Vergehen und Fehler in ihren Verantwortungsbereichen soll überprüft werden. Die Bonusdeckel für Banker hatte die Regierung bereits aufgehoben.
„Die Edinburgh-Reformen nutzen unsere Brexit-Freiheiten, um ein flexibles und einheimisches Regulierungssystem zu schaffen, das im Interesse der britischen Bevölkerung und unserer Unternehmen arbeitet“, sagte Hunt laut dem vorab veröffentlichten Redetext in Edinburgh.
Das Reformpaket wird in London auch als „Big Bang 2.0“ bezeichnet – eine Anspielung auf die von der ehemaligen Premierministerin Margaret Thatcher 1986 auf den Weg gebrachten Deregulierungen für die Londoner City.
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Einen ähnlichen Befreiungsschlag erhofft sich Hunt nun vom Abbau alter EU-Regel. „Der Austritt aus der EU bietet uns die einmalige Gelegenheit, unser Regulierungssystem neu zu gestalten und das volle Potenzial unseres beeindruckenden Finanzdienstleistungssektors freizusetzen“, sagte der Finanzminister und kündigte an, auch andere Branchen von den EU-Regeln zu „befreien“: „Wir werden EU-Gesetze reformieren, die unsere Wirtschaft belasten und das Wachstum in anderen Branchen wie der Digitaltechnik und den Biowissenschaften abwürgen.“
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Kritiker fürchten, dass die britische Deregulierungs-Offensive einen „Wettlauf nach unten“ auslösen könnte. So hatte die EU-Kommission vor Kurzem angekündigt, die Auflagen für Clearinghäuser zu lockern, um Geschäfte von London auf den Kontinent zu locken.
Den Befürchtungen widersprach der britische City-Minister Andrew Griffith in einem Interview mit der „Financial Times“: Es werde keinen Deregulierungswettlauf geben. Es sei jedoch die Zeit gekommen, die nach der Finanzkrise 2008 verschärften Regeln zu überprüfen, da der Bankensektor heute in einer weitaus besseren Verfassung sei.
Besonders umstritten ist das Vorhaben Hunts, die Aufsichtsbehörden in der City neben der Finanzstabilität und dem Verbraucherschutz auch auf ein Wettbewerbs- und Wachstumsziel zu verpflichten. Sowohl John Vickers, der nach der Finanzkrise eine Kommission für Bankenreformen geleitet hatte, als auch der frühere Chef der Financial Service Authority (FSA), Adair Turner, kritisierten die Idee. „Es ist ein Fehler, den Regulierungsbehörden des Finanzsektors ein Wettbewerbsziel zu geben“, bemängelte Turner.
Mehr Freiheiten für Shortseller und neue Regeln für Kryptowährungen
„Die Angleichung an strenge internationale Bankenstandards fördert das Wirtschaftswachstum, indem sie die Wettbewerbsfähigkeit des britischen Finanzplatzes untermauert, das Vertrauen der Anleger in das britische Bankensystem stärkt und sicherstellt, dass die Banken die Wirtschaft auch in Abschwungphasen finanzieren können“, begründete der BoE-Finanzaufseher Sam Woods die strikte Haltung der Währungshüter.
Überprüfen will London auch die bisherigen Regeln für „Short-Selling“, bei dem Investoren auf den Preisverfall von Wertpapieren spekulieren. Hunt kündigte außerdem an, „ein sicheres regulatorisches Umfeld für (digitale) Stablecoins“ zu schaffen und sicherzustellen, „dass die Regierung über die notwendigen Befugnisse verfügt, um ein breiteres Spektrum an investitionsbezogenen Kryptoasset-Aktivitäten in die britische Regulierung aufzunehmen.“
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