Berlin Gegen die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante große Krankenhausreform regt sich Widerstand. Vor dem Bund-Länder-Treffen an diesem Donnerstag warnen Kritiker vor einem Kliniksterben und einer medizinischen Unterversorgung in ländlichen Regionen.
„Mit salbenden Worten angekündigt, verbirgt sich hinter der Reform die Agenda einer ungeordneten Strukturbereinigung der Krankenhauslandschaft, in der immer mehr Kliniken hinter die Grenzen ihrer Wirtschaftlichkeit gedrückt werden“, sagte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats der CDU, dem Handelsblatt. Die Fragen der chronischen Unterfinanzierung, der bereits bestehenden Investitionslücke und des drückenden Fachkräftemangels würden nicht gelöst.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) mahnte, man dürfe nicht riskieren, dass „durch zentralistische Planung von heute auf morgen bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen zerstört werden“. Die notwendige Versorgung auf dem Land müsse erhalten bleiben.
Bei ihrem Treffen in Berlin wollen die Gesundheitsminister über die Reformpläne beraten, die Lauterbach Anfang Dezember vorgestellt hatte. Kern ist die teilweise Abkehr von den sogenannten Fallpauschalen, nach denen die Krankenkassen aktuell Klinikbehandlungen vergüten. Sie haben laut Lauterbach mit dazu geführt, dass Behandlungen teils eher an ökonomischen als an medizinischen Kriterien ausgerichtet wurden, weil die Kliniken bestrebt sind, möglichst gewinnbringende Operationen vorzunehmen.
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Nach den Vorschlägen einer Regierungskommission sollen Kliniken stattdessen künftig nach drei neuen Kriterien honoriert werden: Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen und Leistungsgruppen. Auch in ländlichen Regionen soll mindestens die Grundversorgung sichergestellt sein – zum Beispiel für grundlegende chirurgische Eingriffe und Notfälle. Aufwendigere Behandlungen sollen dagegen darauf spezialisierten Krankenhäusern vorbehalten sein, die dann auch auf höhere Fallzahlen kommen.
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Rund 1200 Kliniken dürften künftig nur noch Notfallversorgung und einfache Behandlungen übernehmen und seien so kaum überlebensfähig, kritisierte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats. Zwar soll es sogenannte feste Vorhaltepauschalen geben, wenn Kliniken Personal, eine Notaufnahme oder notwendige Medizintechnik vorhalten.
Doch dies sei nicht mehr als ein Feigenblatt, da die Beträge nicht ausreichten, sagt Steiger: „Zahllose Kliniken landauf und landab werden so in die Knie gezwungen, ohne dass ein übergeordnetes Konzept zur Sicherung der Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mitgedacht wird.“
Die Krankenkassen sehen in den Vorschlägen der Expertenkommission zwar vielversprechende Ansätze: „Der Umbau der Krankenhauslandschaft kann jedoch nur gelingen, wenn die Reform als Gesamtpaket angegangen wird und die Länder durch eine qualitätsorientierte Krankenhausplanung und eine angemessene Finanzierung der Investitionskosten mitziehen“, sagte die Vorstandsvorsitzende des Verbands der Ersatzkassen (VDEK), Ulrike Elsner.
Investitionsbedarf von mehr als sechs Milliarden Euro
Die Spitzenverbände der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung sowie die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) beziffern den Investitionsbedarf der deutschen Krankenhäuser auf mehr als sechs Milliarden Euro. Die Bundesländer deckten aber seit Jahren nur etwa die Hälfte des Bedarfs ab, obwohl sie gesetzlich zur Finanzierung der Investitionskosten verpflichtet seien.
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Man müsse auch darüber nachdenken, ob die Vorhaltekosten für die Bereitstellung der Grundversorgung nicht als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge betrachtet werden müssten, sagte der Geschäftsführer des Verbands der Innungskrankenkassen (IKK), Jürgen Hohnl. „Diese wären dann über Steuern zu finanzieren“ – und nicht über Krankenkassenbeiträge.
DKG-Chef Gerald Gaß fürchtet, dass die Reformpläne ohne zusätzliche Finanzmittel ins Leere laufen werden. „Die Reform soll nach Vorstellung der Kommission die aktuellen Mittel nur umverteilen“, sagte Gaß dem Nachrichtenportal T-Online. Dabei sei der ökonomische Druck gewaltig. 60 Prozent der Krankenhäuser erwarteten für das abgelaufene Jahr „zum Teil tiefrote Zahlen“. Auch 2023 würden die Kosten der Häuser „doppelt so schnell steigen“ wie die staatlich festgelegten Preise, sagte Gaß. Er warnte, dass das Klinik-Sterben „in diesem Jahr voraussichtlich einen neuen Höhepunkt erreichen“ werde.
Bayerns Gesundheitsminister Holetschek forderte den Bund auf, die Kliniken bei den Betriebskosten mit jährlich 15 Milliarden Euro zu unterstützen. Eine zukunftsfähige Krankenhausversorgung werde nicht durch reine Umverteilung gelingen: „Der Krankenhausbereich muss mit zusätzlichem Geld ausgestattet werden.“
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