Wie sich der Export von Metallen auf den Weltmarkt weiterhin lohnen soll, ist bislang nicht geklärt.
(Foto: REUTERS)
Brüssel Die EU wird künftig Abgaben auf energieintensive Güter erheben, die aus Drittstaaten importiert werden. Darauf haben sich am frühen Dienstagmorgen die Institutionen der EU geeinigt. Die Abgabe soll den Wettbewerbsnachteil ausgleichen, der entsteht, wenn europäische Unternehmen einen CO2-Preis zahlen müssen, ausländische aber nicht.
„Dies ist eine historische Einigung“, sagt der Vorsitzende des Umweltausschusses im Europaparlament, Pascal Canfin. „Wir reden seit mindestens zwei Jahrzehnten darüber, jetzt wird es Realität.“ Der Mechanismus werde weltweit einzigartig sein.
Der CO2-Grenzausgleich, in der Fachsprache „Cbam“ genannt („Carbon Border Adjustment Mechanism“), ist ein wichtiges Element im Plan, die CO2-Emissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 2005 zu senken.
Nötig wird der Grenzausgleich durch die Reform des Emissionshandels, die am Wochenende fertiggestellt wird. Durch diese Reform werden einige freie Zuteilungen von Emissionszertifikaten wegfallen. Das bedeutet, dass die Preise für in der EU produzierte energieintensive Güter steigen werden. Damit sich die Produktion in Europa weiterhin lohnt, erhöhen sich durch die Abgabe nun auch die Preise für die importierten Waren. Die Importe sollen im gleichen Maße verteuert werden, wie der CO2-Preis Güter von EU-Unternehmen teurer macht.
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Offen war bis zuletzt, welche Güter genau betroffen sind. Geeinigt haben sich die Verhandlungsparteien nun auf Eisen und Stahl, Zement, Aluminium, Dünger, Strom und Wasserstoff. Wirksam werden soll der Grenzausgleich nach einer dreijährigen Übergangsphase im Jahr 2026. Bis dahin müssen noch Verfahren und IT-Systeme aufgesetzt werden, die den CO2-Fußabdruck von importierten Waren erfassen.
EU-Unternehmen könnten weniger konkurrenzfähig werden
In der Theorie schafft der Grenzausgleich einen fairen Markt, auf dem europäische und außereuropäische Anbieter die gleichen Preise für den CO2-Ausstoß der Waren bezahlen, die sie auf dem EU-Markt anbieten. Allerdings gibt es in der Praxis zwei Probleme:
- Erstens lassen sich Vorprodukte nicht umfassend berücksichtigen. Eine Rolle spielt das etwa bei der Lebensmittelproduktion: Dünger wird in der EU teurer werden, womit auch die Preise für in der EU produzierte Lebensmittel steigen werden. Importierte Lebensmittel bleiben im Preis aber stabil. Das könnte zum Nachteil für einige europäische Landwirte werden.
- Zweitens verteuern sich durch den Wegfall von freien Zuteilungen Exporte europäischer Unternehmen, womit sie auf dem Weltmarkt weniger konkurrenzfähig sind. Relevant wird das für die Hersteller von Aluminium und Stahl. Ob diese Produkte weiterhin von kostenlosen Emissionszertifikaten profitieren können, solange sie für den Export vorgesehen sind, ist noch offen. Eine Entscheidung dazu könnte es am Wochenende geben, wenn die Reform des Emissionshandels final verhandelt werden soll.
Die Metallindustrie bewertet das Verhandlungsergebnis kritisch. „Die Wettbewerbsfähigkeit der Produktion in Europa wird geschwächt“, sagte Michael Niese, Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Metalle. „Die Preise für Werkstoffe in Europa werden sich im Vergleich zum Weltmarkt verteuern. Die Exporte der Grundstoffindustrie werden belastet.“ Betroffen seien vor allem Walz- und Pressprodukte aus Aluminium.
Für die Stahlindustrie ist die Frage der freien Zuteilung von Emissionszertifikaten für exportierte Güter besonders relevant.
Eine freie Zuteilung für Exporte sei alternativlos, sagte Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. „Andernfalls wären in Deutschland 20 Prozent der Stahlproduktion bedroht.“
Wasserstoff und Ammoniak werden nicht in relevanten Mengen aus der EU exportiert, weshalb bei ihnen der Wegfall von freien Zuteilungen weniger risikobehaftet ist.
>> Lesen Sie hier: Wann ist der Wasserstoff „grün“? EU-Kommission kommt Wirtschaft in zentraler Frage entgegen
Andere Chemikalien und auch Kunststoffe sind vorerst nicht erfasst. Sie können weiterhin freie CO2-Zertifikate erhalten. Vorgesehen ist aber, den Grenzausgleich auf weitere Produkte auszuweiten, wenn er sich bewährt hat.
Die Chemieindustrie sieht dafür keinen Spielraum. „Die EU muss bei der Einführung genau schauen, ob und wie das System funktioniert“, sagte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. „Die Gefahr ist groß, dass europäische Chemieproduktion gegenüber den USA, aber auch den Golfstaaten oder China weiter an Wettbewerbsfähigkeit verliert.“
Mehr: Unter Dekarbonisierungsdruck – Die Stahlindustrie muss rasch klimaneutral werden
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