Dec 21, 2022
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Steigende Energiepreise: Gaspreisdeckel senkt die Inflation in Spanien – aber hat auch negative Effekte

Written by Sandra Louven


Madrid Zahlreiche EU-Regierungschefs blicken seit Monaten neidisch auf Spanien und Portugal: Seit Mitte des Jahres kostet der Strom dort deutlich weniger als im Rest Europas. Grund dafür ist der iberische Gaspreisdeckel. Dieser legt eine Obergrenze für das Gas fest, das zur Stromproduktion verwendet wird und funktioniert damit anders als der viel diskutierte Preisdeckel der Europäischen Union (EU). Dieser verbietet bei besonderen Marktbedingungen den Börsenhandel von Gas oberhalb von 180 Euro pro Megawattstunde.

In den EU-Verhandlungen hatten viele Länder verlangt, das iberische Modell auf ganz Europa anzuwenden. Beamte der EU-Kommission warnten allerdings eindringlich davor und verwiesen auf Spaniens Erfahrungen damit.

Tatsächlich ist die Bilanz auf der iberischen Halbinsel gemischt. Die Befürworter des Deckels argumentieren, die Preisobergrenze habe dazu geführt, dass die Inflation in Spanien gesunken ist und im November mit 6,8 Prozent die niedrigste der EU war. Kritiker halten wie die EU-Beamten dagegen, der Deckel habe den Export nach Frankreich sowie den Gaskonsum gesteigert. Beide haben Recht.

Seit Mitte Juni deckeln Spanien und Portugal den Preis für Gas zur Stromerzeugung auf durchschnittlich 50 Euro pro Megawattstunde – das liegt deutlich unter dem Marktpreis. Um die Gaskraftwerke für die entstandene Preislücke zu entschädigen, erhalten sie die Differenz zwischen Deckel und Marktpreis erstattet – und zwar von den Verbrauchern, die einen regulierten Stromtarif haben.

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In Spanien sind das rund 40 Prozent der Haushalte und 70 Prozent der Unternehmen. Ihr Tarif ist an die täglich wechselnden Preise am Spotmarkt gekoppelt. Seine Nutzer spüren Preisausschläge am Markt deshalb sofort. Als die Weltmarktpreise im vergangenen Jahr zu steigen begannen, bemerkten dies die Verbraucher in Spanien zuerst.

Gaspreisdeckel wirkt sich auf die Inflation aus

Das System führt aber dazu, dass die Nutzer des regulierten Tarifs den Effekt des Preisdeckels unmittelbar spüren – und das, obwohl sie die Subvention für die Gaskraftwerke finanzieren. Nach Angaben der spanischen Regierung zahlen sie durch den Preisdeckel im Schnitt 17 Prozent weniger für ihren Strom, als sie es ohne ihn tun würden.

>> Lesen Sie auch: Warum der iberische Gaspreisdeckel kein Vorbild für alle ist

Der Grund: Gas macht im spanischen Strommix nur 20 Prozent aus – und nur diese 20 Prozent subventionieren die Verbraucher. Da Gas aber den Preis aller Energiequellen bestimmt, senkt der Deckel auch die Preise der restlichen 80 Prozent an Energie. Sie stammt vor allem aus erneuerbaren Energien und zu einem geringen Teil aus Atomkraftwerken.

Da die in Folge des Ukrainekriegs explodierenden Energiekosten der wichtigste Grund für die hohen Inflationsraten sind, trägt der niedrigere Strompreis zur Senkung der Teuerung bei. Allerdings machen Experten für die guten spanischen Zahlen auch einen statistischen Effekt verantwortlich: Das nationale Statistikamt INE zieht für die Berechnung des nationalen Strompreises allein den regulierten Tarif heran. 60 Prozent der Haushalte haben aber – ähnlich wie in Deutschland – einen Tarif, der ein Jahr oder länger an einen festen Strompreis gebunden ist.

„Es gibt dadurch eine gewisse Verzerrung“, sagt Energieexperte Ramón Mateo, Direktor bei der Beratung BeBartlet. Dennoch sei der regulierte Tarif so bedeutend, „dass man schon davon ausgehen kann, dass der Preisdeckel die Energiekosten und damit die Inflation deutlich gesenkt hat.“

Von dem Deckel profitieren aber nicht nur Spanier und Portugiesen, sondern ungewollt auch die Franzosen. Statt zuvor Strom nach Spanien zu exportieren, importierte Frankreich von August bis Ende November 5300 Gigawattstunden aus dem Nachbarland. Da in Portugal wegen des trockenen Sommers die Wasserkraft fehlte, ist auch der spanische Stromexport nach Portugal in die Höhe geschnellt. Er hat sich mit 3100 Gigawattstunden fast versiebenfacht.

Spanien nutzte Gaskraftwerke stärker als sonst

Die steigenden Exporte haben dazu beigetragen, dass Spanien seine Gaskraftwerke stärker nutzte als sonst: Gas und Kohle kommen immer erst dann zum Einsatz, wenn die billigsten Energiequellen – also Erneuerbare und Atomenergie – ausgeschöpft sind. Bei einer stark steigenden Nachfrage ist das schnell der Fall. Der spanische Gasverbrauch für die Stromerzeugung ist nach Daten des Gasnetzbetreiber Enagas von Januar bis Ende November im Vorjahresvergleich um 61 Prozent gestiegen. Im Juli lag das Plus sogar bei 125 Prozent.

Das liegt aber nicht allein an den Exporten. „Der Gaspreisdeckel setzt auch einen Anreiz, mehr Gas für die Stromproduktion zu nutzen“, sagt Experte Mateo. So gebe die Subvention den Kombikraftwerken eine Garantie, dass ihre Kosten gedeckt werden.

>>Lesen Sie hier: Spaniens Energieministerin – „Diese Krise gefährdet den Fortbestand der EU“

Allerdings fiel die Einführung der Preisobergrenze Mitte Juni auch mit einem besonders trockenen Sommer zusammen und entsprechend wenig Wasserkraft konnte zur Stromgewinnung genutzt werden. Dazu kam die Abschaltung mehrerer französischer Atomkernkraftwerke. „Dies lässt vermuten, dass der Gasverbrauch in Spanien auch ohne einen Preisdeckel gestiegen wäre“, sagt Mateo. „Es ist schwer abzuschätzen, inwieweit der höhere Gaskonsum auf den Preisdeckel oder andere Faktoren zurückzuführen ist.“

Unstrittig ist dagegen, dass der Deckel die Gewinne aller Versorger schmälert, da der Gaspreis den Preis aller übrigen Energieformen bestimmt. Wird er gedeckelt, wird auch Atomstrom und Energie aus erneuerbaren Energien billiger.

„Der Deckel hat die Erzeuger von Atomstrom und erneuerbaren Energien dieses Jahr rund fünf Milliarden Euro an Einnahmen gekostet“, kalkuliert José Luis Sancha, Energieexperte an der Universidad Pontifica Comillas in Madrid.

Das halten einige für problematisch. Sie argumentieren, dass Unternehmen gerade für den Kampf gegen den Klimawandel einen großen Anreiz haben sollten, erheblich in weitere Kapazitäten für erneuerbare Energien zu investieren. „Der Deckel könnte solche Investitionen bremsen“, warnt Ana Maria Jaller-Makarewicz, Energieanalystin der Analysefirma IEEFA.

Mehr: Preisbremse für Lebensmittel – So wollen südeuropäische Länder die Teuerung aufhalten



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