Dec 16, 2022
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Nach Putschversuch: Jeder Streiktag kostet 380 Millionen Dollar: Perus Wirtschaft droht Instabilität

Written by Alexander Busch

El Salvador Peru erlebt seit Tagen schwere Tumulte: Infolge des gescheiterten Putschversuchs in dem Land haben in 13 von 24 Provinzen Demonstranten Straßensperren errichtet. Mehrfach wurden Flughäfen, Talsperren und Energieunternehmen gestürmt. Mindestens acht Tote hat es bereits gegeben.

Angesichts der Proteste hat die Regierung den Ausnahmezustand für 30 Tage ausgerufen. Die politische Instabilität droht den wirtschaftlichen Erfolg des Landes nun in Gefahr zu bringen.

Vergangene Woche versuchte Präsident Pedro Castillo einem Misstrauensantrag zuvorzukommen, indem er am 7. Dezember überraschend die Auflösung des Parlaments verkündete. Er werde das Land von nun an per Dekret regieren, sagte Castillo, der erst vor einem Jahr mit einer geringen Mehrheit zum Präsidenten gewählt worden war. Doch der Eigenputsch scheiterte.

Kurze Zeit später setzte das Parlament den ehemaligen Dorfschullehrer ab und wählte dessen Vizepräsidentin Dina Boluarte als seine Nachfolgerin. Die 60-jährige Juristin ist die erste Frau an der Spitze des südamerikanischen Landes und das sechste Staatsoberhaupt innerhalb von nur vier Jahren.

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Wie lange sie im Amt bleiben wird, ist unklar – denn der inzwischen inhaftierte Präsident hat weiterhin Anhänger in Peru. Sie fordern eine Freilassung Castillos, die Absetzung von Boluarte und sofortige Neuwahlen.

Pedro Castillo

Vergangene Woche versuchte Präsident Pedro Castillo einem Misstrauensantrag zuvorzukommen, indem er am 7. Dezember überraschend die Auflösung des Parlaments verkündete.



(Foto: Reuters)

Seit den Ausschreitungen ist nicht nur die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln bedroht. Auch die Unternehmen haben Probleme wegen der unterbrochenen Lieferketten. Las Bambas, einer der größten Kupferminen der Welt, kann zwar seine Produktion aufrechterhalten. Doch die Lager der Mine, die vom chinesischen Konzern MMG kontrolliert wird, sind mittlerweile voll.

Gesenkte Wachstumsprognose

Die peruanische Handelskammer in Lima hat die Wachstumsprognose für dieses Jahr zudem um 0,2 Prozentpunkte auf 2,9 Prozent gesenkt. Jeder Streiktag koste das Land 380 Millionen Dollar, heißt es beim Institut der Wirtschaft und unternehmerischer Entwicklung in Lima.

Proteste in Trujillo

Angesichts der Proteste hat die Regierung den Ausnahmezustand für 30 Tage ausgerufen.


(Foto: Bloomberg)

Die Investmentbank Morgan Stanley fürchtet hingegen, dass Perus Bruttoinlandsprodukt nur um 2,5 Prozent zulegen wird, Das ist zwar viel im regionalen Vergleich in Lateinamerika, aber wenig für die wachstumsgewöhnte Wirtschaft Perus. Zumal die peruanischen Erze und Metalle auf dem Weltmarkt hohe Preise erzielen. Der Kupferpreis ist seit Mitte Juli um 20 Prozent gestiegen.

Das Land könnte fünf Prozentpunkte mehr wachsen, schätzt der Ökonom Hugo Perea von der Investmentbank BBVA. Die Investoren würden Potenzial für Investitionen im Bergbau nicht nutzen, weil sie aufgrund der politischen Lage verunsichert seien.

>> Lesen Sie hier: Perus abgesetzter Präsident Castillo muss für 18 Monate in U-Haft

Auch JP Morgan hält die geringeren Investitionen wegen der politischen Instabilität für den Hauptgrund, warum Peru weniger wächst. Seit Beginn der Coronapandemie 2020 ist Peru allerdings auch nur knapp zwei Prozent im Jahr gewachsen.

Bislang hat die Politik die Wirtschaft nicht belastet

Dass die Wirtschaft durch die Politik unter Druck gerät, ist ein neues Phänomen in dem Land. Bislang blieben die Finanzmärkte und die Wirtschaft immer weitgehend abgekoppelt von den Ereignissen in der Hauptstadt Lima.

Dina Boluarte

Die 60-jährige Juristin ist die erste Frau an der Spitze des südamerikanischen Landes.


(Foto: AP)

Das liegt einerseits an der Struktur der Wirtschaft: denn Peru ist eine Rohstoffwirtschaft. Vor allem ausländische Konzerne bauen dort Kupfer, Gold, Zink und Blei ab. Rund 50 Prozent der Ausfuhren sind Metalle und Erze, ein weiteres Drittel sind landwirtschaftliche Produkte.

Peru imitiert seit Mitte der 1990er-Jahre Chile geschickt als wirtschaftliches Vorbild. Peru ist dadurch für Bergbauunternehmen weltweit ein wichtiges Investitionsziel geworden. Davon profitierte das Land: Die zwei Dekaden bis zur Pandemie wuchs Peru wegen der Investitionen in den Bergbausektor um 4,3 Prozent pro Jahr, fast so stark wie Chile. Trotz der gesenkten Prognosen steht Peru für das Wachstum für dieses und kommendes Jahr an der Spitze in ganz Lateinamerika.

>> Lesen Sie hier: Glencore-Chef Nagle warnt vor massivem Kupfer-Mangel

Die Zentralbank spielt dabei ein wichtige Rolle. Sie ist autonom und wird seit 16 Jahren vom selben Präsidenten geführt. Peru hat im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) die höchsten Devisenreserven in Lateinamerika. Die Inflation ist mit etwa acht Prozent gering im regionalen Vergleich. Schon 2023 könnte sie sich bereits wieder im Zielkorridor der Zentralbank von ein bis drei Prozent bewegen.

Arequipa, Peru

Polizeikräfte räumen mit schwerem Gerät eine Straßenblockade von Demonstranten aus dem Weg.


(Foto: AP)

Das Haushaltsdefizit ist mit 1,5 bis zwei Prozent des BIP unbedenklich. Peru erzielt einen Primärüberschuss im Budget. Damit sinkt die Verschuldung des Landes, während in Lateinamerika sonst fast überall die Schulden stark steigen.

Wirtschaft steht vor strukturellen Probleme

Das ist auch der Grund, warum es jüngst trotz der politisch einschneidenden Ereignisse an den Finanzmärkten Perus ruhig blieb: Der Sol behielt seinen Wert, die Aktien und Anleihen verloren nur wenig. Auch die Investmentbanken sahen keinen Anlass, ihre Risikoeinschätzungen oder Prognosen für das Andenland zu ändern.

Enteignungen von ausländischen Konzernen seien unwahrscheinlich, denkt Diego Pereira von JP Morgan. Castillo etwa hatte im Wahlkampf noch die Enteignung ausländischer Bergbaukonzerne angekündigt.

Grundsätzlich belasten Peru jedoch schwere strukturelle Probleme. Die Korruption ist hoch. Alle Präsidenten der vergangenen dreißig Jahre wurden von der Justiz wegen Korruption belangt.

Polizei in Lima

Die Mehrheit der Menschen hat nur beschränkten Zugang zu öffentlichen Gütern wie Gesundheit, Transport und Bildung.



(Foto: dpa)

Je nach Schätzungen leben und arbeiten 80 Prozent der Bevölkerung im informellen Sektor. Es zeigt sich, dass Wachstum allein nicht reicht. Die Mehrheit der Menschen hat nur beschränkten Zugang zu öffentlichen Gütern wie Gesundheit, Transport und Bildung.

Für Marcos Casarin, Lateinamerikaexperte von Oxford Economics ist abzusehen, dass Peru künftig deutlich langsamer wachsen wird als vor der Pandemie. Die nächsten Jahre wird das Wachstum nicht mehr als 2,5 Prozent im Jahr betragen.

Mehr: „Hohes Aufwärtspotenzial“ – Warum Experten neue Chancen in Schwellenländern sehen



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