Jan 15, 2023
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Konjunktur: Massive Inflation, starke Lira – Türkische Exporteure geraten in Not

Written by Ozan Demircan


Istanbul Manager der türkischen Textilbranche haben sich in dieser Woche mit einem verzweifelten Appell an die Regierung gewandt: Die heimische Währung sei zu stark und müsse an Wert verlieren. Sonst drohten den betroffenen Branchen massive Schäden bis hin zu Firmenpleiten.

Obwohl die Inflation im Land zuletzt Rekordhöhen von 85 Prozent erreicht hat, ist die Währung über Monate stabil geblieben. Für einen US-Dollar zahlt man seit Monaten circa 19 Lira, für einen Euro rund 20 Lira. Für Firmen und Exporteure wird das zum Problem: Ihre Produkte werden im Ausland immer teurer – und somit zu Ladenhütern.

Der Vorstoß der Textil-Unternehmer mag verwundern. Denn mit den Gesetzen der freien Marktwirtschaft hat es wenig zu tun, wenn der Wechselkurs der Landeswährung an die Bedürfnisse einer Branche angepasst wird. Neu ist das Ansinnen aber nicht.

Führungskräfte der Textilbranche hatten sich laut Ramazan Kaya, Leiter des türkischen Verbands der Bekleidungshersteller, bereits im Dezember mit Finanzminister Nureddin Nebati getroffen und um eine schwächere Lira für die Umrechnung ihrer Auslandserlöse gebeten. Doch die Regierung unter Recep Tayyip Erdogan hat derzeit andere Sorgen: den Sieg bei den Wahlen. Und da kommt die starke Lira gerade recht, weil er die Konsumenten stärkt.

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Leidtagende sind die exportorientierte Unternehmen, vor allem der für die türkische Wirtschaft entscheidende Textilsektor ist stark betroffen. Bekleidungshersteller sind Teil des produzierenden Gewerbes, das mehr als 94 Prozent der türkischen Gesamtexporte ausmacht. Die meisten Ausfuhren gehen nach Deutschland, Spanien oder ins Vereinigte Königreich.

Textilausfuhren aus der Türkei stagnieren

Zu den erfolgreichsten Firmen des Sektors in der Türkei gehören Gülsan Sentetik Dokuma Sanayi, Kipas Mensucat Isletmeleri und Sanko Tekstil Isletmeleri.

Wechselstube in Istanbul

Die türkische Währung ist in den vergangenen Monaten erstaunlich stabil geblieben.



(Foto: Reuters)

Diese Unternehmen erzielen Milliardenumsätze. Nach Angaben der Datenbank Statista exportierten türkische Textilfirmen im vergangenen Jahr Bekleidung im Wert von 15,35 Milliarden US-Dollar. Hinzu kommen Exporte genereller Textilien im Wert von 11,7 Milliarden US-Dollar.

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Dementsprechend machen sich Änderungen beim Wechselkurs in der Bilanz türkischer Firmen bemerkbar. Im Jahr 2020 hatte der Sektor einen Weltmarktanteil von 4,3 Prozent. Doch die türkischen Ausfuhren stagnieren seit Monaten und bedrohen die Wirtschaft des Landes.

Eine schwächere Währung könnte Abhilfe schaffen. Ein Beispiel: Eine türkische Textilfirma verkauft eine Jeans für 200 Lira nach Deutschland. Hier würde der Importeur der Ware, zum Beispiel ein Bekleidungsgeschäft, nach derzeitigem Wechselkurs rund zehn Euro bezahlen müssen.

Doch Europa nähere sich einer wirtschaftlichen Rezession, warnt Branchenvertreter Kaya. Folglich hätten Importeure und Konsumenten weniger Geld zur Verfügung. Ihm zufolge fordert die Branche daher, dass sie ihre Exporterlöse vorübergehend mit einem fiktiven Wechselkurs umrechnen darf: 23 zum Dollar und 24 zum Euro.

Im Beispiel würde das bedeuten: Die türkische Firma würde dieselbe Jeans für denselben Preis, nämlich 200 Lira, verkaufen. Doch der Importeur in Deutschland zahlt dann umgerechnet nicht mehr zehn Euro, sondern nur noch rund 8,30 Euro.

Die importierende Firma wäre so eher geneigt, das Produkt der türkischen Firma zu kaufen. Für den türkischen Exporteur bleibt der Umsatz in Lira hingegen identisch.

Präsident Erdogan: Die starke Währung hilft ihm vor den Wahlen

Was die Industrievertreter fordern, ist in der Türkei und anderen Ländern nicht unüblich. Türkische Pharmafirmen beispielsweise durften lange mit einem viel stärkeren Wechselkurs kalkulieren. Die Branche musste lange viele Medikamente und Inhaltsstoffe in die Türkei importieren. Mit einem speziellen Wechselkurs sollten die Importkosten niedrig gehalten werden.

Türkische Lira

Türkische Lira liegen auf einem Tisch.


(Foto: dpa)

Ob die Textilfirmen im Land mit ihrem Ansinnen beim Finanzminister erfolgreich sein werden, ist fraglich. Denn die stabile Lira nützt gerade türkischen Konsumentinnen und Konsumenten. Ihr Einkommen in Lira ist mehr wert, wenn die Lira ihren Wert behält.

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Bald wird in der Türkei gewählt, vermutlich im Mai. Es würde der regierenden AKP sowie Staatspräsident Erdogan nicht helfen, kurz vor dem Urnengang den Wert der Lira zu verwässern. Doch die Textilmanager haben offenbar auch daran gedacht: Vorsorglich haben sie Finanzminister Nebati gewarnt, dass sie bereits 30.000 Menschen aufgrund ihrer prekären Lagen entlassen mussten und dass „ohne eine Hilfe der Regierung“ bis zu 100.000 weitere Jobs auf dem Spiel stünden. Und eine große Arbeitslosenwelle kann sich keine Regierung vor den Wahlen erlauben.

Mehr: Die Türkei erlebt ein Börsenwunder.



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Politik

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