Dec 26, 2022
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Zuwanderung: Warum die AfD innovationsschwachen Regionen schadet

Written by Dietmar Neuerer


Berlin Die AfD stellt nach Einschätzung von Wirtschaftsforschern in bestimmten Regionen in Deutschland ein Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung dar. Oliver Koppel, Innovationsexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW), begründet dies mit dem Zulauf für die Partei insbesondere in innovationsschwachen Regionen.

„Die Tatsache, dass die AfD Zuwanderung ablehnt, wirkt innovationsschädlich, denn gerade diese Regionen sind auf qualifizierte Zuwanderung angewiesen, um ihre Innovations- und Fachkräftebasis zu stärken“, sagte Koppel dem Handelsblatt. Ausländische Ingenieurinnen und Ingenieure überlegten sich aber sehr genau, in welchen Regionen Deutschlands sie sich niederlassen.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) teilt die Einschätzung des IW. „Sie gilt nicht nur für die Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten, sondern, mit der Ausnahme von Polen, leider auch für die Zuwanderung aus vielen, vor allem westlichen EU-Mitgliedstaaten“, sagte Alexander Kritikos, der am DIW die Forschungsgruppe Entrepreneurship leitet, dem Handelsblatt.

Ohne qualifizierte Zuwanderung dürfte sich jedoch die Fachkräftelücke noch vergrößern. Jüngste Zahlen zu Berufen, die einen Abschluss in Mathematik oder einer anderen Naturwissenschaft, Informatik oder Technik (MINT) erfordern, verheißen nichts Gutes.

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Die Fachkräftelücke in diesem Bereich lag nach dem jüngsten MINT-Herbstreport des IW im Oktober bei rund 326.000 Personen. Das ist der zweithöchste jemals gemessene Wert, nur 2018 waren es laut IW minimal mehr.

Meinungsforscher: Viele Wahlberechtigte im Westen können sich nicht vorstellen, die AfD zu wählen

Die Bundesregierung will das Problem mit einer Fachkräfteoffensive eindämmen. Gelingen soll dies mit einem neuen Fachkräfte-Einwanderungsgesetz. Um mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland ins Land zu locken, sollen die Regeln für Einreise und Anerkennung von Berufsabschlüssen vereinfacht werden.

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Die Hürden für Arbeitskräfte aus Drittstaaten zu senken ändert jedoch an der Problematik nichts, dass die AfD vielfach dort als Fortschrittsbremse und abschreckend auf ausländische Fachkräfte wirkt, wo sie besonders stark ist.

Grundsätzlich sei die Zustimmung zur AfD in ostdeutschen Regionen höher als in westdeutschen, erläutert DIW-Experte Kritikos. Aber auch manche westdeutsche Region sehe sich einer höheren Zustimmung zur AfD ausgesetzt.

Darauf weist der Chef des Meinungsforschungsinstituts Insa, Hermann Binkert, ebenfalls hin. „Auch bei der jüngsten Landtagswahl in Niedersachsen kam die AfD auf ein zweistelliges Ergebnis“, sagte er dem Handelsblatt. „Aber im Osten ist die AfD grundsätzlich stärker als im Westen.“ Dort erzielte die Partei mit Ausnahme Berlins durchweg zweistellige Wahlergebnisse.

Gestützt wird der Befund von der sogenannten negativen Sonntagsfrage von Insa. Dort wird – im Gegensatz zur klassischen Sonntagsfrage – ermittelt, welche Parteien sich die Wahlberechtigten am wenigsten vorstellen können zu unterstützen.

„Im Westen wird die AfD von viel mehr Wahlberechtigten als im Osten als alternative Wahloption abgelehnt“, sagt Binkert. Bis zu drei Viertel der Westdeutschen könnten sich grundsätzlich nicht vorstellen, die AfD zu wählen, erläuterte er. Dies gehe aber nur etwa jedem zweiten Ostdeutschen so. „Auch die Notwendigkeit des Zuzugs durch den Fachkräftemangel wird nicht von allen Befragten im gleichen Maße geteilt.“

Was die Zustimmung zur AfD begünstigt

Nach Einschätzung des DIW-Forschers Kritikos treiben drei regionale Merkmale die Zustimmung zur AfD grundsätzlich in die Höhe. Die Regionen seien entweder ökonomisch wenig attraktiv, etwa wenn dort die durchschnittlichen Einkommen relativ gering sind, wie zum Beispiel in Gelsenkirchen.

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Oder in den Regionen seien die Arbeitsplätze „strukturell verwundbar“. Das ist laut Kritikos dann der Fall, wenn eine hohe Automatisierung die Arbeitsplätze von Industriearbeitern gefährdet, etwa in der Automobil- oder der Chemieindustrie. Als Beispiele nannte der DIW-Experte Pforzheim, Heilbronn und Ludwigshafen.

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Als drittes Merkmal, das einen starken Zulauf zur AfD begünstigt, nennt Kritikos eine negative demografische Entwicklung. Dies bedeutet, dass mehr jüngere Menschen abwandern als zuwandern und die Bevölkerung der Region überaltert. Das gelte in Ostdeutschland besonders stark.

Ein Ausweg aus dem Dilemma ist nicht einfach. „Es gibt keine One-fits-all-Lösung“, sagt Kritikos. „Hinter jedem dieser strukturellen Faktoren verbergen sich maßgebliche, aber sehr unterschiedliche wirtschaftliche Probleme, die vor allem die Perspektiven dieser Regionen erheblich eintrüben.“

Erwartungen an die Politik

In Regionen mit starker Abwanderung von jungen Menschen verstärke die Politik häufig noch die negative Entwicklung durch den Abbau der Infrastruktur. „Entsprechend wird mit steigender Bereitschaft AfD gewählt, die häufig einfache Lösungen für die entstandenen Probleme liefert.“

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Der Abbau der Innovationsschwäche werde in solchen Regionen von vielen nicht als das dringendste Problem gesehen, solange nicht eine grundlegende Infrastruktur sichergestellt sei. „Der Zuzug von ausländischen Fachkräften wird dann auch eher als zusätzliche Jobkonkurrenz wahrgenommen, nicht als Hilfe, um den Fachkräftemangel abzubauen“, erklärt der DIW-Forscher.

Die Politik werde daher nicht umhinkommen, in den betroffenen Regionen die Infrastruktur wieder auszubauen und die digitale Infrastruktur neu aufzubauen und eine bessere Finanzierung der häufig verschuldeten Kommunen zu ermöglichen. „Erst dann kann man auch über Innovationsstrategien nachdenken.“

In Regionen mit anstehender Automatisierung, Digitalisierung und Robotisierung der Produktion wird Innovation nach Einschätzung Kritikos eher als Bedrohung wahrgenommen, da sie die bestehenden Arbeitsplätze gefährde. Die AfD schlage dann gern protektionistische Maßnahmen vor, „um die Standorte zu schützen“. Das werde jedoch wie so häufig nicht funktionieren, komme aber gut bei den betroffenen Arbeitern an.

Der Politik rät Kritikos, für betroffene Arbeiterinnen und Arbeiter die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten „systematisch“ zu stärken und ihnen gleichzeitig zu vermitteln, dass sie beim anstehenden Strukturwandel nicht alleingelassen werden.

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Politik

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