Brüssel Das Projekt RepowerEU, mit dem sich die Europäer unabhängiger von russischen Energielieferungen machen wollen, könnte bald einen heftigen Rückschlag erleiden. Denn die Verhandlungen zur Finanzierung sind blockiert. Eine Runde am Freitag wurde ergebnislos abgebrochen, wie das Handelsblatt erfuhr. RepowerEU soll den Ausbau von erneuerbaren Energien, Wärmedämmung, Energieeffizienz und LNG-Infrastruktur fördern. Dafür sollen auch 20 Milliarden Euro an frischem Geld eingesetzt werden.
Den Plan hatte die EU-Kommission im Mai vorgelegt. Sie wollte, dass das Geld durch zusätzliche CO2-Emissionszertifikate eingenommen wird. Auf diese Weise wäre man unproblematisch an das Geld gekommen und hätte gleichzeitig die Kosten für die derzeit durch hohe Energiepreise belastete Industrie gesenkt. Denn die Ausgabe neuer Zertifikate senkt den CO2-Preis.
Doch bis heute wehren sich die Mitgliedstaaten gegen diesen Plan. Die Einnahmen aus dem Emissionshandel kommen ihren Haushalten zugute. Darum schadet ihnen ein gesenkter CO2-Preis.
Antwort auf den amerikanischen IRA
In den Verhandlungen dazu blieben die EU-Staaten, vertreten von der tschechischen Ratspräsidentschaft, eisern. Sie wollen 15 der 20 Milliarden Euro aus dem Innovationsfonds der EU abziehen.
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Der Zweck des Innovationsfonds ist ähnlich wie der von RepowerEU: Er unterstützt Unternehmen, die in eine saubere Produktionsweise investieren. Sollte sich RepowerEU mehrheitlich daraus finanzieren, wäre sein zusätzlicher Nutzen gering.
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Darum lehnt das EU-Parlament diesen Vorschlag ab. Die Abgeordneten wollen den Innovationsfonds gerade jetzt nicht beschädigen. „Der Innovationsfonds erfüllt eine Aufgabe ähnlich dem Inflation Reduction Act in den USA“, sagt Peter Liese (CDU), der für das Parlament an den Verhandlungen teilnimmt, dem Handelsblatt. „Dafür brauchen wir in Zukunft mehr Geld, nicht weniger.“ Mit dem Inflation Reduction Act (IRA) investieren die USA innerhalb von 10 Jahren rund 350 Milliarden Euro in Klimaschutz und saubere Energie.
Wie bei fast allen EU-Gesetzen müssen bei RepowerEU das EU-Parlament und der Rat der Mitgliedstaaten eine gemeinsame Position finden, damit es in Kraft treten kann.
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Am Freitag bot das Parlament dem Rat an, 2 Milliarden Euro aus dem Innovationsfonds umzuwidmen und erhoffte sich daraufhin ein Entgegenkommen. Doch weder bei der Finanzierungsfrage, noch in anderen strittigen Punkten zeigten die Mitgliedstaaten Gesprächsbereitschaft. Die Verhandlungsführer für das Parlament, Liese und der Rumäne Siegfried Muresan, verließen daraufhin die Verhandlungen. „Der Rat, insbesondere die Vertreter der Finanzministerien, haben den Ernst der Lage nicht erkannt“, sagte Liese danach. Eine Sprecherin der Ratspräsidentschaft wollte den Vorgang nicht kommentieren.
Wirtschaft lehnt Pläne der Mitgliedstaaten ab
Dass die Mitgliedstaaten ihre Einnahmen aus dem Emissionshandel so heftig verteidigen, kann Liese nicht nachvollziehen: „Der Preis pro Tonne CO2 ist viel höher als geplant“, sagt er. „Die Staaten nehmen Milliarden ein, mit denen niemand gerechnet hatte.“
Die energieintensive Wirtschaft steht eher auf der Seite des Parlaments. Denn sie würde von geringeren CO2-Preisen profitieren, während ein Schrumpfen des Innovationsfonds ihre Investitionen erschweren würde.
„Wir sind besorgt darüber, dass der Vorschlag des Rates in krassem Widerspruch zu einer Industriepolitik steht, die den grünen Wandel zu einem Business Case für unsere Unternehmen macht“, schreiben sie in einem Brief an die tschechische Ratspräsidentschaft. Verfasser sind 14 europäische Dachverbände, die Branchen wie Chemie, Zement, Papier, Keramik, Stahl und Dünger repräsentieren, in denen besonders viel Energie verbraucht wird.
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Als Kompromiss schlagen die Verbände vor, zusätzliche CO2-Zertifikate auszugeben, die sich bislang in einer Marktstabilitätsreserve befinden. So hatte es die EU-Kommission vorgeschlagen. Der Plan des Parlaments sieht vor, jetzt mehr Zertifikate auszugeben, in den kommenden Jahren aber weniger. So würde die Gesamtmenge an ausgestoßenem CO2 gleich bleiben.
Ein weiterer Streitpunkt in den Verhandlungen ist, ob mit RepowerEU auch Öl-Infrastruktur gefördert werden darf. Ungarn, Tschechien und die Slowakei beziehen noch immer einen Großteil ihres Ölbedarfs per Pipeline aus Russlands. Im Öl-Embargo gibt es dafür eine Ausnahme. Die Staaten wollen mit den RepowerEU-Mitteln alternative Pipelines bauen. Das Parlament lehnt das im Sinne des Klimaschutzes ab. Auch in diesem Punkt gab es am Freitag keinen Verhandlungsfortschritt.
Die letzte Verhandlungsrunde ist eigentlich für den kommenden Dienstag angesetzt. Am Montagabend soll es ein inoffizielles Treffen geben.
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