Berlin Ohne Forschung kann die deutsche Wirtschaft nicht erfolgreich sein. Das weiß auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Und doch machen seine Beamten es gerade Forschungsinstituten schwer, die vor allem dem Mittelstand dabei helfen, aus innovativen Ideen marktreife Produkte zu machen.
Es geht um die knapp 80 Institute der Zuse-Gemeinschaft, die etwa 7000 Mitarbeiter beschäftigen und rund 450 Millionen Euro Jahresumsatz erzielen. Das Themenspektrum reicht von der Biotechnologie über die Gesundheits- und Medizintechnik bis hin zur Forschung an Kunststoffen, Metallen oder Werkzeugtechnik.
Im Gegensatz zu den öffentlichen Großforschungsverbünden wie Helmholtz oder Fraunhofer erhalten die privaten, gemeinnützigen Zuse-Institute keine Grundfinanzierung des Bundes. Umso mehr sind sie auf staatliche Projektförderung angewiesen, um ihre Forschung betreiben zu können.
Von dieser drohen sie nun aber abgeschnitten zu werden. Denn Habecks Beamte legen seit einigen Monaten das sogenannte Besserstellungsverbot aus dem Haushaltsgesetz besonders streng aus. Es besagt, dass Einrichtungen, die sich überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanzieren, ihre Mitarbeiter nicht besser bezahlen dürfen als vergleichbare Beschäftigte des öffentlichen Dienstes.
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Lange bestand Einigkeit, dass dies nur für die Mitarbeiter gilt, die konkret in öffentlich geförderten Projekten arbeiten. Seit dem Sommer legt Habecks Ministerium das Verbot aber strenger aus. Es verlangt, dass sämtliche Beschäftigte der Forschungseinrichtungen nicht besser bezahlt werden dürfen als Staatsdiener, also beispielsweise auch die Geschäftsführer der Forschungseinrichtungen oder Spitzenforscher.
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Und das, obwohl diese – anders als Beschäftigte des öffentlichen Dienstes – teilweise mit ihrem Privatvermögen haften. Bis Ende März – einige schon bis Ende dieses Jahres – sollen die Zuse-Institute und andere Empfänger von Projektfördermitteln garantieren, dass sie das Verbot einhalten.
„Für viele unserer Institute ist die neue Auslegung des Besserstellungsverbots existenzbedrohend“, warnt der Präsident der Zuse-Gemeinschaft und Direktor des Kunststoff-Zentrums SKZ, Martin Bastian. Denn sie stehen gewissermaßen vor der Wahl, entweder von Fördermitteln des Bundes abgeschnitten zu werden oder die Vergütungen so anpassen zu müssen, dass sie unattraktiv für Spitzenkräfte werden.
Ständige Ausnahmeanträge seien kaum praktikabel
Beim Bundeswirtschaftsministerium heißt es dazu, das Besserstellungsverbot sei bei allen Projektförderungen des Bundes einzuhalten. Mit Ausnahmegenehmigungen des Bundesfinanzministeriums seien aber auch höhere Vergütungen als im öffentlichen Dienst möglich.
Den Weg über Ausnahmeanträge hält Bastian allerdings nicht für praktikabel, weil bei jeder Gehaltsanpassung, Neuanstellung oder Anpassung des Tätigkeitsbereichs eines Mitarbeiters wieder ein neuer Antrag gestellt werden müsste.
Das sieht die Wirtschaftsministerkonferenz der Länder, die Anfang Dezember auf Staatssekretärsebene tagte, ähnlich. Das Verfahren bringe großen Bürokratieaufwand und erhebliche Unsicherheit für die Zukunftsfähigkeit der betroffenen Einrichtungen mit sich, heißt es im Ergebnisprotokoll der Sitzung.
„Vielmehr ist ein langfristig tragfähiger Rechtsrahmen zu schaffen, der den Einrichtungen Wettbewerbsfähigkeit auf dem Fachkräftemarkt und Teilnahme an innovationsbezogenen Bundesprogrammen ermöglicht, ohne regelmäßig auf zu überprüfende Ausnahmegenehmigungen angewiesen zu sein.“
Eine Möglichkeit wäre, die betroffenen Institute in das Wissenschaftsfreiheitsgesetz aufzunehmen und sie so den außeruniversitären Großforschungseinrichtungen gleichzustellen. Sie könnten ihre Mittel dann flexibler einsetzen. Dafür gebe es aktuell aber keine politische Mehrheit, sagt Zuse-Präsident Bastian.
Chance für rechtliche Klärung über das Haushaltsgesetz wurde vertan
Die Alternative, eine rechtliche Klärung im inzwischen verabschiedeten Haushaltsgesetz zu verankern, so wie es die Landeswirtschaftsminister vorgeschlagen hatten, wurde vertan. Zwar fügten die Ampelfraktionen eine neue Ausnahmeregelung ein, die aber auch nur einem Teil der Institute nützt.
Neben den gemeinnützigen Forschungseinrichtungen sind beispielsweise auch die Transformationsnetzwerke von der strengen Auslegung des Besserstellungsverbots betroffen, die in Regionen mit starker Auto- und Zulieferindustrie den Strukturwandel gestalten sollen.
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Der Karlsruher Steueranwalt Klaus-Dieter Wülfrath, der ein betroffenes Institut vertritt und Beauftragter der Zuse-Gemeinschaft und verschiedener Landesforschungsgemeinschaften ist, hofft dennoch, dass die Politik das Thema im kommenden Jahr noch anpackt.
„Als rohstoffarmes Land kann Deutschland nur mit der Ausnutzung seiner geistigen Ressourcen punkten“, sagt Wülfrath. Diese werde aber erschwert, weil die strenge Auslegung des Besserstellungsverbots marktgerechte Vergütungen unmöglich mache. „Eine dahingehende inhaltliche Änderung der Vorschriften des Haushaltsgesetzes kann jederzeit auch im kommenden Jahr vorgenommen werden.“
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<< Den vollständigen Artikel: Projektförderung des Bundes: Habeck bringt Mittelstandsforschung in Not – Zuse-Institute warnen: „Existenz ist bedroht“ >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.