Berlin Christian Lindner und die Liberalen waren bei der Bundestagswahl mit der Forderung angetreten, den Solidaritätszuschlag für alle abzuschaffen. Doch in den Koalitionsverhandlungen konnten sie das nicht durchsetzen.
Nun hofft der FDP-Chef auf eine zweite Chance: In einem Musterverfahren lässt ein Ehepaar aus Bayern mithilfe des Steuerzahlerbundes überprüfen, ob der Soli noch verfassungsgemäß ist. Das Paar hatte geklagt, weil es der Auffassung war, die Grundlage des Solidaritätszuschlags sei mit Auslaufen des Solidarpakts II Ende 2019 entfallen.
In erster Instanz war das Finanzgericht Nürnberg der Ansicht nicht gefolgt, das Paar legte Revision ein. Am Dienstag findet vor dem Bundesfinanzhof in München, dem obersten Gericht in Steuersachen, die mündliche Verhandlung statt.
Finanzminister Lindner hat entschieden, dass sein Ressort doch nicht an dem Verfahren teilnehmen soll. Anders als noch von seinem Vorgänger, dem heutigen Kanzler Olaf Scholz (SPD), geplant, wird kein Vertreter des Bundesfinanzministeriums die derzeitige Soli-Regelung verteidigen. Wird eine Abschaffung damit wahrscheinlicher?
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Zumindest sorgt Lindners Entscheidung in der Ampelkoalition für schlechte Stimmung. Sozialdemokraten und Grüne wollen unbedingt die derzeitige Regelung beibehalten, nach der die zehn Prozent mit den höchsten Einkommen weiterhin den Soli zumindest teilweise zahlen müssen.
SPD zeigt sich verwundert über Lindners Kehrtwende
Der finanzpolitische Sprecher der SPD, Michael Schrodi, hält es für „recht ungewöhnlich, dass der Finanzminister geltendes Recht nicht verteidigt“. Ein Wegfall des Solis würde eine Entlastung der höchsten Einkommen bedeuten, während Lindner gleichzeitig andere Ministerien zum Sparen anhalte. Der Finanzminister Lindner trete hinter den Parteivorsitzenden Lindner zurück. „Nicht gut“, kommentiert Schrodi.
Lindner hält die vollständige Streichung des Solis hingegen für überfällig. Er hatte im vergangenen Jahr in der Ampelkoalition durchgesetzt, dass die Einkommensgrenzen, ab denen der Soli fällig wird, wegen der Inflation angehoben werden. So sollte zumindest sichergestellt werden, dass weiterhin nur zehn Prozent den Soli ganz oder teilweise zahlen. Ohne Anpassung der Grenzen würden immer mehr Steuerzahler aufgrund von Einkommenserhöhungen die Abgabe leisten müssen.
Der Soli ist ein Zuschlag von 5,5 Prozent auf die zu zahlende Einkommensteuer. Wer im Jahr 2023 mehr als 17.543 Euro Einkommensteuer zahlen muss, der muss den Solidaritätszuschlag weiterhin zumindest teilweise zahlen. Er wird aber nicht gleich vollständig fällig, es gibt eine sogenannte Milderungszone.
Der Finanzwissenschaftler Frank Hechtner hat für das Handelsblatt berechnet, was die neuen Grenzen für den Steuerzahler bedeuten. Demnach muss ein Single bis zu einem monatlichen Bruttoeinkommen von 6670 Euro keinen Soli zahlen. Darüber wird er sodann teilweise fällig. Ab einem Einkommen von 9720 Euro muss dann der Soli komplett gezahlt werden. Bei Verheirateten mit zwei Kindern erhöhen sich die Grenzen deutlich. Wenn nur ein Partner erwerbstätig ist, wird der Soli erst ab einem monatlichen Bruttoeinkommen von 19.700 Euro fällig.
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Dementsprechend ist auch klar, wer von einer Abschaffung profitieren würde: Bezieher von höheren Einkommen. Ein Single mit einem Einkommen von 8500 Euro würde um jährlich 1064 Euro entlastet. Bei einem Spitzeneinkommen von 15.000 Euro geht es um eine Summe von 3259 Euro.
Solidaritätszuschlag: FDP sieht keine Grundlage mehr
Unter Verweis auf diese Entlastungswirkungen für Reiche lehnen SPD und Grüne Änderungen beim Soli ab. Die FDP betont hingegen, dass der Soli ursprünglich als befristete Sonderabgabe eingeführt wurde und seine Legitimation längst verloren hat.
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„Die Abschaffung des sogenannten Solidaritätszuschlags wäre eine schnell wirksame Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes“, sagte Finanzminister Lindner kürzlich. Denn neben Personen mit sehr hohen Einkommen müssen vor allem Unternehmen den Soli weiterhin zahlen.
Rund zwölf Milliarden Euro beträgt das Aufkommen aus dem Rest-Soli derzeit. Nach einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wird diese Summe zu Zweitdritteln von Unternehmen bezahlt. So müssen 500.000 Unternehmen den Soli unverändert auf die Körperschaftsteuer zahlen. Vor allem aber liegen viele Unternehmer, die als Personengesellschaft Einkommensteuer zahlen, über der Freigrenze für den Soli.
Auch auf die Kapitalertragsteuer, also etwa auf Zinseinkünfte und Dividenden, wird der Soli weiterhin erhoben. Dadurch können Arbeitnehmer, Rentner oder Selbstständige auch trotz geringer Lohneinkünfte weiter vom Solidaritätszuschlag betroffen sein, wenn sie entsprechende Kapitaleinkünfte haben. Allerdings sind hier vergleichsweise wenig Steuerzahler betroffen.
Mehr: Energie-Soli und kalte Progression – Die Koalition streitet über Steuern für Reiche
<< Den vollständigen Artikel: Verfahren vor dem Bundesfinanzhof: Wer vom Ende des Solidaritätszuschlags profitieren würde >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.