Berlin Explodierende Preise, steigende Zinsen, unsichere Förderkulisse: Der Wohnungsbau stehe vor dem Kollaps, verlautet aus der Wirtschaft. „Das war ein Jahr ohne Durchatmen für alle“, sagt Bundesbauministerin Klara Geywitz. „In den nächsten Monaten werden wir so weitermachen.“
Wohnen werde weiter als soziale Frage adressiert, Baugesetze modernisiert, die Bauwirtschaft bei der Transformation hin zu einer klimafreundlichen Produktion unterstützt, kündigt die SPD-Politikerin an. Man werde „hart daran arbeiten, Stabilität in diese schwierige Zeit zu bringen“.
Doch der von der Ampel gewünschte Aufbruch in der Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik lässt auf sich warten. Das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen werde 2022 verfehlt, hatte Geywitz Mitte Dezember noch einmal eingestanden. „In der Tat, wir werden 400.000 in diesem Jahr nicht erreichen“, sagte sie im Bundestag. Doch selbst 2021, als es noch keinen Krieg gegeben habe, die Zinsen historisch niedrig gewesen seien und „ganz, ganz viel Geld in die Neubauförderung gesteckt“ worden sei, wurden weniger als 300.000 Wohnungen gebaut.
Die Liste der anstehenden Arbeitsaufträge im Bauministerium ist lang. Hier eine Übersicht über zentrale Vorhaben:
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Baukapazitäten ausweiten
Geywitz hält an dem Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen, davon 100.000 öffentlich geförderten, fest. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist jedoch alarmierend. Hohe Bau-, Energie- und Materialkosten, gestiegene Zinsen sowie langwierige Bau- und Planverfahren führen zu einer Abwärtsspirale im Wohnungsbau. Die Zahl der Stornierungen steigt, meldete jüngst das Münchener Ifo-Institut.
Um gegenzusteuern, hat der Bundestag beschlossen, die lineare Abschreibung beim Neubau von Mietwohnungen schon ab Januar 2023 von zwei auf drei Prozent jährlich zu erhöhen. Für Gebäude, die bis Ende 2022 fertiggestellt werden, soll es bei einer Abschreibung von zwei Prozent jährlich bleiben.
Zudem beschlossen die Abgeordneten eine zeitlich befristete Sonderabschreibung. Innerhalb von vier Jahren können fünf Prozent der Herstellungskosten für neu geschaffene Mietwohnungen mit dem energetischen Gebäudestandard „Effizienzhaus 40“ in Verbindung mit dem sogenannten Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) steuerlich abgesetzt werden.
Geywitz will auch das serielle und modulare Bauen ausweiten. Dafür sollen einmal erteilte Typengenehmigungen bundesweit gelten; entsprechende Regelungen sollen in den Landesbauordnungen verankert werden.
Planung und Genehmigung beschleunigen
Geplant sind Änderungen im Baugesetzbuch. Das Bundeskabinett verabschiedete im Dezember einen Gesetzentwurf mit Verbesserungen im Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die Bürgerbeteiligung soll digitalisiert, Fristen verkürzt werden. „Und wir sorgen dafür, dass zum Beispiel bei geänderten Plänen die Bürgerbeteiligung nur noch für die Änderungen und nicht mehr für den kompletten Plan gilt“, so die Ministerin.
Man sehe zum Beispiel, „dass Projektentwickler von frei finanziertem Wohnungsbau auf Sozialwohnungen umplanen wollen, was ich erst mal begrüße“, sagte Geywitz. „Hier ist es natürlich einfacher, wenn man nur diesen Teil des Bebauungsplans ändert und für den Rest nicht noch mal eine Anhörung durchführen muss. Das ist ein ganz praktischer Beitrag dazu, dass man Bebauungspläne schnell ändern kann.“
Mit der Novelle des Baugesetzbuchs sollen auch ehemalige Tagebauflächen oder auch Verkehrsflächen an Autobahnen genutzt werden können.
Gebäude dekarbonisieren
Der Bau- und Wohnungsbereich steht vor einer großen Transformation. Zwei Fragen sind zentral. Erstens: Wie bauen wir in Zukunft? Zweitens: Wie heizen wir in Zukunft?
Geywitz will weg vom alleinigen Fokus auf den Energiebedarf eines fertiggestellten Gebäudes. Schärfen möchte sie den Blick auf den Energiebedarf während der Bauphase. Das schließt beispielsweise Fragen nach dem Energiebedarf für die Herstellung von Bau- und Dämmmaterialien ein. Der Einsatz von Recyclingmaterial soll tendenziell gestärkt werden.
„Wir müssen verstehen, dass die Lösung nicht darin bestehen kann, möglichst hochtechnische Lösungen zu schaffen“, sagt Geywitz. „Vielmehr müssen wir die gesamten Treibhausgasemissionen des Gebäudebereichs, sowohl aus dem Heizbereich als auch für den Gebäudebereich an sich, in den Blick nehmen.“
Neubauförderung neu ausrichten
In diesem Zusammenhang steht auch die Frage, welche Kriterien künftig bei der Neubauförderung greifen. Die Wirtschaft wartet auf die neuen Förderkonditionen. Während das Bauministerium für die Neubauförderung zuständig ist, bleibt die Sanierung in der Hand des Wirtschaftsministeriums.
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Die Bundesregierung hatte entschieden, bei ihrer milliardenschweren Gebäudeförderung umzuschwenken. Der Fokus wird auf Sanierungen liegen. Hier sollen jährlich zwölf bis 13 Milliarden Euro fließen, nur noch eine Milliarde wird auf den Neubau entfallen. Davon wiederum sollen 350 Millionen Euro für die Förderung klimafreundlicher Eigenheime zur Verfügung stehen.
Wohneigentumsförderung neu aufstellen
Künftig wird nur noch der Erwerb von energieeffizientem Neubau staatlich gefördert, nicht mehr der Erwerb von Wohnungen im Bestand. Nach bisher bekannten Plänen stehen ab Juni 2023 für „Schwellenhaushalte“ 350 Millionen Euro zur Verfügung. Die staatliche Förderbank KfW soll dafür zinsvergünstigte Darlehen vergeben.
Damit sind Familien mit einem Kind und einem maximal zu versteuernden Jahreseinkommen in Höhe von 60.000 Euro gemeint. Jedes weitere Kind erhöht die Schwelle um 10.000 Euro.
Sozialen Wohnungsbau vorantreiben
Deutschlandweit fehlt es an bezahlbarem Wohnraum, vor allem aber in den Ballungsräumen. Die Koalition hat sich das Ziel gesetzt, jährlich 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen zu bauen, und stellt den Bundesländern dafür von 2022 bis 2026 insgesamt 14,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Man habe jahrelang zu wenig in den sozialen Wohnungsbau investiert, sagt Geywitz.
Zuständig für den sozialen Wohnungsbau sind aber die Länder. Sie müssen die Bundesmittel durch eigene Mittel aufstocken und den Wohnungsbau vorantreiben. Der geforderte Kofinanzierungsanteil der Länder liegt bei mindestens 30 Prozent.
Neue Wohngemeinnützigkeit einführen
Bis Ende März 2023 will Geywitz die Eckpunkte für die Einführung einer „Neuen Wohngemeinnützigkeit“ entwickeln. Ziel ist, „dass dauerhaft preiswerte, sozial gebundene Wohnungen am Markt sind“, so die Ministerin. Eines der Grundprobleme ist derzeit, dass Jahr für Jahr Bindungen von Sozialwohnungen auslaufen – und damit trotz neu geschaffener Sozialwohnungen am Jahresende ein Minus steht.
Wohngeldreform umsetzen
Zum 1. Januar 2023 kommt die größte Wohngeldreform in der Geschichte Deutschlands. Das „Wohngeld Plus“ soll dreimal mehr Menschen finanziell unterstützen als bislang. 1,4 Millionen Haushalte erhalten erstmals oder wieder einen Anspruch auf Wohngeld, inklusive einer integrierten Heizkostenkomponente.
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Die Herausforderung wird sein, die Reform an den Start zu bringen. Viele Kommunen rechnen mit extremen Verzögerungen der Auszahlungen. Geywitz zufolge soll niemandem Geld verloren gehen, wenn es mit der Bearbeitung länger dauert. Für Härtefälle wurde die Möglichkeit der vorläufigen Auszahlung getroffen.
Wohnungslosigkeit bekämpfen
Mehr als eine Viertelmillion Menschen in Deutschland haben kein Dach über dem Kopf. Um die Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden, will das Ministerium im kommenden Jahr einen Aktionsplan vorlegen.
Im Februar plant Geywitz eine Reise nach Finnland. Das skandinavische Land hat es geschafft, die Zahl der Obdachlosen zu reduzieren, während sie in vielen anderen europäischen Ländern steigt.
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