Berlin SPD, Grüne und FDP haben sich auch nach einem weiteren Krisengespräch nicht darauf verständigen können, wie sie Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen wollen. Wie das Handelsblatt aus Koalitionskreisen erfuhr, verlief ein neuerliches Treffen vergangenen Montagabend im Bundeskanzleramt mit Kanzler Olaf Scholz (SPD), Umweltministerin Steffi Lemke und (Grüne) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ergebnislos. Damit wird der Gesetzentwurf aus dem Verkehrsministerium den Angaben zufolge nicht wie geplant in der kommenden Woche vom Bundeskabinett beschlossen.
Zuletzt war ein Geheimtreffen Mitte Dezember gescheitert. Dieses Mal hatte Klimaminister Robert Habeck (Grüne) vor dem Treffen bereits mit deutlicher Wortwahl via Fernseh-Interview den Hauptstreitpunkt benannt: „Es geht darum, mit welcher Brachialität setzen wir Autobahnneubau durch, ohne auf der anderen Seite ein schlüssiges Verkehrskonzept vorzulegen.“
Grüne greifen Minister Wissing frontal an
Am Donnerstag verschärfte der Fraktionsvorstand der Grünen die Kritik an Verkehrsminister Wissing mit einem Beschluss. Das Papier trägt den Titel: „Starter-Paket für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor“.
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Darin fordern die Grünen, dass Planer und Ingenieure „richtig angesetzt“ werden müssten. „Statt sie weiter intensiv mit der Planung neuer Bundesfernstraßen zu befassen, ist es an der Zeit, dass der Bund Schienenwege und Bahnhöfe als zentrale Knoten des Mobilitätssystems in den Mittelpunkt seiner Infrastrukturpolitik rückt“, heißt es in dem Papier. Allenfalls marode Autobahnbrücken wollen die Grünen sanieren.
Damit stellen sie den aktuellen Bundesverkehrswegeplan infrage. Darin befinden sich alle Verkehrsprojekte, die der Bund bis 2030 fertigstellen will. Die Verkehrsprojekte für die Fernstraßen sind in einem separaten Ausbaugesetz geregelt, das der Bundestag 2016 beschlossen hat. Es umfasst allein 1360 Projekte.
Inzwischen wird die FDP unruhig. „Die Modernisierung unseres Landes muss jetzt Fahrt aufnehmen“, forderte der Fraktionsvorsitzende Christian Dürr. Dafür sei „dringend erforderlich, dass wir unser Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen und die Planungs- und Genehmigungsdauer aller Vorhaben mindestens halbieren“, sagte er dem Handelsblatt. „Darauf dringen wir als FDP seit Monaten.“
FDP hofft auf Schützenhilfe der SPD – gegen die Grünen
Wie es in Koalitionskreisen hieß, soll nun der Koalitionsausschuss in seiner nächsten Sitzung eine Lösung suchen. Die FDP setzt auf die Runde, nehmen doch auch die Vorsitzenden teil. Anfang der Woche erst hatte der Bundesvorstand der SPD bei einer Klausurtagung „ein Comeback der Infrastrukturpolitik für das 21. Jahrhundert“ angekündigt und sich die Position der FDP zu eigen gemacht, alle Infrastrukturprojekte, also Straßen und Schienenwege schneller bauen zu wollen, wie die Vorsitzende Saskia Esken mit den Worten: „Wir brauchen beides“, erklärt hatte.
„Ich bin froh, dass die SPD-Vorsitzende Saskia Esken klargestellt hat, dass auch die Sozialdemokraten beim Infrastrukturausbau insgesamt den Turbo zünden wollen – das betrifft Schienen und Straßen genauso wie die Energieinfrastruktur“, sagte Dürr. „Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn, wenn die Grünen bei der Planungsbeschleunigung bremsen und gleichzeitig mehr Tempo fordern.“
Auch die SPD-Bundestagsfraktion hat sich inzwischen positioniert und über ein „Beschleunigungspapier“ auf einer Klausurtagung in Bremen beraten. „Wir müssen schneller werden“, sagte der Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich. Allerdings ist die SPD auch bei neuen Straßenprojekten zurückhaltend.
Der für Verkehr zuständige Fraktionsvize Detlef Müller sagte dem Handelsblatt zwar: „Zur Vermeidung zusätzlicher Bürokratie darf kein Verkehrsträger ausgeschlossen werden.“ Zugleich schränkte er ein: „Weitere Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung, etwa der Verzicht auf erneute Umweltverträglichkeitsprüfung, sollten im Fernstraßenbau vornehmlich die Sanierung maroder Brücken betreffen.“
Umstrittener Bund-Länder-Pakt
Bei dem von Kanzler Scholz vorangetriebenen Bund-Länder-Pakt, mit dem Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden sollen, scheint es noch nicht voranzugehen. Wie es in Koalitionskreisen hieß, wollen die SPD-regierten Bundesländer am Montag noch einmal beraten.
Mit dem „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ will der Bund erreichen, dass Länder und Kommunen etwa ihre Prozesse digitalisieren und mehr Personal einstellen. Auch sollen Verfahren bundesweit vereinheitlicht werden. Der Bund bietet an, sich finanziell zu beteiligen und einen Personalpool aufzubauen. Daraus sollen sich die Länder bedienen können, um Infrastrukturprojekte schneller zu bearbeiten.
Dass es hakt, bestätigte SPD-Fraktionschef Mützenich indirekt vor der Klausur. „Wir gehen insbesondere davon aus, dass wir auch die Länder und die Kommunen unterstützen müssen, weil wir sehen ja auch, dass dort nicht alle Stellen besetzt sind.“
Auch finanziell und bei der Digitalisierung könnte der Bund helfen. Hürden im föderalen System sollten überwunden werden. „Das würden wir gern in einem kooperativen Miteinander zwischen Bund und Land erreichen. Wenn es nicht klappt, werden wir auch als Gesetzgeber vorangehen.“
Mehr: Die Bundesregierung beschreitet Irrwege bei ihrer Verkehrswende
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