Berlin Vor wenigen Wochen gab Bundesverkehrsminister Volker Wissing beim traditionellen Schiffermahl an Europas größtem Binnenhafenstandort Duisburg ein Versprechen ab: 2023 wolle er sich um die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung kümmern. Das laufende Jahr habe ganz im Zeichen der Bahn gestanden, sagte der FDP-Politiker. Für ihn gelte: „Eine umwelt- und klimafreundliche Logistik ist ohne die Binnenschifffahrt nicht möglich.“
130 Unternehmer der Branche vernahmen die Worte mit gemischten Gefühlen. Während täglich Hunderte Züge in Deutschland angesichts eines maroden und überfüllten Schienennetzes nicht mehr ans Ziel kommen, gibt es zwar noch Platz auf den Wasserstraßen.
Doch sind Schleusen, Wehre und Brücken vielerorts in einem desolaten Zustand. Dabei führen die 7300 Flusskilometer im Land, ganz gleich ob Rhein, Main oder Donau, durch jede große Stadt, vorbei an vielen großen Industrieunternehmen.
Und nun hat der Bundestag auch noch den Etat für die Wasserwege deutlich gekürzt, anstatt ihn auf die von Experten als nötig benannten zwei Milliarden Euro zu erhöhen. Dabei ist seit Jahren etwa davon die Rede, die A1 der Schifffahrt – den Mittelrhein – endlich auszubauen, damit nicht wieder wie im Sommer die Schiffe wegen Niedrigwasser liegen bleiben.
Top-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Ganz offenkundig ist neben der bundeseigenen Deutschen Bahn AG auch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) mit ihren 12.000 Mitarbeitern schwerlich in der Lage, ihre Verkehrswege in Schuss zu halten. Ob eine neuerliche Verwaltungsreform helfen könnte?
Wasserstraßen GmbH oder Anstalt des öffentlichen Rechts
Hinter den Kulissen hat ein Bündnis neue Vorschläge erarbeitet: Angeführt vom Verein für europäische Binnenschifffahrt und Wasserstraßen will eine Allianz aus Verbänden, aktiven und ehemaligen WSV-Mitarbeitern und Verkehrspolitikern der Ampelkoalition die Verwaltung erneut umkrempeln – obwohl die Behörde in den vergangenen Jahren erst ihre Strukturen zusammengelegt hat und mit einem Zentralamt in Bonn versehen wurde.
Die Struktur sei zu hierarchisch, Eigeninitiative vor Ort werde erstickt, moniert die Allianz indes in einem elfseitigen Diskussionspapier mit dem Titel: „Aufbruch in eine moderne Verwaltung des 21. Jahrhunderts“. Es liegt dem Handelsblatt vor.
In dem Papier wird diskutiert, ob die Bundesbehörde als „Wasserstraßen GmbH“ leistungsfähiger wäre. Die bisherige Verwaltung habe binnen zehn Jahren 110 Brücken, 50 Schleusen und 30 Stauanlagen erneuern wollen. Seit 2016 stünden aber nur 30 Brücken, fünf Schleusen und ein Wehr auf der Habenseite.
>> Lesen Sie hier: Verkehrsminister Wissing geht das Geld aus
Eine GmbH würde privatrechtlich planen, bauen und die Wasserwege in Schuss halten. Wie bei den Bundesfernstraßen und den Schienenwegen würde eine andere Behörde hoheitliche Aufgaben wie Genehmigungsverfahren übernehmen. Der Bauindustrie würde das gefallen.
Die scheidende maritime Koordinatorin der Bundesregierung, Claudia Müller (Grüne), begrüßt die Pläne. „Eine Organisationsreform könnte dazu beitragen, die Effizienz zu steigern“, sagte sie dem Handelsblatt. Es gelte „angesichts der Fachkräfteknappheit, wenigstens die Strukturen möglichst effizient aufzustellen“. Und der SPD-Berichterstatter Mathias Stein sagte: „Die Geschwindigkeit bei den Sanierungen muss deutlich erhöht werden, ansonsten drohen weitere Einschränkungen.“
Autobahn GmbH lockt mit 3000 Euro Inflationsausgleichsprämie
Allerdings hat sich die Autobahn GmbH als mögliches Vorbild noch nicht empfohlen. Seit 2021 ist sie anstelle der Verwaltungen der Länder für die Bundesfernstraßen zuständig. Es hakt an vielen Stellen, allein in diesem Jahr konnte sie rund 400 Millionen Euro aus ihrem Etat nicht verbauen, wie Insider berichten. Etliche der rund 14.000 Stellen sind unbesetzt.
Um das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber zu empfehlen, hat die Geschäftsführung den Mitarbeitern die steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro noch schnell zum Jahresende in voller Höhe spendiert. Kosten: rund 40 Millionen Euro.
>> Lesen Sie hier: „Kein Licht am Ende des Tunnels“ – Frust bei Mitarbeitern der Autobahn GmbH
Entsprechend gibt es auch Stimmen, die eine neue Rechtsform ablehnen. „Eine Reform der Reform löst nicht das Problem: Es fehlen Personal und Geld“, sagte Jens Schwanen, Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt.
Es gebe eine gute Zentrale und viele motivierte Mitarbeiter in den Ämtern vor Ort. Der Bundestag aber kürze den Etat und der Bund das Personal. „Wir reden am Problem vorbei.“
Zurückhaltend reagiert auch der Bundesverband der Deutschen Industrie: „Man kann auch im Kleinen viel ändern“, hieß es dort. Und Henning Rehbaum, Verkehrspolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte: „Das Hauptproblem der WSV ist nicht die Rechtsform: Blitz-Genehmigungsverfahren wie beim LNG-Terminal und eine sympathische Imagekampagne für die Berufe im Wasserstraßenbau: Das würde helfen.“
Drei Vorstände statt eines Präsidenten
Auch Minister Wissing lehnt eine neue Rechtsform ab. Vielmehr haben seine Beamten die jüngste Reform evaluiert und wollen bald eine „Behördenstrategie“ vorstellen. Teil davon soll eine Art „Vorzeigeamt“ sein, das Amt am Mittelrhein. Es gehe darum, „erweiterte Formate zu pilotieren“, auch wenn jedes Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt an die Besoldungen und Tarife gebunden sei, erklärte das Ministerium auf Anfrage des FDP-Haushaltspolitikers Frank Schäffler.
„Ich bin sehr dafür, dass mit einem Vorzeigeamt exemplarisch neue Wege in der Planung, Durchführung und Personalgewinnung gegangen werden“, sagte Schäffler dem Handelsblatt. Das fehlende Geld allein sei nicht das Problem. „Die WSV muss schneller und unbürokratischer werden, um handlungsfähig zu bleiben.“
>> Lesen Sie hier: Einwände von Bürgern nur noch digital – So will Verkehrsminister Wissing Großprojekte vorantreiben
Die Allianz schlägt alternativ eine Anstalt des öffentlichen Rechts vor. Kurzfristig solle zumindest die Führungsstruktur schon angepasst werden: Nicht mehr ein Präsident solle die Organisation führen, sondern drei Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder.
„Ein Vorteil des mehrköpfigen Vorstands ist eine flachere Hierarchiestruktur gegenüber der derzeitigen Organisationsform, mit klaren Zuständigkeiten und kürzeren Dienstwegen für die Fachebenen“, wirbt die Allianz in ihrem Papier. Dazu sei auch der Verkehrsminister bereit, wie es in Kreisen der FDP hieß.
<< Den vollständigen Artikel: Binnenschifffahrt: Verkehrsminister Wissing will mehr Güter per Schiff transportieren – allerdings ohne eine große Reform >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.