Die Bundesregierung will mehr Verkehr auf die Schienen bringen.
(Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich)
Berlin Mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket plant die Bundesregierung, das Schienensystem von Grund auf fit für die Zukunft zu machen. Künftig soll das System „im überragenden und öffentlichen Interesse“ liegen und so Vorrang bei Genehmigungen und gerichtlichen Auseinandersetzungen erhalten. Auch soll der Bund in Zukunft das Schienennetz anders finanzieren.
Diesen und andere Vorschläge unterbreitet eine Beschleunigungskommission unter Leitung des Schienenverkehrsbeauftragten der Regierung, Michael Theurer (FDP), in ihrem Abschlussbericht. Der Bericht liegt dem Handelsblatt vor und soll am Dienstag Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) übergeben werden.
Der Kommission gehören Vertreter der Deutschen Bahn AG, deren Wettbewerber, des Planungs- wie auch des Baugewerbes und mehrerer Verbände an. Sie sollten Lösungen finden, um das Schienennetz des seit 1996 privatisierten, längst wieder hochverschuldeten Bundesunternehmens wieder auf Kurs zu bringen.
Die Kommission empfiehlt ein „Moderne-Schiene-Gesetz“, um alle Vorschläge umzusetzen. Dazu gehöre, Wirtschaftlichkeits- und Verwendungsnachweise zu vereinfachen sowie Genehmigungsverfahren zu verschlanken.
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Das Gesetz soll auch „die Rahmenbedingungen für eine neue Finanzarchitektur“ festlegen, „mit dem Ziel, eine gegenüber dem heutigen Stand fünffach beschleunigte Umsetzung von Elektrifizierungs- und Digitalisierungsmaßnahmen zu erreichen“.
Hunderte Zugausfälle durch desolates Schienennetz
Derzeit zahlt der Bund der Bahn Zuschüsse, um neue Strecken zu bauen. Darüber hinaus verabreden Bund und Bahn in einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung Instandhaltungsmaßnahmen. Hinzu kommen Förderprogramme, etwa um Bahnhöfe zu sanieren oder das Schienennetz zu digitalisieren. Dies alles setze „Fehlanreize“, erklärt die Kommission.
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Fest steht: Das bisherige Konzept, das Schienennetz im Eigentum der Bahn zu belassen und aus dem Bundeshaushalt wie aus Eigenmitteln der Bahn und aus Trassengebühren zu finanzieren, war nicht von Erfolg gekrönt. Das Netz befindet sich in einem desolaten Zustand, Züge fallen zu Hunderten aus oder kommen zu spät – sowohl im Personen- wie auch im Güterverkehr. „Die Eisenbahninfrastruktur in Deutschland ist überaltert“, resümiert die Kommission. Das politische Ziel, bis 2030 doppelt so viele Menschen und deutlich mehr Güter mit der Bahn zu transportieren, gilt als unrealistisch.
Die Kommission empfiehlt, dass der Bund zwei Fonds auflegen soll. „Aus dem Fonds für die Modernisierung des Bestandsnetzes werden die Instandhaltung, der Ersatz und die Modernisierung der Bestandsinfrastruktur sowie der Betrieb des Netzes finanziert“, heißt es in dem Abschlussbericht.
Hunderte Züge der Deutschen Bahn kommen zu spät.
(Foto: IMAGO/Nikita)
Die Ampelkoalition hat sich zum Ziel gesetzt, eine gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft unter dem Dach der Deutschen Bahn AG zu gründen. Laut Kommission soll sie sich weitgehend aus den Fonds finanzieren und „auf Basis bahnpolitischer Ziele“ investieren. Die Gesellschaft soll spätestens zum 1. Januar 2024 die heutige Netzsparte der Bahn AG ablösen. Im Bericht ist inzwischen aber vom „ersten Quartal 2024“ die Rede.
Fließen die Einnahmen aus der Lkw-Maut in den Fonds?
Strittig war bis zuletzt, wie die Fonds finanziert werden. In der Kommission hatte es eine intensive Debatte gegeben, ob auch zusätzliche Einnahmen aus der Lkw-Maut in das neue System fließen sollen, wie Teilnehmer berichteten. Dies sei mehrheitlich abgelehnt worden.
Nun heißt es im Bericht nur: „Bestehende Finanzierungsprogramme werden den einzelnen Fonds inhaltsbezogen zugeordnet“, also Haushaltsmittel und Trassengebühren. Die Fonds sind für „einen Langfristzeitraum“ vorgesehen.
Kurzfristig soll schnell mehr Kapazität auf dem Netz entstehen. Als neuer Hebel gilt, besonders befahrene Strecken komplett zu sanieren und nicht immer wieder einzelne Anlagenteile erst, wenn sie auch ihre wirtschaftliche Altersgrenze erreicht haben. Die Kommission erhofft sich damit, dass „die Strecke über einen langen Zeitraum nicht mehr gesperrt werden muss“.
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Für die neue Netzgesellschaft soll „kundenfreundliches Bauen“ im Zentrum stehen, mit weniger gesperrten Strecken und „Modul- und Schnellbausystemen“. Darüber hinaus sollen in zehn Pilotprojekten Auftraggeber, Planer und Bauunternehmen eng zusammenarbeiten.
Die Kommission hält es nicht für förderlich, zeitversetzt einzelne Streckenabschnitte zu sanieren.
Sie sollen „ihre volle Leistungs- und Innovationsfähigkeit auf die Optimierung, die schnelle Umsetzung sowie den effizienten Betrieb des Bauvorhabens fokussieren“, heißt es mit Blick auf das digitale Bauen, das sogenannte Building-Information-Modelling (BIM). So würden Projekte „signifikant beschleunigt“.
Auch empfiehlt die Kommission, bei Planungs- und Genehmigungsverfahren mehr Tempo zu machen. Für Weichen, Überholgleise oder Elektrifizierungen sollen künftig keine aufwendigen Genehmigungsverfahren mehr nötig sein und es soll auch kein Wirtschaftlichkeitsnachweis mehr erbracht werden müssen. Bislang muss der Nutzen immer höher sein als die Kosten. Allein 89 konkrete Maßnahmen auf bestehenden Strecken hat die Kommission identifiziert, die kurzfristig für mehr Platz auf dem Schienennetz sorgen können.
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