Jan 14, 2023
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Ostasien: Angst vor Kims Atomraketen – Südkorea erwägt nukleare Bewaffnung

Written by Martin Kölling

Tokio Es war eine klare Botschaft an Nordkoreas Herrscher Kim Jong Un: Südkorea, so Präsident Yoon Suk Yeol, könne durchaus taktische Atomwaffen stationieren, sollte die Bedrohung durch das nordkoreanische Atomwaffenprogramm realistischer werden.

Der Konflikt auf der geteilten koreanischen Halbinsel hatte im vergangenen Jahr wieder deutlich an Brisanz gewonnen. Nordkorea schoss in erhöhter Frequenz atomwaffenfähige Raketen ab, während die Streitkräfte der USA und Südkoreas ihre gemeinsamen Militärübungen wieder in vollem Umfang aufnahmen.

Yoons Aussage verstärkt die Sorge vor einem atomaren Dominoeffekt in einer Region, die ohnehin durch wachsende Spannungen zwischen China und den USA gestiegen ist.
Sollte Südkorea tatsächlich zur Atommacht werden, so die Befürchtung, würde Japan unweigerlich folgen.

Für Ostasien wäre das ein bedrohliches Szenario: China, Russland, Nordkorea, Südkorea und Japan würden sich misstrauisch gegenüberstehen, sie alle wären dazu in der Lage, im Falle eines Konflikts den Gegner mit nuklearen Sprengköpfen zu attackieren.

Derzeit ist die Situation noch eine andere. Südkorea befindet sich unter dem atomaren Schutzschirm des Alliierten USA. Man werde das Land, wenn nötig, mit der „vollen Bandbreite unserer militärischen Fähigkeiten verteidigen“, heißt es in Washington. Angesichts der massiven Aufrüstung Nordkoreas stellt sich in Seoul allerdings die Frage, wie sich dieser Pakt stärken lässt. Häufiger fällt der Begriff der „nuklearen Teilhabe“, eine Strategie, die für atomwaffenfreie Nato-Partner wie Deutschland gilt. Dabei werden die Verbündeten der USA in die nukleare Zielplanung direkt einbezogen, auch können US-Atomwaffen in den beteiligten Ländern installiert werden.

Südkoreas Präsident Yoon

Yoon befeuert mit eigenen Aussagen die Debatte über eine atomare Bewaffnung seines Landes.



(Foto: dpa)

Doch obwohl sich die südkoreanische Regierung mehr Mitsprache wünscht, bleibt Yoon skeptisch. Der Präsident redet stattdessen lieber über gemeinsame Planungen und Übungen für eine atomare Kriegsführung. Allerdings weist die südkoreanische Sicherheitsexpertin Kim Duyeon vom Center of New American Security darauf hin, dass selbst ein solcher Schritt den USA zu weit gehe.

Nordkorea baut sein Arsenal offenbar mit hohem Tempo weiter aus

Die Wissenschaftlerin schlug daher vor Kurzem sogenannte Table-top-Übungen vor. Dabei handelt es sich nach US-Definition um „informelle, diskussionsbasierte Sitzungen, in denen ein Team seine Rollen und Reaktionen während eines Notfalls bespricht“. Daraus könnten die Südkoreaner bereits viel über das Denken und Handeln der US-Planer lernen, so Kim.

Diese Idee wird nun tatsächlich umgesetzt. Im Februar solle ein entsprechendes Projekt starten, sagt Südkoreas Verteidigungsminister Jeong Kyeong Doo. Der Politiker weiß, dass die Zeit drängt. Und auch in Washington wird mit Hochdruck daran gearbeitet, das Drohpotenzial gegenüber Nordkorea zu erhöhen. Denn Kim Jong Un verfügt inzwischen nach Einschätzung von Experten über Raketen, die auch die USA treffen können.

Der US-Abrüstungsexperte Joseph Cirincione bezeichnete das Raketenprogramm im Handelsblatt-Interview als „Weltklasse“. Und Kim baut sein Arsenal offenbar mit hohem Tempo weiter aus. Sein Land dürfte bereits 80 bis 90 Atomsprengköpfe besitzen, schätzte diese Woche das Korea Institute for Defense. Bis 2030 rechnen die Experten mit 166 Stück, mit denen sich ein großflächiges nukleares Inferno anrichten ließe.

Bei diesem Vernichtungspotenzial fragen sich die Südkoreaner und Japaner, wie umfassend ihr Schutz tatsächlich ist. Viele zweifeln an der Verteidigungsbereitschaft der Schutzmacht, weil die USA im Fall einer atomaren Eskalation selbst zum Ziel von Kims Attacken werden könnten.

>> Lesen Sie dazu auch: Verschärftes Drohszenario – Kims Atomraketen können jetzt USA und Europa erreichen

Auch Japan erlebt Debatte über Atomwaffen

Der ehemalige japanische Verteidigungsminister Itsunori Onodera forderte jetzt, der atomare Schutzschirm müsse regemäßig getestet werden, um beurteilen zu können, ob er überhaupt noch funktioniert. Zudem müsse Japan intensive Gespräche mit den USA führen. Welche Waffen kommen im Ernstfall zum Einsatz? Das sei die zentrale Frage, die die beiden Mächte klären müssten.

Tatsächlich erlebt auch Japan eine Debatte über eine atomare Bewaffnung. Anders als in Südkorea wird diese aber zurückhaltender geführt. Das liegt vor allem an historischen Erfahrungen. Japan wurde 1945 als bisher einziges Land der Welt zwei Mal von amerikanischen Atombomben getroffen. Die verheerenden Angriffe auf Hiroshima und Nagasaki sind bis heute ein Nationaltrauma, die Skepsis gegenüber Nuklearwaffen ist besonders groß.

Weniger Berührungsängste gibt es im Nachbarland. Südkorea erwog erstmals unter dem 1979 ermordeten Präsidenten Park Chung Hee, Atomwaffen zu entwickeln. Es handelte sich um eine Reaktion auf den Plan von US-Präsident Richard Nixon, die US-Streitkräfte aus Südkorea abzuziehen.

Spannungen zwischen Nordkorea und Südkorea

Gepanzerte Fahrzeuge des US-Militärs parken am Mittwoch nahe der Grenze zu Nordkorea. Südkoreas Präsident Yoon will sein Land stärker in das nukleare Abschreckungssystem der USA einbinden.



(Foto: dpa)

Washington war wenig begeistert über die Aussicht auf eine weitere Atommacht – und wirkte massiv auf Seoul ein, die Ambitionen aufzugeben. Erst mit Beginn des nordkoreanischen Atomprogramms Mitte der 1990er-Jahre wuchs erneut der Wunsch, der Bedrohung ein gleichwertiges nukleares Abschreckungspotenzial entgegenzusetzen.

>> Lesen Sie dazu auch: Nordkorea rüstet auf: Wie gefährlich ist das Atomprogramm wirklich?

Südkorea: Mehrheit der Gesellschaft befürwortet eigenes Nuklearprogramm

Indem der unpopuläre Präsident Yoon Hoffnung auf eine atomare Bewaffnung schürt, kann er sich beim Wahlvolk als Hardliner profilieren und wichtige Sympathiepunkte sammeln. Laut einer Meinungsumfrage des Chicago Council on Global Affairs befürworten 56 Prozent der Befragten die erneute Stationierung von taktischen US-Atomwaffen, 71 Prozent sogar ein eigenes Nuklearprogramm.

Robert Einhorn, Senior Fellow an der Brookings Institution, warnt die Koreaner allerdings, diesem Impuls nachzugeben. „Die Kosten für den Einstieg Südkoreas in die Atomrüstung überwiegen bei Weitem die oft angenommenen Vorteile“, schrieb er vergangene Woche in einer Kolumne für die südkoreanische Tageszeitung „Joong Ang“. Bei einem eigenen Atomprogramm drohten ernsthafte Verstimmungen mit den USA, China würde sogar mit harten Wirtschaftsstrafen reagieren.

„Die bessere Wahl ist es, sich weiterhin auf die erweiterte Abschreckung der USA zu verlassen“, meint er. Allerdings müsse diese verstärkt werden. Letztlich schwebt ihm vor, was auch Präsident Yoon für den Einsatz von Atomwaffen fordert: „Südkorea muss ein größeres Mitspracherecht bei der Planung und Durchführung erhalten.“

Mehr: „Bemerkenswerte Wende“: Japan rüstet massiv auf



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