Für entscheidend halten die Verfasser des Positionspapiers den Aufbau einer CO2-Transport- und Speicherinfrastruktur in Deutschland und Europa.
(Foto: IMAGO/Wienold)
Berlin Die Zement- und die Chemieindustrie sowie weitere Branchen üben den Schulterschluss mit den Klimaschutzorganisationen Germanwatch und Bellona. Gemeinsam werben sie bei der Bundesregierung für rasche Fortschritte bei der CO2-Speicherung.
In einem gemeinsamen Positionspapier, das dem Handelsblatt vorliegt, sprechen sie sich dafür aus, den bestehenden rechtlichen Rahmen grundlegend zu reformieren und die CO2-Speicherung in großem Maßstab zu ermöglichen. Dazu müssten „alle national verfügbaren Möglichkeiten in Betracht gezogen werden“, einschließlich der „Speicherpotenziale in der Nordsee“.
Zwar ist die Speicherung in Deutschland unter dem Meeresgrund nach geltender Rechtslage grundsätzlich zulässig, sie beschränkt sich jedoch auf Pilotprojekte mit Mengenbeschränkungen. Nun müsse auch die kommerzielle Anwendung ermöglicht werden, so die Forderung.
Es bleibe wenig Zeit, um bei der CO2-Speicherung voranzukommen, sagte Martin Schneider, Hauptgeschäftsführer des Vereins Deutscher Zementwerke (VDZ): „Wenn wir bis 2045 klimaneutral sein wollen, müssen erste Projekte zu Abscheidung, Transport, Speicherung und Nutzung von CO2 noch vor 2030 in Betrieb gehen.“
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Seine Branche gehört zu jenen Branchen, in denen prozessbedingte CO2-Emissionen entstehen, die sich nicht vermeiden lassen. Das Umweltbundesamt beziffert die nicht vermeidbaren CO2-Emissionen der Industrie sowie der Abfall- und Abwasserwirtschaft in Deutschland auf jährlich 43 Millionen Tonnen. Insgesamt wurden 2020 in Deutschland 739 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt.
Evaluationsbericht muss alle vier Jahre vorgelegt werden
Grundsätzlich ist die Bundesregierung bereit, den Einsatz der umstrittenen Technik des unterirdischen Verpressens von CO2 zu beschleunigen und auszubauen, um die Klimaziele zu erreichen: Schon ab 2030 müsse die CO2-Speicherung (Carbon Capture and Storage, kurz CCS) und auch die Nutzung von abgeschiedenem CO2 (Carbon Capture and Utilization, kurz CCU) „im Megatonnen-Maßstab“ vor allem für die Industrie genutzt werden. So heißt es im „Evaluierungsbericht zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz“ des Bundeswirtschaftsministeriums, der Anfang Dezember publik geworden ist. Er soll am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen werden.
CO2 soll in großem Maßstab abgetrennt und gespeichert werden.
(Foto: REUTERS)
Der Evaluationsbericht muss alle vier Jahre vorgelegt werden. Er bildet eine Grundlage für die „Carbon-Management-Strategie“, die die Bundesregierung im nächsten Jahr erarbeiten will. In den nächsten Wochen und Monaten wird es also darum gehen, den Rahmen für CCS und CCU zu definieren.
Für entscheidend halten die Verfasser des Positionspapiers den Aufbau einer CO2-Transport- und Speicherinfrastruktur in Deutschland und Europa. Schneider sagt, die Carbon-Management-Strategie müsse Leitplanken für die CO2-Infrastruktur setzen. „Die Unternehmen brauchen gerade jetzt eine klare Perspektive, dass ihre anstehenden Investitionen in die CO2-Abscheidung durch einen entsprechenden Rahmen für den Transport, die Nutzung und Speicherung des CO2 politisch flankiert werden.“
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Zu den Kernforderungen gehört, den CO2-Transport über Landesgrenzen hinweg zu ermöglichen. Das ist im Moment ausgeschlossen. Grund dafür ist das Londoner Protokoll, ein weltweites Übereinkommen für den Schutz der Meeresumwelt. Nach Artikel 6 ist es den Vertragsparteien nicht erlaubt, Abfälle oder andere Stoffe zur Deponierung oder Verbrennung auf See zu exportieren.
Vorzeichen für CCS-Kritik haben sich geändert
CCS- und CCU-Wertschöpfungsketten sind im Moment wirtschaftlich noch nicht darstellbar. Die Autoren des Positionspapiers fordern für die Betriebs- und Investitionskosten daher Differenzverträge.
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Sie werden zwischen der öffentlichen Hand und einzelnen Unternehmen geschlossen. Auf der Basis der Verträge werden Mehrkosten von Unternehmen ausgeglichen, die ihnen durch die Errichtung und den Betrieb von klimafreundlicheren Anlagen im Vergleich zu herkömmlichen Anlagen entstehen.
Bereits 2012 war in Deutschland das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) in Kraft getreten. Es engt die Technik aber auf Demonstrations- und Pilotprojekte ein und begrenzt das zulässige Speichervolumen erheblich. Außerdem haben die Bundesländer die Möglichkeit, für ihr Land die CO2-Speicherung auszuschließen.
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Unterm Strich verhindert das Gesetz die CCS-Technologie in Deutschland. Allerdings haben sich die Vorzeichen verändert. Die Kritiker der CCS-Technologie hatten vor einem Jahrzehnt noch argumentiert, CCS diene vornehmlich dem Zweck, Kohlekraftwerken eine Überlebensperspektive zu geben. Mit dem gesetzlich festgeschriebenen Kohleausstieg zieht dieses Argument aber nicht mehr.
CCS ist weltweit erprobt, Pionier für die Anwendung in großem Maßstab ist Norwegen. Aber auch in den Niederlanden, in Dänemark und Großbritannien gibt es größere Vorhaben.
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<< Den vollständigen Artikel: Klimaneutralität: Industrie und Klimaschützer werben gemeinsam für raschen Einstieg in die CO2-Speicherung >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.