Berlin Hamburg ist das Bundesland mit der größten Dichte an IT-Spezialisten. Auf Kreisebene ergibt sich ein anderes Bild. Dort liegt der Rhein-Neckar-Kreis in Baden-Württemberg bei der IT-Beschäftigung deutlich vor der Hansestadt, wie eine Auswertung der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) durch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt.
Für die Studie, die dem Handelsblatt vorliegt, hat das IW untersucht, wie sich die IT-Beschäftigung in Deutschland in einem Zeitraum von zehn Jahren zwischen dem vierten Quartal 2012 und dem ersten Quartal 2022 entwickelt hat. Bundesweit gibt es 974.865 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Informatik- und anderen Berufen der Informations- und Kommunikationstechnik (ITK) (Stand 31.03.2022), das sind etwa 367.000 mehr als im Frühjahr 2012 (ein Plus von 60 Prozent).
Zwar konnten überall Zuwächse erzielt werden. Der Mangel an IT-Fachkräften bleibt dennoch weiter akut. Insbesondere die Digitalisierung und die Dekarbonisierung führen laut IW zu einer steigenden Nachfrage nach IT-Kräften. Die Beschäftigung in diesem Bereich habe denn auch in den vergangenen Jahren „deutlich zugenommen“. Der Bedarf an Spezialisten kann dadurch jedoch keineswegs gedeckt werden.
Die Studienautorin Christina Anger begründet dies unter anderem mit einer wachsenden Nachfrage nach den richtigen Experten für die Arbeit mit Daten. „Immer mehr Unternehmen versuchen, datengetriebene Geschäftsmodelle umzusetzen, die zunehmend zu einem wettbewerbsentscheidenden Faktor werden“, erklärt die Ökonomin. Entsprechende Fachkräfte fehlten allerdings.
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Die Problematik zeigte zuletzt auch eine Untersuchung des Digitalverbands Bitkom. Danach stieg die Zahl der offenen Stellen für Informatiker oder andere ITK- Berufe im Jahr 2021 um knapp 43 Prozent auf 137.000. Damit sei die Lage am IT-Arbeitsmarkt noch angespannter als im Coronajahr 2019. Damals konnten 124.000 offene Stellen für IT-Expertinnen und -Experten nicht besetzt werden.
SAP zieht Fachkräfte an
Die Lage auf dem IT-Arbeitsmarkt entwickelt sich regional teilweise sehr unterschiedlich. Laut der IW-Studie sticht Hamburg im Bundesländervergleich hervor. Dort fiel der Anteil der IT-Beschäftigten an allen in dem Stadtstaat sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zum 31. März 2022 mit 4,6 Prozent am höchsten aus. Das ist ein Anstieg von 1,1 Prozentpunkten gegenüber dem vierten Quartal 2012.
Dahinter rangieren Berlin (4,1 Prozent, plus 1,7 Punkte), Hessen (3,5 Prozent, plus 0,7), Baden-Württemberg (3,5 Prozent, plus 0,9) und Bayern (3,4 Prozent, plus 1,0). Auch Bremen (3,2 Prozent, plus 0,9) erreicht den Bundesdurchschnitt (2,8 Prozent, plus 0,7).
Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern fällt der Anteil der IT- Beschäftigten eher gering aus (zwischen zwei und 1,1 Prozent). Im Ranking liegen denn auch abgeschlagen auf dem letzten Platz Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt (jeweils 1,1 Prozent, plus 0,3 Punkte).
In absoluten Zahlen zeigt sich naturgemäß ein anderes Bild. Hier führt Bayern mit 197.775 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im IT-Bereich die Liste an, es folgen Nordrhein-Westfalen (196.666) und Baden-Württemberg (170.778). In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sind es dagegen nur 6179 und 8605 sozialversicherungspflichtige IT-Beschäftigte.
Die meisten IT-Jobs gibt es laut IW vor allem in Großstädten. So gilt Hamburg wegen der dort ansässigen IT-Dienstleister sowie Medien- und Gaming-Unternehmen als Hochburg der IT-Branche. Und auch die Berliner Gründerszene mit Unternehmen in den Bereichen Fintech (Finanztechnologie), Adtech (Marketing-Software), E-Commerce oder Digital Health zieht viele Experten an.
Bei der Auswertung des IT-Beschäftigungsaufkommens in allen Kreisen, Landkreisen, kreisfreien Städten beziehungsweise Stadtkreisen sticht insbesondere der Rhein-Neckar-Kreis in Baden-Württemberg hervor.
Die Region liegt beim Anteil der IT-Beschäftigten an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit 12,3 Prozent an erster Stelle. Das dürfte wesentlich mit der Ansiedlung bestimmter Unternehmen und dem damit verbundenen Fachkräftebedarf zu tun haben. „Im Rhein-Neckar-Kreis wird beispielsweise SAP eine große Rolle spielen“, erklärt IW-Ökonomin Anger.
Ostdeutschland hinkt auch auf Kreisebene hinterher
Auf Platz zwei rangiert die Stadt Erlangen (8,9 Prozent). Dahinter folgen der Main-Taunus-Kreis (8,2 Prozent), der Kreis München (8,1 Prozent) und die Stadt Karlsruhe (7,9 Prozent).
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Die bayerische Landeshauptstadt ist als Technologiestandort begehrtes Ziel von IT-Experten aus den Bereichen Elektronik, Elektrotechnik, Maschinen und Kraftfahrzeugbau, Luft- und Raumfahrt sowie Information und Kommunikation. Auch Karlsruhe und Stuttgart, das auf Platz zehn gelistet ist, sind mit den Branchen Automobil- und Maschinenbau sowie Informatik Standorte, die IT-Fachkräfte anziehen.
Ebenso im Kreis-Ranking hängt Ostdeutschland hinterher. Am besten schneiden die Universitätsstädte ab, darunter etwa Jena (Thüringen) auf Rang 17, wo der Anteil der IT-Beschäftigten an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im ersten Quartal 2022 bei 5,3 Prozent lag. Dahinter folgen auf Platz 34 Dresden (Sachsen; 4,3 Prozent), auf Platz 65 Leipzig (Sachsen; 3,2 Prozent), auf Platz 68 Erfurt (Thüringen, 3,1 Prozent) und auf Platz 74 Potsdam (Brandenburg; 2,9 Prozent).
Aus dem Befund leitet das IW verschiedene Maßnahmen ab, um den Beschäftigungsumfang in den IT-Berufen weiter zu steigern. Vor allem die digitale Ausbildung der Schülerinnen und Schüler sollte aus Sicht der Ökonomin Anger verbessert werden.
Notwendig seien hierfür eine bessere digitale Ausstattung an den Schulen, gleichzeitig aber auch kompetente Lehrerinnen und Lehrer, die digitalen Formaten im Unterricht ein höheres Gewicht einräumten.
Ökonomin plädiert für Informatik als Schulfach
Zudem rät Anger, das IT-Thema mit einem eigenen Schulfach „Informatik“ aufzuwerten „Um die IT-Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu verbessern, sollte bundesweit in möglichst vielen Jahrgangsstufen das Schulfach Informatik unterrichtet werden, auch wenn die Vermittlung digitaler Kompetenzen eine Querschnittsaufgabe ist“, betont die Ökonomin in ihrer Studie.
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Die Forderungen sind indes nicht neu. Bildungsforscher sind schon lange der Ansicht, dass Informatik im ganzen Land verpflichtender Bestandteil des Unterrichts sein sollte. Es hakt jedoch an der Umsetzung.
Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) wies zuletzt darauf hin, dass es für ein Pflichtfach Informatik nicht allein die entsprechenden Lehrkräfte brauche. Wenn ein Schulfach neu eingeführt wird, müssten überdies andere Schulfächer in der Regel ein paar Stunden abgeben.
Mit dem Digitalpakt Schule will der Bund die Ausstattung mit Computertechnik zwischen 2019 und 2024 mit 6,5 Milliarden Euro fördern.
Auch die technische Ausrüstung der Schulen wird schon länger bemängelt. Mit dem Digitalpakt Schule will der Bund die Ausstattung mit Computertechnik zwischen 2019 und 2024 mit 6,5 Milliarden Euro fördern.
Doch offenbar stockt die Hilfe. Eine Umfrage unter Schulleitern an Gymnasien, deren Ergebnisse jüngst veröffentlicht wurden, ergab jedenfalls, dass knapp jedes zehnte Gymnasium noch keine Mittel aus dem Digitalpakt erhalten hat.
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