Dec 28, 2022
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Energiekosten: DIW-Chef kritisiert Unternehmen für Warnung vor Deindustrialisierung scharf: „Da wird ein Schreckgespenst aufgebaut“

Written by pinmin

Berlin Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, wirft der Industrie Panikmache wegen der gestiegenen Energiepreise vor. Die Warnung vor einer Deindustrialisierung sei ein Popanz, sagt Fratzscher der Zeitung „Augsburger Allgemeine“.

„Es ist letztlich ein Schreckgespenst, das aufgebaut wird, um der Politik Geld aus den Rippen zu leiern.“ Wenn etwa BASF nun chemische Grundstoffe in den USA statt in Deutschland produziere, sei das kein Problem für das Land. Er sei sehr optimistisch, dass die deutsche Industrie den Energiekosten-Schock gut wegstecken werden.

Fratzscher kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Strom- und die Gaspreisbremse, die im neuen Jahr greifen. „Ich halte die beiden Preisbremsen für kolossale Fehler.“

Den Unternehmen hätte der Staat aus seiner Sicht günstiger und zielgenauer helfen können, indem sie Energiezuschüsse analog zu den Corona-Hilfen über die Steuerberater beantragt hätten.

Er wirft einem Teil der Unternehmen außerdem vor, die hohe Inflation zu nutzen, um die Gewinne nach oben zu schrauben. „Viele Unternehmen springen auf den Zug auf und wollen sich die Taschen noch mal vollmachen.“ Dabei gehe es nicht um kleine und mittlere Unternehmen, sondern vor allem um große Konzerne mit starker Preissetzungsmacht. Nicht eine etwaige Lohn-Preis-Spirale sei für die anhaltend hohe Inflation verantwortlich, sondern die Preispolitik jener Unternehmen. Fratzscher spricht von einer „Gewinn-Preis-Spirale“.

Robert Habeck

Der Bundeswirtschaftsminister rechnet nicht damit, dass es im kommenden Winter einen Mangel an Gas geben wird.



(Foto: dpa)

Wirtschaftsminister Robert Habeck stellt die Bürger derweil auf hohe Gaspreise bis Ende 2023 ein. „Wann sinken die Preise? Ich hoffe, dass es gegen Ende 2023 schon besser ist, wenn auch nicht auf dem Niveau von 2021“, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Das Jahr über werden wir höhere Preise noch aushalten müssen.“

Danach werde die Infrastruktur voraussichtlich so weit ausgebaut sein, dass genügend Ersatz für das ausbleibende russische Gas nach Deutschland fließe und sich die Preise von selbst wieder regulierten.

Gaspreis sinkt, liegt aber weit über historischem Durchschnitt

Zuletzt war der Gaspreis an Europas Großhandelsmärkten zwar schon gesunken. Auf die Gasrechnung der Verbraucher hatte das aber noch keine unmittelbaren Auswirkungen, da sich viele Versorger mit langfristigen Verträgen eingedeckt haben. Dennoch sieht Habeck eine positive Entwicklung.

Auf dem Spotmarkt wird Gas angeboten, das man heute kauft und morgen bezieht. Bis Mitte 2021 lag der Spotmarkt-Preis in der Regel in der Preisspanne 10 bis 30 Euro. Im Vergleich dazu habe sich der Preis mehr als verdreifacht, räumte der Wirtschaftsminister ein. „Wenn man aber aus dem Sommer 2022 darauf schaut und die hohen Preise von zeitweise über 300 Euro im August in Erinnerung hat, sieht es anders aus.“

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Antwort auf die hohen Preise sei zum einen die Gaspreisbremse, die ein gewisses Kontingent an Gas für Verbraucher bis zum Frühjahr 2024 künstlich auf einen Preis von 12 Cent pro Kilowattstunde drückt. Vor allem aber müsse die Infrastruktur weiter ausgebaut werden, betonte Habeck. „Die Preise sind so hoch, weil die Hälfte des Gases, das Deutschland verbraucht, durch Putins Lieferstopp weggebrochen ist, und wir außer den Pipeplines keine Lieferinfrastruktur hatten.“

Schwimmende Terminals für Flüssiggas sollen Abhilfe schaffen. „Wenn wir es schaffen, das in dem jetzt vorgelegten Tempo weiter auszubauen, dann schließen wir Deutschland wieder an den Weltmarkt an“, beteuerte Habeck. „Und dann werden wir auch die Weltmarktpreise bekommen, die deutlich unter dem liegen, was wir jetzt haben.“

LNG-Schiffe vor Rügen

Inzwischen haben die ersten LNG-Schiffsladungen die deutsche Küste erreicht.



(Foto: dpa)

Mit Blick auf die Versorgungssicherheit sagte der Grünen-Politiker, er sei der froh, dass die Temperaturen nach eisigen Wochen vor Weihnachten wieder gestiegen seien. „Natürlich geht es mir wie wohl den meisten Menschen im Land: Ich finde Winter schön, wenn er kalt ist“, betonte er. „Aber ich will zugeben, dass ich in diesem Jahr durchaus froh bin, wenn es im Winter nicht so knackig kalt wird.“

Während der Kältewelle Mitte Dezember war der Füllstand der Gasspeicher teils um mehr als einen Prozentpunkt pro Tag gesunken. Zuletzt aber stieg er sogar wieder – wohl wegen der für Dezember milden Witterung. Am ersten Weihnachtstag waren die Speicher nach Daten des europäischen Gasspeicherverband GIE zu mehr als 88 Prozent gefüllt.

Habeck rechnet nicht mit Gasmangel im kommenden Winter

Habeck sieht die Versorgung für den aktuellen Winter daher gesichert. Wenn die Speicher Anfang Februar noch zu 40 Prozent gefüllt seien, dann sehe es auch für den Winter 2023/24 gut aus, sagte er. „Wenn die Bedingungen so bleiben, wie sie sind, werden wir keine Gasmangellage bekommen. Damit meine ich jetzt nicht die Wetterlage, sondern die Bereitschaft der Bürger und der Industrie einzusparen, den hohen Speicherstand und die Versorgung über das nichtrussische Ausland.“

Bundesregierung und Bundesnetzagentur appellieren immer wieder an Verbraucher und Wirtschaft, sparsam mit Gas umzugehen, damit der Brennstoff nicht rationiert werden muss. Habeck hat den Eindruck, dass die Bürger gut mitziehen. „Dass wir so dastehen, liegt daran, dass die Deutschen im Herbst Gas gespart haben“, betonte er.

„Die Menschen wissen, dass sie ihren Geldbeutel schonen, aber auch die Widerstandskraft des Landes damit hochhalten.“ Eine solche Solidarleistung sei nicht selbstverständlich. „Man verzichtet auf Komfort und auf Luxus in den Büros und auch zu Hause. Das ist in der Konsumgesellschaft, in der wir leben, was völlig Ungewöhnliches. Da kann ich nur Danke sagen“, betonte Habeck.

Mehr: Umweltökonom Ottmar Edenhofer im Interview – „Wir sollten einer Deindustrialisierung entschieden entgegentreten“



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