Dec 22, 2022
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Handel: Wenig Spielraum für die Politik: Die Bundesregierung steht vor einem China-Dilemma

Written by Dana Heide


Berlin Es war eine eindringliche Warnung, die Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg jüngst aussprach. „Der Freihandel darf nicht über die Freiheit triumphieren, und kommerzielle Erwägungen dürfen nicht über die Sicherheit unseres Landes gestellt werden“, sagte er Anfang Dezember in einem Zeitungsinterview in Norwegen.

Man müsse aus den Fehlern gegenüber Russland mit Blick auf China lernen, so Stoltenbergs Botschaft, Unternehmen dürften sich nicht zu abhängig von der Volksrepublik machen.

Nicht nur der Nato-Generalsekretär sorgt sich um eine zu große Dependenz europäischer Firmen von China. Die Bundesregierung drängt die deutschen Unternehmen seit Monaten, ihre teilweise sehr starke Fokussierung auf die Volksrepublik zu reduzieren.

Insbesondere bei Mittelständlern hat längst ein Umdenken stattgefunden. Doch vor allem die großen Konzerne wie das Chemieunternehmen BASF oder die deutschen Autobauer halten an dem Markt fest und investieren weiter.

Die Bundesregierung hat bereits Maßnahmen auf den Weg gebracht, die mehr Unternehmen dazu bewegen sollen, „nicht alle Eier in einen Korb zu legen“, wie Bundeskanzler Olaf Scholz betont. Doch sowohl bei Experten als auch in den Ministerien herrscht Skepsis darüber, wie effektiv die Maßnahmen wirklich sein werden.

„Wenn es darum geht, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu verringern, hat die Politik nur begrenzte Möglichkeiten, wenn sie nach gutem marktwirtschaftlichen Credo nicht tiefer in das Geschäftsgebaren der Unternehmen eingreifen will“, sagt Jürgen Matthes, Leiter der Abteilung Globale und regionale Märkte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW), im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Eine der Maßnahmen, die die Bundesregierung bereits beschlossen hat, sind Einschränkungen bei Investitionsgarantien. Mit diesen sichert der Staat Investitionen deutscher Unternehmen in risikoreichen Märkten ab – sowohl finanziell als auch politisch.

Seit November gelten verschärfte Bedingungen zur Gewährung dieser Garantien. So gibt es Obergrenzen für die Vergabe an Unternehmen je Land, um „Klumpenrisiken“ zu reduzieren.

>> Lesen Sie hier: Stresstests für Firmen, mehr EU-Abstimmung – das steht im Entwurf der neuen deutschen China-Strategie

Laut Angaben der Bundesregierung zeigen die Maßnahmen zwar Wirkung – so wurden seit November 14 Anträge mit einer Kapitaldeckung von insgesamt rund vier Milliarden Euro nicht bewilligt. Doch ob das Unternehmen wirklich davon abhält, in einem Land zu investieren, bezweifeln Experten.

„Eine restriktivere Vergabe von Investitionsgarantien wird vermutlich nicht entscheidend sein für Investitionsentscheidungen deutscher Firmen – zumindest dann nicht, wenn sie den chinesischen Markt weiter als sehr attraktiv und unverzichtbar einschätzen“, glaubt IW-Experte Matthes.

Ein zweites Instrument, von dem sich die Bundesregierung eine stärkere Diversifizierung erhofft, könnten verschärfte Publizitätspflichten für Unternehmen sein. Auf „Basis bestehender Publizitätspflichten“ sollen Unternehmen, die gegenüber China besonders exponiert sind, „zu einer Konkretisierung und Zusammenfassung relevanter chinabezogener Entwicklungen und Zahlen etwa in Form einer gesonderten Mitteilungspflicht verpflichtet werden“, heißt es in dem Entwurf für die Chinastrategie, der derzeit in den Ressorts abgestimmt wird.

Derzeit ist die China-Exponiertheit deutscher Unternehmen insbesondere für private Investoren schwer zu erkennen.

Zunahme geopolitischer Risiken – China-Stresstests für deutsche Unternehmen?

Besseren Zugang zu den relevanten Daten haben Ratingagenturen. Amerikanische Bonitätsprüfer würden eine Bewertung des geopolitischen Risikos bereits einbeziehen, sagte Franziska Brantner, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, jüngst bei einer Veranstaltung. „Und es könnte für europäische Unternehmen sehr teuer werden, sich zu refinanzieren, wenn sie sich nicht diversifizieren.“

Bislang wirken sich die Spannungen mit China auf die Bonitätsnoten der Unternehmen laut Angaben von Ratingagenturen wie Moody’s und Standard & Poor’s jedoch nur begrenzt aus. „Insgesamt haben sich die geopolitischen Risiken in diesem Jahr verstärkt“, fasst Tobias Mock, bei Standard & Poor’s für Unternehmensratings im deutschsprachigen Raum zuständig, zusammen. „Die deutschen Großkonzerne sind aktuell aber so gut diversifiziert, dass Länderrisiken trotz der gestiegenen geopolitischen Spannungen die Ratings bislang nicht signifikant beeinflussen“, sagt er.

David Staples, Spezialist für europäische Unternehmensfinanzierung bei der Ratingagentur Moody’s, erklärt: „Die zwei wichtigsten Aspekte sind: Wie abhängig ist das Unternehmen von einem Land mit Blick auf die Lieferketten? Und wie abhängig ist es mit Blick auf seinen Cashflow?“

Viele Unternehmen würden allerdings ihre Lieferketten diversifizieren – und die Auswirkungen auf den Cashflow seien oft weniger groß, als man annehme.

>> Lesen Sie hier: China ist wichtig für die deutsche Wirtschaft – die entscheidende Kennzahl bleibt unter Verschluss

Seine Kollegin Marina Albo, verantwortlich für europäische Unternehmensfinanzierungen, verweist auf den französischen Autobauer Renault, der nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine seine bedeutenden Aktivitäten in Russland einstellte, was zu einem massiven Umsatzeinbruch führte. „Die russischen Aktivitäten waren allerdings relativ separiert vom Rest des Geschäfts, sogar die Schulden waren lokal, sodass sich das Risikoprofil von Renault dadurch nicht wesentlich änderte“, so Albo.

Insbesondere Großkonzerne mit hohem Chinaanteil haben in den vergangenen Jahren ihr Chinageschäft immer weiter von anderen Teilen separiert.

Die Bundesregierung erwägt auch, „ob betroffene Unternehmen regelmäßige Stresstests durchführen sollen, um chinaspezifische Risiken frühzeitig ermitteln und Abhilfemaßnahmen ergreifen zu können“, wie es im Entwurf für die Chinastrategie heißt.

Gefahr einer Eskalation des Taiwankonflikts – Risiko für Aktionäre besteht

Eines der größten Risiken für die Chinageschäfte deutscher Firmen ist eine Eskalation des Konflikts um Taiwan. Die chinesische Staatsführung betrachtet Taiwan als Teil von Chinas Territorium, obwohl das Land nie zur 1949 gegründeten Volksrepublik gehört hat und über eine eigene, demokratisch gewählte Regierung und eigene Gesetze verfügt.

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat bereits mehrmals gesagt, dass er eine „Wiedervereinigung“ anstrebe, und in diesem Zusammenhang auch betont, dass er die Anwendung von Gewalt gegen den Inselstaat nicht ausschließe.

IW-Experte Matthes glaubt, dass Aktionäre und Kreditgeber dieses Risiko berücksichtigen müssten. Es könnte so zu einer deutlichen Korrektur bei den Aktienkursen an der Börse und bei den Finanzierungsbedingungen für das Chinageschäft kommen, glaubt er.

„Finanzmarktakteure haben damit potenziell die Kraft, die Firmen bei ihrem Chinageschäft vorsichtiger werden zu lassen“, so Matthes. Doch es sei fraglich, ob die Politik sich darauf verlassen könne. Denn wenn am Finanzmarkt wie so oft Kurzfristdenken dominiere, dürften die zeitnah winkenden Gewinnaussichten die Verlustrisiken überlagern. Dann würde letztlich trotz mehr Transparenz nicht viel passieren.

Mehr: Szenarien einer möglichen Eskalation – Die wichtigsten Fragen und Antworten im Taiwan-Konflikt



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