Jan 4, 2023
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Bundesregierung: Lambrecht, Faeser, Schulze – Wie Olaf Scholz mit seinen Pannenministerinnen hadert

Written by Martin Greive

Berlin Schon als Olaf Scholz Anfang Dezember 2021 die SPD-Ministerinnen und -Minister für das Bundeskabinett vorstellte, war die Verwunderung unter den anwesenden Journalistinnen und Journalisten groß. Bis zu jenem 6. Dezember hatte es seine Partei geschafft, die Namen geheim zu halten. Nun, kurz vor Beginn der Vorstellung, klebten sie auf dem Boden des Podiums in der SPD-Zentrale.

Journalisten schritten die Positionen ab: Karl Lauterbach Gesundheitsminister? Nancy Faeser Innenministerin? Und Christine Lambrecht Verteidigungsministerin?

Knapp ein Jahr nach Regierungsübernahme scheinen sich die überraschenden Personalentscheidungen von Scholz zu rächen. Während das engste Umfeld des Kanzlers aus Politprofis besteht, setzte er bei der Besetzung der SPD-Minister auf „unkonventionelle Lösungen“, wie es ein Genosse ausdrückt. Nicht erst der neue Ärger um Lambrechts umstrittenes Silvestervideo habe gezeigt, dass Scholz bei der Wahl seiner Ministerinnen und Minister teils womöglich danebengegriffen hat.

Schon vor dem Patzer war die Unzufriedenheit in der SPD über die Verteidigungsministerin groß. Aber eben nicht nur über sie: Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze gilt in ihrem Amt als nahezu unsichtbar, ebenso wie Bauministerin Klara Geywitz, die bereits eingestanden hat, ihr Ministerium werde die ausgerufenen Neubauziele verfehlen. Gesundheitsminister Lauterbach gab in der Coronakrise den Obermahner, setzt aber nur wenig durch. Der Start von Innenministerin Faeser verlief ebenfalls holprig, sie hat sich laut Genossen jedoch zuletzt gefangen. Dennoch liefere bislang einzig Arbeitsminister Hubertus Heil eine solide Leistung ab.

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Scholz’ überraschende Personalauswahl hatte verschiedene Gründe. Seit Beginn seiner Karriere macht er wichtige Dinge zur Chefsache – also zu seiner. So gibt es aus Hamburger Zeiten die Anekdote, wie er nach seiner Wahl zum Bürgermeister allein auf der Regierungsbank sitzt und gedacht haben soll, eigentlich könne er den Job seiner Senatoren gleich mitmachen. 

Mögliche Nachfolge für Faeser: Lambrecht wollte Innenministerin werden

Im Bundestagswahlkampf hatte Scholz zudem versprochen, das Kabinett paritätisch mit Männern und Frauen zu besetzen. Weil die FDP sich nicht daran hielt, musste Scholz für die SPD-Ressorts überwiegend Frauen berufen, was die Auswahl teils einschränkte. Auch aus diesen Proporzgründen wurde die bisherige Justizministerin Lambrecht dann Verteidigungsministerin, obwohl sie eigentlich Innenministerin werden wollte.

Die Idee: Lambrecht sollte das Amt nur übergangsweise übernehmen, bis Innenministerin Faeser 2023 in die hessische Landespolitik wechselt, und Lambrecht dann ihr Lieblingsressort übernehmen könne. Doch durch den Ukrainekrieg ist Lambrecht nicht mehr nur Mitläuferin, sondern steht plötzlich im Rampenlicht. Pannen fallen so besonders auf. Und davon leistete sich Lambrecht einige.

Christine Lambrecht

Vom Bundeskanzler vor Kurzem noch als „erstklassige“ Verteidigungsministerin geadelt.


(Foto: IMAGO/Christian Spicker)

Anfangs feierte sie die Lieferung von 5000 Helmen an die Ukraine als große Geste, nahm ihren Sohn im Hubschrauber mit oder kannte die Dienstgrade der Soldaten nicht. Doch auch im Laufe des harten Regierungsgeschäfts wuchs die Kritik. Lambrecht mache zu wenig Druck, um die Prozesse in ihrem Ministerium zu beschleunigen, heißt es.

Im Dezember stellte die Ministerin dann die Zukunft des Schützenpanzers Puma infrage, nachdem bei einer Schießübung alle 18 eingesetzten Fahrzeuge ausgefallen waren. Inzwischen sind die Mängel weitgehend behoben, und es steht die Frage im Raum, ob Lambrecht vorschnell Industriebashing betrieben hat.

Die Verteidigungspolitik wird derweil aus dem Kanzleramt gemacht. Dort fand das Treffen über eine Beschleunigung der Munitionsbeschaffung statt, nicht in Lambrechts Ressort. Beim Thema Panzerlieferungen an die Ukraine fällt Lambrecht die undankbare Aufgabe zu, die roten Linien zu verteidigen, die Scholz zieht.

>> Lesen Sie hier: Darum hat die Verteidigungsministerin einen undankbaren Posten inne

Nach dem Silvestervideo, in dem Lambrecht über den Ukrainekrieg spricht – im Hintergrund Böller – und erzählt, wie viele eindrucksvolle Menschen sie dadurch kennen gelernt habe, war für viele das Maß voll. Dass die Opposition Lambrechts Rücktritt forderte, überraschte nicht. Dröhnender war das Schweigen aus der SPD. Kein Genosse sprang der Ministerin zur Seite. „Wie auch? Bei dem Video gibt es doch nichts zu verteidigen“, sagt ein SPD-Mann. Lambrecht ist längst zu einer Belastung für Scholz geworden.

Hält der Kanzler an ihr fest? Die Gelegenheit für einen Kabinettsumbau wäre zumindest da.

Am 3. Februar wird Innenministerin Faeser bekannt geben, ob sie als SPD-Spitzenkandidatin bei der hessischen Landtagswahl im Oktober antritt. Alles spricht dafür. Scholz könnte eine Kandidatur Faesers für eine Rochade nutzen. Doch immer wenn die Öffentlichkeit lautstark von Scholz etwas fordert, schaltet der Kanzler bewusst auf stur. Er könnte daher an Lambrecht nicht trotz, sondern wegen der Kritik festhalten.

Außerdem hat er Lambrecht gerade erst als „erstklassige Verteidigungsministerin“ gelobt. Wie sähe das aus, sie kurz danach vom Amt zu entbinden? Und kann Scholz Lambrecht überhaupt noch zur Innenministerin machen? Das ginge gefühlt mit einer Abwertung des Innenressorts einher.

Wehrbeauftragte Högl soll bereits Interesse geäußert haben

Auch die Nachfolge Lambrechts zu regeln wäre nicht so einfach. Lars Klingbeil wäre zwar ein geeigneter Kandidat, weil er aus der Verteidigungspolitik kommt. Er ist aber erst seit knapp einem Jahr SPD-Chef und wird in der Partei gebraucht. Verteidigungsstaatssekretärin Siemtje Möller hatte sich zwar schon vor der Wahl Hoffnungen auf das Ministeramt gemacht, gilt vielen in der SPD aber als zu unerfahren und belegte diesen Eindruck im Mai mit ungeschickten Äußerungen zu Waffenlieferungen an die Ukraine.

Die einfachste Lösung wäre, die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) übernähme. Sie soll bereits Interesse bekundet haben, sollte Lambrecht gehen, heißt es aus der SPD. 

Am Mittwoch erteilte Scholz’ Regierungssprecher solchen Spekulationen eine Absage. „Über Kabinettsumbildungen wird bei Ihnen diskutiert, aber nicht bei uns“, sagte er gegenüber Journalisten. Eine Abberufung Lambrechts wäre ein für Scholz untypisches Wagnis. Doch die Ministerin im Amt zu belassen gilt vielen in der SPD inzwischen auch als Risiko.

Mehr: Christine Lambrecht – Die Selbstverteidigungsministerin schaltet in den Angriffsmodus



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