Berlin Die Bundesregierung hat ein klares Ziel ausgegeben: Der Bau von Wind- und Solarparks soll so schnell wie möglich vorangehen. So beschlossen im sogenannten Osterpaket. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist nun per Gesetzesdefinition „im überragenden öffentlichen Interesse“, weil er der öffentlichen Sicherheit dient.
Doch nicht alle Bundesländer lassen sich davon beeindrucken. Im Gegenteil: Sie legen Vorschriften zum Natur- und auch zum Denkmalschutz bei der Genehmigung von Windparks besonders eng aus.
Ein aktuelles Beispiel aus Brandenburg sorgt in der Windbranche für Aufregung. Die Unternehmen, darunter Enertrag, Notus, Nordex und WPD, werfen dem Land vor, sich nicht an die Vorgaben des Bundes zu halten. Sie fordern in einem gemeinsamen Appell von der Landesregierung eine Korrektur.
Auslöser der Kritik ist der Entwurf eines Erlasses des brandenburgischen Umweltministeriums nebst umfassendem Anhang, der die Auslegung des Bundesnaturschutzgesetzes zum Tier- und Pflanzenschutz regeln soll. Der geplante Auslegungserlass widmet sich in beachtlicher Detailschärfe dem Schutz einzelner Vogelarten, etwa der Rohrweihe.
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In dem Entwurf heißt es beispielsweise, Windräder im Nestumfeld von Rohrweihen stellten eine Beeinträchtigung dar, da der von den Rotorblättern ausgehende Schlagschatten zu rhythmischen Unterbrechungen des Mondlichts führe, die in dem Papier als „Diskoeffekt“ bezeichnet werden.
Brandenburg unterscheidet verschiedene Arten des öffentlichen Interesses
In dem Entwurf des Erlasses wird auch gleich klargestellt, wie ernst man das „überragende öffentliche Interesse“ an dem Bau von Windrädern nimmt: Windräder dienten zunächst einmal dem wirtschaftlichen Interesse von Unternehmen oder Privatpersonen, heißt es darin. Gleichzeitig diene der Bau von Windrädern „einem übergeordneten öffentlichen Interesse“.
Der Begriff des „überragenden“ öffentlichen Interesses sei aber nicht mit dem „überwiegenden“ öffentlichen Interesse im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes gleichzusetzen. Insbesondere beanspruche das überragende öffentliche Interesse an erneuerbaren Energien nicht per se Vorrang gegenüber anderen Belangen, wird in dem Entwurf klargestellt.
Das führt dazu, dass in den drei Abstandskategorien, die der Gesetzgeber rund um Vorkommen kollisionsgefährdeter Brutvogelarten definiert, in Brandenburg besonders strenge Regeln gelten sollen. So soll beispielsweise im „Nahbereich“ grundsätzlich kein Windrad möglich sein.
Die Windparkbranche aber verweist darauf, dies sei bundesrechtlich im Rahmen einer artenschutzrechtlichen Ausnahme möglich. Außerdem sollen bereits Einzelvorkommen weiter verbreiteter Arten zu großräumigen Ausschlussbereichen für Windräder führen.
„Aus jeder Zeile des Entwurfs lässt sich eine ablehnende Haltung gegenüber der Windenergie herauslesen“, klagt ein Branchenmanager, der nicht genannt werden will. In dem Branchenappell heißt es, wenn keine Korrektur der Pläne erfolge, drohten lange Genehmigungs- und Klageverfahren. „Eine weitere Blockade statt einer Vereinfachung und Beschleunigung des Windenergieausbaus wären die unausweichliche Folge“, heißt es in dem Appell.
Das Umweltministerium des Landes Brandenburg erklärte auf Anfrage, der Anwendungserlass sei erforderlich, da sich die bundesrechtlichen Regelungen geändert hätten und einige darin enthaltene unbestimmte Rechtsbegriffe für den Vollzug in Brandenburg geklärt werden müssten. Derzeit befinde sich der Erlass aber noch in der Bearbeitung.
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Schriftliche Einwendungen würden noch ausgewertet. Ziel sei es, die Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen zu beschleunigen „und gleichzeitig die auch europarechtlich verankerten Artenschutzvorschriften einzuhalten und umzusetzen“. Das Bundesumweltministerium erklärte, die Länder seien an das Bundesnaturschutzgesetz gebunden und für dessen Vollzug zuständig. Man stehe dazu im Austausch mit den Ländern. „Dabei befürworten wir eine möglichst einheitliche Rechtsanwendung“, damit eine Beschleunigungswirkung im Windenergieausbau erzielt werden könne, sagte eine Sprecherin.
Insgesamt liegt das Ziel rascher und effizienter Genehmigungsverfahren nach Einschätzung der Windbranche aber noch immer in weiter Ferne. „Unsere Betreiber kennen Verfahren, die sich in der Regel über vier bis sechs Jahre erstrecken“, kritisiert Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie.
„Wir sind weit entfernt von dem im Wahlkampf ausgegebenen Ziel von sechs Monaten“, sagte er. Es sei ein Befreiungsschlag erforderlich, „um endlich die seit langer Zeit bekannten Probleme in den Verfahren zu lösen“.
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