Jan 15, 2023
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Braunkohletagebau: Ruhige Nacht nach Gewalt in Lützerath – Polizei setzt Räumung Sonntag fort

Written by pinmin

Erkelenz Die Polizei hat die Räumung des von Aktivisten besetzten Braunkohleortes Lützerath am Sonntagmorgen fortgesetzt. Höhenretter der Polizei, die an einem Kran befestigt waren, versuchten, zu Aktivisten in Bäumen zu gelangen, wie ein Sprecher sagte. Nach den gewalttätigen Zusammenstößen vom frühen Samstagabend ist es in der Nacht zum Sonntag und am Vormittag ruhig geblieben.

Nach Polizeiangaben halten sich nur noch wenige Aktivisten in Lützerath auf. Die Zahl der Menschen liege schätzungsweise im einstelligen Bereich, sagte der Sprecher. In einem Tunnel sollen zwei Personen ausharren. Nach Aussage eines Aktivisten vor Ort sind noch etwa 20 Menschen auf dem Gelände.

Der Energiekonzern RWE hatte am Samstag von Vorbereitungen gesprochen, um die beiden Aktivisten aus dem Tunnel zu holen. „Es wird an einem Rettungskonzept gearbeitet“, sagte ein Unternehmenssprecher. Man sei dabei auch mit externen Experten und dem Technischen Hilfswerk in Kontakt. „Die beiden, die da unten sitzen, sind nach eigenen Angaben wohlauf.“ Sie hätten etwa keine Probleme mit Frischluft.

Weite Teile des Geländes waren bereits am frühen Morgen mit Flutlicht ausgeleuchtet. Bagger fuhren auf das Gelände, um weitere Gebäude abzureißen.

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Das Dorf Lützerath, ein Ortsteil von Erkelenz westlich von Köln, ist seit Tagen von der Polizei abgeriegelt und mit einem doppelten Zaun umgeben. seit Mittwoch wird dort geräumt. Die wenigen Gebäude der Siedlung werden abgerissen, um es dem Energiekonzern RWE zu ermöglichen, die darunter liegende Braunkohle abzubaggern. Dagegen hatten am Samstag viele Tausend Menschen im benachbarten Ortsteil Keyenberg demonstriert.

Arbeiten bei Flutlicht

Ein Bagger reißt am Sonntagmorgen weiter den Hof des letzten Bauern in Lützerath ab.



(Foto: dpa)

Fahrzeug-Barriere der Polizei gegen die Demonstranten

Wurden nach Polizeiangaben von den Demonstranten teilweise überklettert und beschädigt.



(Foto: dpa)

Die Veranstalter schätzten die Zahl auf 35.000, die Polizei sprach von 15.000 Teilnehmern. Rund 5000 von ihnen hätten sich nicht an der Versammlung beteiligt, sagte ein Polizeisprecher. Sie hätten sich sofort Richtung Abbaukante und Lützerath bewegt. Sie seien daher als „Störer“ betrachtet worden.

Am Rand der Demonstration kam es zu Zusammenstößen zwischen diesen Demonstranten und der Polizei. Nach Polizeiangaben wurden dabei auf beiden Seiten Menschen verletzt. Ob es Festnahmen gab, wurde zunächst nicht mitgeteilt.

Auf Seiten der Einsatzkräfte gab es nach Angaben der Polizei vom Sonntagvormittag über 70 Verletzte. Die Verletzungen der Beamten gingen aber nur zum Teil auf Gewalt durch Demonstranten zurück. Teilweise seien die Beamten zum Beispiel auch im schlammigen Boden umgeknickt.

Auch Demonstranten seien verletzt worden. Wie viele es seien, wisse man nicht, da diese nicht gemeldet worden seien. Seit Beginn der Räumung von Lützerath am Mittwoch seien etwa 150 Strafverfahren etwa wegen Widerstands gegen Polizeibeamte, Körperverletzung und Landfriedensbruchs eingeleitet worden.

Eine Sprecherin der Aktivistengruppe „Lützerath lebt“ erhob am Sonntag schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Bei der Demo am Samstag habe es „ein unglaubliches Maß an Polizeigewalt“ gegeben, sagte sie. „Es ist ein Wunder, dass es hier noch keine Toten gegeben hat.“

Es sei eine „hohe zweistellige bis dreistellige Zahl“ von Teilnehmern verletzt worden, sagte am Sonntag eine Sprecherin des Sanitäterdienstes der Demonstranten. Darunter seien viele schwerverletzte und einige lebensgefährlich verletzte Personen gewesen.

Die Verletzungen seien teils durch Pfeffersprays, Schlagstock- und Faustangriffe der Polizisten zustande gekommen. Dabei habe es besonders viele Kopfverletzungen gegeben. „Die Polizei hat also nicht nur in Einzelfällen, sondern systematisch auf den Kopf von Aktivistinnen und Aktivisten geschlagen“, sagte die Sprecherin. Die Polizei weist die Vorwürfe exzessiver Gewaltanwendung zurück und versichert, mit äußerster Vorsicht vorzugehen.

Gefährlicher Protest an der Abbruchkante des Tagebaus

Die Polizei warnet vor Lebensgefahr, weil der Boden durch den Regen aufgeweicht sei und Erdrutsche drohten.



(Foto: dpa)

Zusammenstöße am frühen Samstagabend

Die Polizei setzte auch Tränengas ein, um die Demonstranten zurückzudrängen.



(Foto: Reuters)

Laut Polizei hatten rund 1000 größtenteils vermummte „Störer“ versucht, auf das abgesperrte Dorfgelände und die Abbruchkante des Tagesbaus zu gelangen. Mehrere Einsatzfahrzeuge, die eine Barriere vor dem Bauzaun gebildet hätten, seien überklettert und beschädigt worden. Um sie abzuwehren, setzte die Polizei Wasserwerfer, Schlagstöcke und Pfefferspray ein, nachdem den Personen „unzählige Male“ Zwang angedroht worden sei.

Bis zur Tagebaukante zu laufen, sei lebensgefährlich, weil der Boden durch den Regen aufgeweicht sei und Erdrutsche drohten, warnte die Polizei. „Ich bin absolut entsetzt, wie normale Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer sich dazu hinreißen lassen, hier den absoluten Gefahrenbereich zu betreten“, sagte der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach.

Ökonomin Kemfert: „Kohle unter Lützerath wird nicht gebraucht“

Nach Polizeiangaben attackierten einzelne Demonstranten auch Einsatzwagen der Polizei und warfen Pyrotechnik in Richtung der Beamten. Ein Sprecher erklärte, Reifen seien zerstochen und Außenspiegel abgetreten worden.

Ein Sprecher auf der Kundgebungsbühne hatte die Demo-Teilnehmer zuvor explizit aufgerufen, sich über Anweisungen der Polizei hinwegzusetzen. Er finde es legitim, wenn die Teilnehmer versuchten, in das abgesperrte Lützerath vorzudringen, sagte er: „Lasst euch von der Polizei nicht aufhalten. Wir sind mächtig. Wir sind auf der Seite der Gerechtigkeit. Wir lassen uns von diesem repressiven System nicht aufhalten. Wir stoppen diesen Tagebau. Macht alles, was ihr für richtig haltet.“

>> Lesen Sie hier: „Die richtige Auseinandersetzung am falschen Ort“ – Lützerath bringt Grünen-Spitze in Erklärungsnot

Der Energiekonzern RWE teilte am Abend mit, man sei „entsetzt über die Aggressionen und die Gewalt, die von Teilen der Aktivisten ausgingen“. Dies habe mit der ansonsten friedlichen Demonstration nichts mehr zu tun. „Wer völlig enthemmt Steine und Feuerwerkskörper auf Polizisten wirft und versucht Absperrungen zu durchbrechen, kritisiert nicht die Energiepolitik, sondern attackiert das gesellschaftliche Fundament unseres Rechtsstaats.“

Greta Thunberg kritisiert Deutschland bei Protesten in Lützerath

Hauptrednerin bei der Kundgebung war die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg. „Lützerath ist noch da, und solange die Kohle noch in der Erde ist, ist dieser Kampf nicht zu Ende“, sagte die 20-Jährige unter dem Jubel der Zuhörer.

Es sieht wirklich aus wie Mordor. Es zeigt, wozu Menschen unter den falschen Bedingungen fähig sind. Es zeigt, wogegen wir kämpfen, was wir verhindern wollen. Klimaaktivistin Greta Thunberg bei ihrem besuch in Lützerath. In Tolkiens Roman „Herr der Ringe“ ist Mordor das Reich und die Basis des bösen Sauron.

Es sei ihr unbegreiflich, dass im Jahr 2023 noch immer Kohle abgebaggert und verfeuert werde, obwohl zur Genüge bekannt sei, dass der dadurch ausgelöste Klimawandel in vielen Teilen der Welt Menschenleben koste. „Deutschland als einer der weltweit größten Verschmutzer hat eine enorme Verantwortung“, mahnte Thunberg.

Mehr: Barrikaden und Sirenen – So räumte die Polizei das Protestcamp Lützerath



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