Berlin Die Bundesländer sind vor dem Bundesverfassungsgericht mit dem Versuch gescheitert, über eine Neuordnung der Eingruppierungsregelungen für den öffentlichen Dienst Personalkosten zu senken. Die Karlsruher Richter nahmen eine im Februar 2021 eingelegte Verfassungsbeschwerde der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und des Landes Berlin nicht zur Entscheidung an, wie das Gericht am Mittwoch mitteilte.
Der Streit hat eine lange Vorgeschichte und stand in der zurückliegenden Ländertarifrunde im vergangenen Jahr zunächst einer Einigung im Wege. Die TdL will den sogenannten „Arbeitsvorgang“ neu zuschneiden, auf dessen Grundlage die tarifliche Eingruppierung und damit letztlich die Höhe des Entgelts bestimmt wird.
Im Kern geht es darum, ein Jobprofil in einzelne Tätigkeiten zu untergliedern. Die TdL steht auf dem Standpunkt, dass der Arbeitsvorgang in möglichst kleine Teile zerlegt werden soll und die Eingruppierung und damit die Bezahlung umso höher ausfällt, je mehr komplexe und anspruchsvolle Tätigkeiten enthalten sind.
In der letzten Tarifrunde hatte sie zunächst Gespräche über eine Neubewertung des Arbeitsvorgangs zur Bedingung für einen Abschluss gemacht, worauf sich Verdi und Beamtenbund aber nicht einlassen wollten. Sie warfen den Arbeitgebern vor, durch neue Eingruppierungsregeln großflächig die Entgelte drücken zu wollen.
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Die Gewerkschaften pochen darauf, dass ein höheres Entgelt auch schon dann gezahlt werden muss, wenn ein Jobprofil nur wenige anspruchsvolle Tätigkeiten umfasst. Denn der Arbeitsvorgang müsse als Ganzes betrachtet werden.
„Was früher mehrere Beschäftigte arbeitsteilig geleistet haben, liegt heute oft in einer Hand“, sagt die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle. Daraus ergebe sich mehr Komplexität, die auch angemessen vergütet werden müsse.
Gewerkschaften können sich auf Urteile des Bundesarbeitsgerichts stützen
Stützen können sich die Gewerkschaften auf zwei entsprechende Urteile des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2020. Die Erfurter Richter hatten zwei Berliner Justizbeschäftigten recht gegeben, die auf eine höhere Eingruppierung klagten. Daraufhin legten die TdL und das Land Berlin Verfassungsbeschwerde ein.
Sie argumentierten, das Bundesarbeitsgericht habe mit seinen Urteilen die Grenzen der Auslegung von tarifvertraglichen Regelungen überschritten und damit die vom Grundgesetz geschützte Tarifautonomie verletzt. Dem schlossen sich die Karlsruher Richter so aber nicht an.
Die TdL sei gar nicht klageberechtigt, weil sie nicht Partei des ursprünglichen Verfahrens war, entschied das Verfassungsgericht. Und das Land Berlin könne sich als juristische Person des öffentlichen Rechts gar nicht auf die Grundrechte berufen.
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Diese dienten vielmehr dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger. Es könne die Grundrechte in ihr Gegenteil verkehren, „wenn der Grundrechtsschutz zugunsten der öffentlichen Hand damit letztlich gegen die Bürgerinnen und Bürger gewendet wird“, begründet das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung.
Versuch der Arbeitgeber „krachend gescheitert“
Die Urteile des Bundesarbeitsgerichts behalten damit ihre Gültigkeit. „Die sich aus den Entscheidungen ergebenden Höhergruppierungen, die bisher nicht erfolgt sind, müssen nun umgesetzt werden“, sagte Beamtenbund-Tarifvorstand Volker Geyer. Seine Gewerkschaft werde in jedem Einzelfall auf notwendige Korrekturen drängen.
Verdi-Vizechefin Behle betonte, der Versuch der Arbeitgeber, Hand an das Eingruppierungssystem im öffentlichen Dienst zu legen, sei „krachend gescheitert“. Die TdL müsse nun ihre angesichts des Streits um den Arbeitsvorgang aufgebaute Blockadehaltung aufgeben und auf wichtigen tarifpolitischen Baustellen zurück an den Verhandlungstisch kommen.
Außerdem sei die Karlsruher Entscheidung ein positives Signal für den Schutz der Tarifautonomie, sagte Behle. Die öffentlichen Arbeitgeber hätten auf fragwürdige Weise versucht, dem Staat Grundrechte zuzusprechen, die ihm nach dem Grundgesetz nicht zustünden.
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