Jahreswechselzeit ist Lesezeit. Wir haben unsere Leserinnen und Leser nach ihren Lieblingsbüchern des Jahres 2022 gefragt. Ihre Favoriten: Ratgeber verschiedener Art – ob Karriere, Selbstoptimierung und -reflektion oder Finanzen. Dazu kommen aktuelle Themen unserer Zeit, ob Energiekrise oder Digitalisierung. Und Romane dürfen natürlich nicht fehlen. Eine Auswahl.
„Welche Versicherungen sind (grundsätzlich) sinnvoll?“ oder „Wie du einen Schaden richtig meldest?“ Das sind Fragen, die Bastian Kunkel in „Total ver(un)sichert“ beantwortet. Der Autor schafft es mit einem Ansatz aus lockerer Schreibe und verständlichen Erklärungen, die Barrieren beim leidigen Thema Versicherungen abzubauen.
Er setzt mit dem Buch den Weg fort, den er in den sozialen Medien bereits erfolgreich beschreitet. Von den üblichen Ratgebern unterscheidet er sich, indem er konsequent den Blickwinkel des Kunden einnimmt. Es ist die Mischung aus Einstiegsinformationen und Hintergrundwissen, die das Buch lesenswert macht.
Der britische Journalist Johann Hari beschreibt in „Stolen Focus“ den dramatischen Verlust an Aufmerksamkeit beim Großteil der Menschen – eines der einschneidendsten psychologischen Probleme unserer Zeit. „Das Buch regt zur Selbstreflexion an und sollte meines Erachtens von allen Generationen gelesen werden“, schreibt Handelsblatt-Leser Klaus-Martin Vierhaus.
Top-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Von denen, „die sich mit der neuen Geschwindigkeit schwertun und nicht mit Computern aufgewachsen sind, aber damit täglich arbeiten“, ebenso wie von den Jüngeren, die mit der Technik aufgewachsen sind, weil es hier den Hang zu Abhängigkeiten gebe.
Freiheit durch Geld – oder nicht?
Andreas Eschbach: Freiheitsgeld
Lübbe Verlag
Köln 2022
528 Seiten
25 Euro
Andreas Eschbach zählt zu den erfolgreichsten deutschen Autoren. Der Spezialist für Science Fiction hat schon Videoaufnahmen von Jesus erdacht oder ein Computersystem, das dem Nazi-Regime die Überwachung der Bürger ermöglichte.
In seinem neuen Roman, der in nicht allzu ferner Zukunft spielt, erledigen Maschinen die meiste Arbeit der Menschen. Diese wiederum verfügen über ein „Freiheitsgeld“ – ein Grundeinkommen, das ihnen eine finanzielle Absicherung bietet. Alles scheint fein, bis der Erfinder des Freiheitsgeldes ebenso stirbt wie sein Gegenspieler, ein Journalist. Wer steckt dahinter? Ist es etwa eine höhere Macht?
Keine Lust auf Weltuntergang
Vince Ebert: Lichtblick statt Blackout
dtv Verlagsgesellschaft
München 2022
224 Seiten
15 Euro
Energiekrise und Klimawandel – ein solch ernstes Thema, aufgeschrieben von einem Kabarettisten? Das funktioniert. Ebert ist studierter Physiker – und Wissenschaftskabarettist. In seinem Buch „Lichtblick statt Blackout“ verharmlost er nicht, will aber auf humoristische Art einen Kontrapunkt setzen zu einer weit verbreiteten Weltuntergangsrhetorik.
Damit trifft er den Nerv von Handelsblatt-Leser Wolfgang Grabitz: Ebert schreibe „in verständlicher Sprache, wie wir manipuliert werden in Sachen Klima, Elektromobilität und Umweltproblemen“. Ein Plädoyer für ein Nachdenken über den richtigen Weg bei diesem wichtigen Problem.
Parallelwelt Deluxe
Neal Stephenson: Snow Crash
Del Rey
New York 2022
576 Seiten
32,99 Euro
Das Metaverse ist eine digitale Welt, in der sich die Nutzerinnen und Nutzer mithilfe einer Virtual-Reality-Brille bewegen können. Als Avatare, virtuelle Alter Egos, können sie dort all das tun, was sie in der realen Welt auch tun: arbeiten, einkaufen, Dinge unternehmen.
Noch stehen diese virtuellen Welten am Anfang ihres Daseins, ihr Erfolg ist ungewiss – doch Konzerne wie Meta setzen große Hoffnungen darein. Die Überlegungen gibt es schon seit 30 Jahren. Bereits 1992 kreierte der Autor Neal Stephenson die Begriffe Metaverse und Avatar für seinen Science-Fiction-Roman „Snow Crash“ – Ende November in einer englischen Deluxe Edition erschienen.
Kleine Veränderung, großer Erfolg
James Clear: Die 1%-Methode – Das Erfolgsjournal
Goldmann Verlag
München 2022
240 Seiten
13 Euro
Übersetzung: Annika Tschöpe
Sein Ratgeber „Die 1%-Methode“ war vor zwei Jahren ein Bestseller. In diesem Jahr schob Autor James Clear das dazu passende Erfolgsjournal hinterher – eine Kombination aus Notizbuch, Tagebuch und Gewohnheitstracker.
Die 1%-Methode besagt, dass schon kleinste Veränderungen in den Gewohnheiten eine große Wirkung zeigen können. In Zeiten, in denen Selbstoptimierung fast schon zum guten Ton gehört, ein interessanter Ansatz.
Clear liefert eine detaillierte, psychologisch fundierte Anleitung. Das Erfolgsjournal soll helfen, sich selbst bei der Umsetzung zu kontrollieren – und so schneller zum Ziel führen.
Gegen jede Restriktion
Bonnie Garmus: Eine Frage der Chemie
Piper Verlag
München 2022
464 Seiten
22 Euro
Übersetzung: Ulrike Wasel, Klaus Timmermann
Die Wissenschaftlerin Elizabeth Zott kämpfte um Anerkennung als Chemikerin in der streng patriarchalischen Welt der frühen 1960er-Jahre. Soll ihr Schicksal wirklich in einer Kochshow enden? „Eine Frage der Chemie“, der Debütroman der US-Schriftstellerin Bonnie Garmus ist das meistverkaufte Buch 2022.
Handelsblatt-Leserin Gabriela Spier, selbst Chemikerin, urteilt: „Ein wunderbares Beispiel, wie gewaltig die weibliche Kraft auch unter unzähligen Restriktionen und allerlei Hindernissen sein kann.“ Sie empfiehlt das Buch vor allem männlichen Führungskräften, denn „obwohl bei dem Thema viel passiert ist, gibt es immer noch Benachteiligungen für Frauen in fast alle Branchen“.
Mehr als stabile Netze
Michael Resch: Digitalwüste Deutschland
Heyne Verlag
München 2022
144 Seiten
12 Euro
Spätestens in der Coronapandemie hat Deutschland erkannt: Digital hat das Land ganz schön etwas nachzuholen. Die Unternehmen mussten sich kurzfristig auf Homeoffice einstellen, die Schulen waren weit davon entfernt, für Homeschooling aufgestellt zu sein.
Michael Resch, Direktor am Höchstleistungszentrum Stuttgart, schlägt in „Digitalwüste Deutschland“ Alarm. Die Defizite hätten sich dermaßen aufgestaut, dass Deutschland in vielen Bereichen den Anschluss zu verlieren droht.
Reschs Appell: Es braucht nicht nur stabile Netze, rechtliche Sicherheit und digitale Bildung, sondern vor allem einen Abbau der deutschen Skepsis gegenüber der Digitalisierung
Wider die Abhängigkeit vom Auto
Katja Diehl: Autokorrektur
S. Fischer
Frankfurt 2022
272 Seiten
18,00 Euro
Mit ihrer Forderung provoziert Katja Diehl bewusst: „Jede:r sollte das Recht haben, ein Leben ohne ein eigenes Auto führen zu können.“ In „Autokorrektur“ hinterfragt die Verkehrsexpertin die Allmachtstellung des Autos in Deutschland.
Sie legt dar, wie das Auto zum Verkehrsmittel Nummer eins werden konnte, und zeigt die Zwänge auf, die Menschen immer wieder vom Auto abhängig machen. Die Autorin regt zur Selbstreflexion an, zum Hinterfragen von gelernten Bewegungsmustern und fordert jeden Einzelnen zum Handeln auf, damit die Verkehrswende gelingt. Mit ihrem Buch hat Diehl den Leserpreis des Deutschen Wirtschaftsbuchpreises gewonnen.
Die Kraft der richtigen Idee
Christoph Keese: Life Changer – Zukunft made in Germany
Penguin Verlag
München 2022
336 Seiten
24 Euro
Christoph Keese, langjähriger Journalist und jetzt „Spiegel“-Manager, ist eine Art „Homo Faber“. Technologie hat für ihn immer noch eine Antwort gefunden. Seit Keese für ein paar Monate im Silicon Valley hospitiert hat, verspürt er eine unstillbare Lust am Neuen – und versprüht diese in seinen Büchern.
In „Life Changer“ nimmt er uns mit auf eine Reise durch Deutschland und Europa, immer auf der Suche nach den Leuten, die mit ihren Jungfirmen die richtigen Gamechanger für ein besseres Leben darstellen. Für Keese zählt nicht der Zwang des Kapitals, sondern die Kraft der Idee. Seine Botschaft: „Wir schaffen das. Eine neue Epoche technischer Durchbrüche hat begonnen.“
Echokammern der Empörung
Richard David Precht, Harald Welzer: Die vierte Gewalt
S. Fischer
Frankfurt 2022
288 Seiten
22 Euro
Mit „Die vierte Gewalt“ haben der Philosoph Richard David Precht und der Zukunftsforscher Harald Welzer eine Kritik jenes Medienbetriebs verfasst, in dem sie sich selbst gern bewegen. Die Erfolgsautoren schreiben von einer „Selbstangleichung“ der Medien, die einem Hang zum Einseitigen, Simplifizierenden, Moralisierenden, Empörenden und Diffamierenden verfallen würden.
Lesen sie auch:
Das widerspricht dem Selbstverständnis des Handelsblatts – und ist mittlerweile auch durch eine Studie Mainzer und Münchener Wissenschaftler widerlegt. Literaturkritiker Denis Scheck urteilte dennoch: „Ein wichtiges Buch, das zum Nachdenken und Sich-infrage-Stellen provoziert.“
Der Weg zu Glück und Erfolg
Lars Amend, Rudolf Schenker: Rock Your Life
Kailash Verlag
München 2022
384 Seiten
18 Euro
„,Rock Your Life‘ hat die Macht, das Leben von vielen Menschen auf der ganzen Welt zum Positiven zu beeinflussen.“ So urteilt Bestsellerautor Paulo Coelho über das Buch von Scorpions-Gründer Rudolf Schenker.
Der Gitarrist der Band hat gemeinsam mit seinem Co-Autor Lars Amend vor zwölf Jahren ein damals vollkommen neues Genre erschaffen, die Ratgeber-Biografie. Nun ist sie in einer vollständig überarbeiteten Neuauflage erschienen – mit einem Vorwort des brasilianischen Starautors Coelho. Die Autoren beschreiben darin Schenkers Weg – und dass nicht nur der hart Arbeitende Erfolg haben kann, sondern auch der Träumer, der nicht aufgibt.
Ost-West-Irrtum mit Folgen
Maxim Leo: Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Kiepenheuer & Witsch
Köln 2022
304 Seiten
22 Euro
Michael Hartung, so heißt er, „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ in Maxim Leos gleichnamigem Roman. Hartung, erfolgloser Videothekenbesitzer, soll als Stellwerksmeister zu DDR-Zeiten eine Weiche so gestellt haben, dass es zu einer Massenflucht von Ost nach West kommen konnte. Versehentlich. Oder stimmt das gar nicht?
Die Entstehungsgeschichte dieses Irrtums hat Erfolgsautor Maxim Leo so lebhaft aufgeschrieben, dass es das Lieblingsbuch des Jahres von Handelsblatt-Leserin Ute Marquardt ist: „Eine rasante Story, witzig bis tragikomisch, in der Ossi- und Wessi-Klischees schön ausgewogen gleichermaßen auf die Schippe genommen werden.“
Das Ideal der individuellen Freiheit
Anna Schneider: Freiheit beginnt beim Ich
dtv Verlagsgesellschaft
München 2022
112 Seiten
12 Euro
Anna Schneider, Jahrgang 1990, gehört wohl zu den umtriebigsten deutschsprachigen Journalistinnen. Für die Zeitung „Die Welt“ arbeitet die Österreicherin als Chefreporterin Freiheit.
Da verwundert es nicht, dass sie nun auch ein Buch über Freiheit geschrieben hat: „Freiheit beginnt beim Ich“. Darin plädiert Schneider für eine stärkere Konzentration auf die individuelle Freiheit, die ihr vor allem durch die Corona-Lockdowns zu sehr gelitten hat.
Wer sich zur individuellen Freiheit als Ideal bekenne, stehe schnell im Verdacht des rücksichtslosen Egoismus, moniert Schneider. Die Juristin polarisiert gern – ob auf Twitter oder jetzt in der Langversion.
Mehr: Aufsteiger, Umsteiger, Vorbilder – das sind die Menschen des Jahres 2022
<< Den vollständigen Artikel: Leser-Empfehlungen : Bücher des Jahres: Das sind Ihre Favoriten >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.