Brüssel Der tschechische Verhandlungsführer spricht schon von einem „Cap Camp“, von einem „Deckel-Camp“, so oft haben sich die Energieminister der EU schon zusammengesetzt. Seit Beginn des Krieges war das Treffen am Dienstag das zehnte. Es dauerte neun Stunden und ging zu Ende, ohne dass sich die Runde auf ein Gesetz geeinigt hätte.
Zwar einigte man sich auf eine Reihe von Details und Funktionsweisen des Preisdeckels. Unklar ist aber weiterhin, auf welcher Höhe der Deckel liegen soll. Die Diskussion bewegte sich zunächst zwischen 100 und 275 Euro pro Megawattstunde, dann zwischen 160 und 220 Euro. Tschechiens Minister Jozef Sikela, der die Runde leitet, sah schließlich keine Chance mehr, eine Einigung innerhalb dieses Korridors zu erreichen.
Klar ist nun, dass der Mechanismus schon auslösen soll, wenn der Marktpreis drei Tage lang über dem noch zu vereinbarenden Wert liegt und gleichzeitig drei Tage lang mindestens 35 Euro über dem Weltmarktpreis für LNG, also Flüssiggas. Außerdem wurden weitere Sicherungsmechanismen vereinbart, über die im Falle unerwünschter Marktreaktionen der Preisdeckel wieder ausgesetzt wird. Ebenso ist nun klar, dass bilaterale Geschäfte („Over the Counter“, OTC) nicht vom Deckel betroffen sein sollen.
Am Montag ist ein weiteres Treffen angesetzt, bei dem die Frage des Preises geklärt werden soll. Bis dahin haben die Minister Zeit, sich innerhalb ihrer Regierungen abzustimmen, um neuen Raum für eine Einigung zu schaffen.
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Die Bundesregierung hält einen Preisdeckel für falsch. Wirtschaftsminister Robert Habeck zeigte sich aber bereit, der anderen Seite entgegenzukommen. Es gehe darum, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten „und trotzdem zu sehen, dass Europa zusammenbleibt“, sagte Habeck.
Deutsche Wirtschaft warnt vor Preisdeckel
Tatsächlich werden die Sorgen um die Versorgungssicherheit in anderen Ländern weniger ernst genommen als in Deutschland, während dort ein Signal erwartet wird, dass die Bürger vor überschießenden Preisen geschützt werden. Aus Sicht vieler Regierungen sind die hohen Gaspreise vom vergangenen Sommer nicht durch normale Marktmechanismen zu erklären, sondern wurden künstlich nach oben getrieben.
Die deutsche Wirtschaft hatte vor der Sitzung noch einmal eindringlich vor einem Preisdeckel gewarnt: „Flüssiggasströme könnten in andere Regionen der Welt umgeleitet werden“, sagte der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. „Im Gegensatz zur deutschen Gaspreisbremse setzen die Konzepte für einen EU-Gaspreisdeckel nicht an den Kosten für den Endverbraucher an, sondern direkt auf der Ebene des Großhandels. Damit werden weitreichende Marktverzerrungen programmiert, insbesondere aber physische Erdgasengpässe für die Befüllung der Gasspeicher in 2023/24, weil wichtige Energieeinsparanreize verloren gehen.“
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Mit einer Einigung am Montag würde der Weg frei für zwei Gesetze, die bislang blockiert sind. Obwohl es bereits eine politische Einigung gibt, hatten mehrere Staaten einen formellen Beschluss abgelehnt, um den Gaspreisdeckel zu erzwingen.
Eines dieser Gesetze soll die Solidarität unter den EU-Staaten regeln für den Fall, dass Gas knapp wird. Viele Staaten sind entweder auf die Speicher in anderen Ländern oder auf deren Import-Infrastruktur angewiesen, um sich mit Gas zu versorgen. Sollten einzelne Staaten in einer zugespitzten Krise Exportbeschränkungen erlassen, könnten die Gasflüsse durch Europa schnell zum Erliegen kommen. Dies soll mit dem neuen Gesetz verhindert werden.
Das andere Gesetz regelt die gemeinsame Beschaffung von Gas. Die Staaten verpflichten sich darauf, mindestens 15 Prozent des Gases, das sie für den Winter einspeichern, über eine gemeinsame Einkaufsplattform zu besorgen. Das soll verhindern, dass sich die EU-Staaten gegenseitig überbieten und dadurch die Preise auf dem Markt nach oben treiben. Im Sommer 2022 hatte dies zu einem massiven Anstieg der Gaspreise beigetragen.
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Vom Tisch scheint vorerst ein Gaspreisdeckel nach iberischem Vorbild zu sein: Spanien und Portugal subventionieren das Gas, das zur Elektrizitätserzeugung verwendet wird und senken dadurch den Strompreis. Viele Länder hatten verlangt, dieses Modell auf ganz Europa anzuwenden. Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen hatte sich dieser Forderung zwischenzeitig angeschlossen. Allerdings warnten Beamte der EU-Kommission eindringlich vor einer solchen Maßnahme. In Spanien habe sich gezeigt, dass dadurch der Gasverbrauch steigt und subventionierter Strom ins Ausland abfließt, hatten Experten gewarnt.
Dies wird auch dadurch unwahrscheinlicher, dass ab dem 1. Januar Schweden die Ratspräsidentschaft übernimmt und dadurch für die Tagesordnungen der Ministertreffen zuständig wird. Die Skandinavier gehören zu den Kritiker von Markteingriffen, während die bisher amtierenden Tschechen einen wirksamen Preisdeckel befürworteten und sich nicht scheuten, immer wieder Sondersitzungen anzusetzen.
Mehr: Wie Europa seine Gasströme umlenkt – und unabhängig von Russland wird
<< Den vollständigen Artikel: Energie: Der Gaspreisdeckel der EU soll kommen, doch die Höhe ist noch unklar >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.