Dec 16, 2022
128 Views
Comments Off on Tech-Konzern: Als Folge der Russland-Sanktionen steht Russlands größter Digitalkonzern Yandex vor der Aufspaltung
0 0

Tech-Konzern: Als Folge der Russland-Sanktionen steht Russlands größter Digitalkonzern Yandex vor der Aufspaltung

Written by Mareike Müller


Riga Aus heutiger Sicht wirkt die Szene fast unwirklich: Es ist der Sommer 2006, der russische Präsident Wladimir Putin beantwortet geduldig Fragen von Internetnutzerinnen und -nutzern aus aller Welt. Anlass ist ein Webcast. Er wird von der britischen Rundfunkanstalt BBC veranstaltet – und dem Technologieunternehmen Yandex. Der Konzern ist schon damals Russlands ganzer Digitalstolz.

Jetzt, 16 Jahre später, droht dem digitalen Vorzeigeunternehmen mit internationalen Ambitionen infolge der westlichen Sanktionen gegen Kriegstreiber Russland die Aufspaltung – und der Absturz in die Drittklassigkeit. Künftig sollen die Zukunftstechnologien voraussichtlich bei der niederländischen Holding bleiben, die Yandex 2007 aus Steuergründen errichtet hat. Sparten wie der Taxi- oder E-Mail-Dienst werden abgespalten und künftig unter der Leitung eines neuen russischen Unternehmens stehen, das den Namen Yandex weiterführen wird.

Vergangene Woche wurde bekannt, dass der Putin-Vertraute und frühere Finanzminister Alexej Kudrin in die Spitze des russischen Yandex-Teils wechseln wird, um das operative Geschäft zu leiten. Zuletzt war Kudrin Chef des russischen Rechnungshofs. Die Personalie gilt als Beleg dafür, dass die Umstrukturierung des Konzerns, deren Prüfung die niederländische Muttergesellschaft Yandex N.V. Ende November angekündigt hat, so kommen dürfte. Yandex N.V. begründete den Schritt mit der „aktuellen geopolitischen Lage“.

An Russlands größtem Digitalkonzern zeigt sich, was der Krieg und die westlichen Gegenmaßnahmen für den Technologiesektor Russlands bedeuten. Experten gehen davon aus, dass der russische Teil künftig stärker dem Staatsapparat nutzen wird als der Digitalisierung – und Russland so digital weiter ins Hintertreffen gerät.

Top-Jobs des Tages

Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.

Putin-Vertrauter wechselt an die Spitze

Grund für die Aufspaltung ist unter anderem, dass die EU den Gründer Arkadi Wolosch im Juni mit Sanktionen belegte. Brüssel hatte den Schritt damit begründet, dass Yandex „staatliche Medien und Narrative“ in seinen Suchergebnissen fördere und „Inhalte in Zusammenhang mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine“ entferne. Medienberichten zufolge lebt Wolosch mittlerweile in Israel, genau wie die letzte Generaldirektorin der wichtigsten russischen Tochtergesellschaft Yandex LLC, Elena Bunina. „Ich kann nicht in einem Land arbeiten, das Krieg mit seinen Nachbarn führt“, wird die 46-Jährige zu ihrer Entscheidung zitiert.

In der Yandex-Suche finden sich seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine hauptsächlich die Nachrichten regierungsfreundlicher Medien. Kevin Limonier vom französischen Institut für Geopolitik spricht von einer „beispiellosen Kontrolle des russischsprachigen Informationsraums durch Zensur“ sowie die Ausnutzung von Diskussionsräumen durch die Stimme der Behörden. Kritikern zufolge hat sich Yandex zu abhängig vom Kreml gemacht. Beobachter fürchten, dass mit der Aufspaltung und Kudrins Eintritt in die russische Yandex-Spitze das Internet im Land nun noch stärker staatlich kontrolliert werden dürfte.

>> Lesen Sie hier: Eiserner Vorhang des 21. Jahrhunderts: Wie der Kreml Russland vom Internet abkoppeln will

Die Aufspaltung sei „die einzige Überlebensmöglichkeit für den Konzern“, sagt Alena Epifanova, die bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) zu Russlands Internet- und Technologiepolitik forscht.

Die Hoffnung dürfte auch sein, dadurch die Yandex-Aktie wieder handelbar zu machen. Sie ist seit Ende Februar vom Handel an der Nasdaq ausgesetzt.

Der Aufspaltung soll Kremlchef Wladimir Putin zugestimmt haben. Dabei bleibe Russland von den Zukunftstechnologien nichts, sagt Forscherin Epifanova. „Der Teil des Unternehmens, der in Russland verbleiben soll, ist in erster Linie für Serviceprodukte zuständig, das sind diejenigen Sparten, die von niedrigerer Qualität sind – zum Beispiel Maps oder Mails, Taxis, Lebensmittel-Lieferdienste.“ Doch für den Kreml sei das verbleibende Geschäft trotzdem wichtig – „allein wegen all der Daten, die das Unternehmen sammeln kann“.

„Russland wird technologisch absteigen“

Den Zugriff auf Nutzerdaten sieht Epifanova als einen der Gründe für Putins Zustimmung. Darüber hinaus dürfte es Putin um das digitale Image des Landes gehen: „Yandex war immer schon der nationale Stolz, wenn es um die Digitalwirtschaft geht“, sagt Epifanova. Für die russische Führung sei es daher wichtig zu zeigen, dass Teile des Unternehmens im Land bleiben und Yandex seinen Namen in Russland behält.

Russlands Führung spricht seit Jahren vom Weg zu mehr „digitaler Souveränität“. Ende 2019 etwa trat ein Gesetz in Kraft, das es der Regierung im Extremfall ermöglicht, ganz Russland vom globalen Netz abzuschotten. Begründet hatte Putin den Schritt mit der nationalen Sicherheit. Kritikerinnen und Kritiker sehen darin allerdings einen Vorwand, um die Überwachung der Gesellschaft auszuweiten. Epifanova hingegen ist überzeugt: „Russland wird in absehbarer Zeit keine digitale Souveränität erlangen, sondern technologisch absteigen.“

Grafik

Yandex wurde in den 1990er-Jahren gegründet und ging als erste kyrillische Suchmaschine 1997 online. In den darauffolgenden Jahren wuchs der Konzern rasant, expandierte international, errichtete eigene Schulungszentren in Russland und spezifische Suchdienste für Länder wie Kasachstan, Belarus, Usbekistan oder die Türkei.

>> Lesen Sie hier: Putin nimmt an Treffen der Eurasischen Wirtschaftsunion teil – doch die Zeichen stehen auf Distanz

Dann kam Russlands Krieg gegen die Ukraine. Im November 2021 noch notierte die Aktie an der Nasdaq bei über 60 Dollar. Mit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen das Nachbarland brach der Kurs massiv auf nur noch knapp 19 Dollar ein, dann setzte die Nasdaq den Handel bis heute aus. War das Unternehmen zu Höchstzeiten im November 2021 noch 31 Milliarden Dollar wert, liegt die Marktkapitalisierung jetzt nur noch bei 6,8 Milliarden Dollar.

Die globalen Ambitionen des Unternehmens hätten sich mit dem Krieg zerschlagen, sagt DGAP-Expertin Epifanova. Die ausgeschiedene Generaldirektorin Elena Bunina hätte verstanden, dass man aus Russland „in dieser Lage“ kein Cloud-Computing oder autonome Fahrzeuge entwickeln könne und sich stattdessen eher auf den russischen Markt konzentieren müsse.

Mehr: Dauerbombardement der Russen – Wann gehen Putin die Raketen aus?



<< Den vollständigen Artikel: Tech-Konzern: Als Folge der Russland-Sanktionen steht Russlands größter Digitalkonzern Yandex vor der Aufspaltung >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.

Article Categories:
Politik

Comments are closed.