Berlin Gegen den Aufkauf von Praxen durch Investoren regt sich immer mehr Widerstand. „Wir beobachten eine Entwicklung, die zu einer stärkeren Kommerzialisierung der Versorgung von Patienten führt”, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, am Donnerstag. Investitionen in den medizinischen Sektor seien legitim. Aber sie dürften nicht dazu führen, „dass die Rendite im Vordergrund steht statt der Patientenversorgung“.
Im vergangenen Jahr hatten sich Meldungen zu Übernahmen von Praxen durch Finanzinvestoren gehäuft. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will deswegen im ersten Quartal 2023 einen Gesetzesentwurf vorlegen. Der SPD-Politiker spricht von „Heuschrecken“, deren Einstieg in Arztpraxen unterbunden werden müsse. Unter Betreibern sorgten die Vorschläge mit Blick auf das ohnehin stellenweise unterfinanzierte Gesundheitswesen hingegen für Entsetzen.
Hinter dem Vorstoß steckt die Sorge, dass sich das Leistungsspektrum auf bestimmte, besonders lukrative Angebote konzentriert – etwa auf Augenheilkunde oder die Radiologie. Im Gegenzug bestehe laut Reinhardt die Gefahr, dass zeitaufwendige Behandlungen, etwa von chronisch kranken Patienten, zurückgestellt würden. Zudem würden angestellte Ärzte in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) berichten, Zielvereinbarungen für Behandlungen einhalten zu müssen, die nicht am Patientenwohl orientiert seien.
Die Warnungen stützen sich allerdings nicht auf eine konkrete Datenbasis. Es gibt keine gesammelten Informationen darüber, wem solche Einrichtungen gehören. Es lässt sich also auch nicht erheben, ob die Versorgung in Zentren in Investorenhand anders oder schlechter ist. Die vielen Hinweise auf Missstände seien aber Anlass genug, das Problem anzugehen, sagte Reinhardt – und verweist auf ein ebenfalls am Donnerstag vorgestelltes Positionspapier mit Forderungen an das von Lauterbach geplante Gesetz.
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Die Bundesärztekammer fordert unter anderem, dass künftig nur fachübergreifende MVZ zugelassen werden – und nicht mehr solche, die sich auf einen Bereich fokussieren. Dafür müsse der Bestandsschutz aufgehoben werden. Darüber hinaus soll der Marktanteil von einem Betreiber auf zehn Prozent beschränkt und Transparenz über Inhaber geschaffen werden.
Auch FDP fordert Leitplanken für Investoren
Sibylle Stauch-Eckmann, Vorsitzende des Bundesverbands der Betreiber medizinischer Versorgungszentren (BBMV), kritisierte das scharf. Die Fehlentwicklungen im ambulanten Bereich hingen nicht von den Inhabern oder Trägern ab. „Hier gibt es nachweislich keine Belege, die das nahelegen“, sagte sie. „Der ordnungspolitische Rahmen muss daher alle Leistungserbringer erfassen, denn die Themen sind struktureller Art.“
In der Ampelkoalition sieht jedoch selbst die FDP Handlungsbedarf. Zwar sei es falsch, Einrichtungen, die durch Investoren finanziert würden, grundsätzlich zu verurteilen, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Andrew Ullmann, dem Handelsblatt. „Das bedeutet aber nicht, dass der Betrieb von MVZ nicht gewissen Leitplanken unterliegen sollte.“
So müssten etwa Abrechnungsoptimierungen durch Rosinenpickerei verhindert werden, sagte Ullmann. Ebenso solle ein Träger keine regional marktbeherrschende Stellung erreichen können. Deshalb sollten die Informationen zu Eigentümer- und Trägerschaft transparent gemacht werden, forderte der FDP-Politiker.
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