Berlin Der Co-Vorsitzende der SPD-Linken, Sebastian Roloff, hat als Konsequenz aus der Korruptionsaffäre im Europäischen Parlament eine Verschärfung des deutschen Lobbyregistergesetzes gefordert. „Eine Verschärfung nach Brüsseler Vorbild finde ich sinnvoll, dies sollte auch Drittstaaten umfassen“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt.
Es müsse „so transparent wie möglich“ sein, wer Einfluss auf einen Gesetzgebungsprozess genommen beziehungsweise das versucht habe. „Korruption ist Gift für die Demokratie und das Vertrauen in sie“, so Roloff. Daher müssten auch die deutschen Transparenzregeln regelmäßig auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden.
Hintergrund ist einer der größten Korruptionsskandale in der Geschichte des Europaparlaments. Vizepräsidentin Eva Kaili soll Geld aus dem Golfstaat Katar kassiert haben, damit sie für das WM-Gastgeberland Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt.
Die Sozialdemokratin aus Griechenland wurde zusammen mit fünf anderen Verdächtigen festgenommen. Vier davon kamen am Sonntag per Haftbefehl in Untersuchungshaft – darunter laut Medienberichten auch die 44-jährige Parlamentsvizin selbst. Viele andere Europa-Abgeordnete, auch aus Deutschland, sorgen sich nun um den Ruf.
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Die EU-Europaabgeordnete Katarina Barley (SPD), ebenfalls Parlamentsvizepräsidentin, sprach von einem „kriminellen Einzelfall“, den man nie ausschließen könne, trotz der schon weitreichenden Transparenz-Regeln des EU-Parlaments. Sie regte zugleich an, dass der Bundestag sich die europäischen Regeln anschauen sollte.
In Deutschland gilt für Lobbyisten Verhaltenskodex
„Auch der Bundestag könnte darüber nachdenken, Auskünfte einzuholen, wer in welchen Bereichen von Gesetzesvorhaben Lobbyarbeit betreibt“, sagte Barley der Nachrichtenagentur Reuters. Die europäischen Transparenzregeln seien „durchaus fortschrittlicher als dies in Deutschland auf Bundesebene der Fall ist“, fügte sie hinzu.
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In Deutschland ist zu Jahresanfang das Lobbyregister des Bundestags gestartet. Unternehmen und Verbände können sich seitdem in das Register eintragen, auf das sich Union und SPD nach jahrelangem Streit und Skandalen wie der Maskenaffäre im Vorjahr geeinigt hatten. Bislang haben sich dem Vernehmen nach über 5.000 Unternehmen, Verbände, Organisationen, Netzwerke, Einzelpersonen und andere angemeldet.
Das öffentlich einsehbare Lobbyregister soll sichtbar machen, wer Einfluss auf politische Entscheidungen und die Gesetzgebung nimmt. Professionelle Interessenvertreter mussten sich dort bis spätestens 1. März eintragen. Sie müssen Angaben unter anderem über ihre Auftraggeber und zum personellen und finanziellen Aufwand ihrer Lobbytätigkeit bei Bundestag und Bundesregierung machen.
Zu erläutern sind auch der Interessenbereich und die Tätigkeit. Lobbyisten werden zudem verpflichtet, sich an einen vorgegebenen Verhaltenskodex zu halten. Wenn sie sich nicht an die Regeln halten, droht ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. Zu den bereits Registrierten gehört auch Lobby Control, die sich seit Jahren für mehr Transparenz in der Politik stark macht. Die Organisation hatte auch schon für eine „legislative Fußspur“ als „wichtige Ergänzung des Lobbyregisters“ geworben.
Regierung arbeitet bereits an schärferen Lobbyisten-Regeln
Die Ampelkoalition strebt eine Verschärfung des Lobbyregisters in diese Richtung an. Zumindest haben SPD, Grüne und FDP dies im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Dazu gehört, dass Kontakte zu Ministerien ab Referentenebene – nicht erst ab Unterabteilungsleitern – einbezogen und der Kreis der eintragungspflichtigen Vertretungen erweitert werden.
Auch der sogenannte „legislative Fußabdruck“ ist genannt. Durch diesen soll sichtbar werden, welche Interessenvertreter Einfluss auf welche Gesetze genommen haben.
Laut Bundesregierung ist eine Änderung des Lobbyregistergesetzes in Arbeit. „Derzeit stimmt sich die Bundesregierung in Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer Ausweitung der Eintragungspflicht sowie Fragen des Gesetzgebungsverfahrens ab“, heißt es in einer im September veröffentlichten Regierungsantwort auf eine Anfrage der Linksfraktion. Das betrifft auch die Frage der Einführung eines „Fußabdrucks“. Hier laufe aktuell eine „interne Willensbildung“.
Der Bundestag beschloss das aktuelle Lobbyregistergesetz der Großen Koalition am 25. März 2021. In der damaligen Parlamentsdebatte verwies der CDU-Abgeordnete Patrick Schnieder, heute Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, auf die „Geschäftsordnungsautonomie“ der Bundesregierung: „Sie kann alles, was im Rahmen eines exekutiven Fußabdrucks gefordert ist, machen, aber sie muss es selbst machen, und zwar in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien.“
Das hieße: Für einen exekutiven Fußabdruck braucht es keine Verschärfung des Lobbyregistergesetzes. Die Regierung kann eine solche Maßnahme einfach ergreifen.
Mehr: Korruptionswächter kritisieren Bundesregierung – sehen aber Fortschritte bei Lobbyregeln
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