Berlin Die Zahl der sogenannten Reichsbürger ist seit Jahresbeginn stark angestiegen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte der „Bild am Sonntag“, der Verfassungsschutz schätze das Personenpotenzial in diesem Spektrum inzwischen auf rund 23.000 Menschen – ein Anstieg um rund 9,5 Prozent (rund 2000 Menschen) im Vergleich zum Vorjahr. In den Jahren 2018 und 2019 rechnete der Inlandsgeheimdienst dieser sehr heterogenen Szene jeweils etwa 19.000 Menschen zu.
Die bundesweiten Zahlen zu verschiedenen extremistischen Strömungen stimmen die Verfassungsschützer von Bund und Ländern jeweils im Dezember ab, bevor der Jahresbericht des Verfassungsschutzes veröffentlicht wird. Im vergangenen Jahr hatte der Verfassungsschutz mehr als fünf Prozent der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ gleichzeitig dem rechtsextremistischen Spektrum zugerechnet.
Etwa zehn Prozent der „Reichsbürger“ gelten als gewaltbereit. Im Jahr 2021 registrierte die Polizei 239 Gewaltdelikte, die der Szene zuzurechnen sind, deutlich mehr als im Jahr zuvor.
„Reichsbürger“ sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Oft weigern sie sich, Steuern zu zahlen. Manche „Reichsbürger“ erstellen eigene Fantasie-Ausweise.
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Die Bundesanwaltschaft hatte am Mittwoch 25 Menschen festnehmen lassen, darunter auch frühere Offiziere. 22 der Festgenommenen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Drei weitere Festgenommene gelten als Unterstützer. Die 23 in Deutschland festgenommenen Beschuldigten sind seit Donnerstag in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft sprach zudem von 27 weiteren Beschuldigten.
„Eine sehr gefährliche Frusterfahrung“ – Experte warnt vor Reichsbürger-Szene
Dass die „Reichsbürger“-Szene in den vergangenen zwei Jahren so stark gewachsen ist, führen die Sicherheitsbehörden in erster Linie auf die Proteste gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zurück. Diese hätten eine „erhöhte Dynamik und Aktivität“ zur Folge gehabt, hieß es bereits im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2021.
Schnittmengen zwischen AfD und „Reichsbürgern“
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sieht inhaltliche Schnittmengen zwischen der AfD und „Reichsbürgern“. „Reichsbürger ist nicht automatisch AfD und umgekehrt. Aber es gibt große Schnittmengen – von der Ablehnung unseres Staates über die prorussische Haltung bis zur Amerikafeindlichkeit“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Die AfD schaffe es immer wieder, aus solchen Bewegungen Treibstoff für die eigene Politik zu generieren. „Deshalb müssen wir das ernst nehmen und sehr genau auf die AfD gucken, die da ein Katalysator ist.“
Pistorius sagte: „Ich halte die AfD in weiten Teilen für rechtsextremistisch.“ Selbst in Landesverbänden wie in Niedersachsen, die vor einigen Jahren noch als relativ gemäßigt gegolten hätten, gebe es eine „klare Bewegung“ ins Rechtsextremistische. Der Zeitpunkt für ein Verbotsverfahren gegen die AfD sei noch nicht gekommen. „Aber wir müssen hingucken, prüfen und sammeln, damit wir den Zeitpunkt nicht verpassen“, meinte Pistorius.
Der Verfassungsschutz hat die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall im Blick. Eine Klage der AfD gegen diese Einstufung wurde in erster Instanz zugunsten des Verfassungsschutzes entschieden. Die AfD hat Berufung eingelegt.
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