Der Erfolg der deutschen Wirtschaft basiere allerdings auf einer „konstruktiven“ Sozialpartnerschaft zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber. „Wer das nicht realisiert, ist mit seinem Investment in Deutschland vielleicht am falschen Ort“, betonte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium.
Anlass sind Vorwürfe der IG Metall. Laut der Gewerkschaft soll es in der Belegschaft Unmut über belastende Schichtsysteme, häufige Mehrarbeit an Wochenenden, eine sehr hohe Arbeitsbelastung insgesamt und zu wenig Personal geben. Zudem treibe viele Beschäftigte die Sorge um, dass sie von einem sogenannten „Security Intelligence Investigator“ überwacht werden könnten. Tesla reagierte nicht auf die Vorwürfe. Eine schriftliche E-Mail-Anfrage des Handelsblatts blieb unbeantwortet.
Der Vizevorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Andreas Audretsch, verlangte von der Konzernspitze Aufklärung über die Vorwürfe. „Elon Musk sollte die vorgebrachten Missstände transparent aufarbeiten und wo nötig abstellen“, sagte Audretsch dem Handelsblatt.
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Tesla produziert seit März in Grünheide in Brandenburg Elektroautos. Das bisherige Tesla-Gelände umfasst rund 300 Hektar. Das Unternehmen von Tesla-Chef Elon Musk baut dort auch eine Batteriefabrik. Bei Tesla in Grünheide arbeiten derzeit mindestens 8500 Mitarbeiter. In der ersten Ausbauphase sollen es 12.000 Beschäftigte sein.
SPD-Linke fordert verstärkte Kontrollen bei Tesla
Die IG Metall pflegt nach eigenen Angaben in allen Bereichen gute Kontakte zu den Beschäftigten und führt viele Beratungen durch. Wer bei dem Autobauer arbeitet, muss mit dem Arbeitsvertrag eine Geheimhaltungserklärung unterzeichnen, auf die im Unternehmensalltag auch immer wieder hingewiesen werde, erläuterte Irene Schulz, Bezirksleiterin der IG Metall für Berlin, Brandenburg und Sachsen, auf der Jahrespressekonferenz der Gewerkschaft am Donnerstag in Berlin.
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Die Mitarbeiter seien daher verunsichert, ob sie mit der IG Metall überhaupt über die Arbeitsverträge sprechen dürften. „Dass überhaupt solche Fragen gestellt werden, das kennen wir aus anderen Unternehmen so in der Form und in der Häufigkeit nicht“, sagte Schulz.
Für Unmut sorgt laut IG Metall auch die Stellenausschreibung für einen Security Intelligence Investigator (Sicherheitsermittler) bei Tesla. In dem Anzeigentext heißt es: „Sie führen sowohl proaktive als auch reaktive Ermittlungen durch und gehen aktiv gegen interne und externe Bedrohungen für die geschützten und vertraulichen Informationen von Tesla vor.“ Viele Beschäftigten fragten sich nun, was genau Inhalt dieser Ermittlungen sein soll – und ob sie womöglich selbst ins Blickfeld geraten, sagte Schulz.
Der Chef der SPD-Linken, Sebastian Roloff, sagte dazu: „Die Vorkommnisse bei Tesla lassen einen aufschrecken, ganz unerwartet sind sie nicht – man konnte ja erahnen, wie das Unternehmen geführt wird.“
Eines sei aber klar, betonte der Bundestagsabgeordnete, in Deutschland gälten das Betriebsverfassungsgesetz, die Mitbestimmung und Arbeitnehmerschutz. Daran müsse sich auch Tesla halten. „Die Berichte geben aus meiner Sicht dringenden Anlass für verstärkte Kontrollen“, so Roloff.
Brandenburgs Wirtschaftsminister mahnt bessere Arbeitsbedingungen an
Auch der Bundesvize des CDU-Arbeitsnehmerflügels, Christian Bäumler, verlangte von Tesla die Einhaltung sozialer Standards, die in der deutschen Automobilindustrie üblich seien. „Die Landesregierung in Brandenburg ist gefordert, ohne falsche Rücksichtnahme den Arbeitsschutz durch engmaschige Kontrollen bei Tesla durchsetzen“, sagte Bäumler dem Handelsblatt. Tesla sei mit seiner firmeninternen Politik noch immer nicht in Europa angekommen. „Die Geheimhaltungsvorschriften bei diesem Automobilproduzenten erinnern an eine Sekte“, sagte Bäumler weiter.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) mahnte bessere Arbeitsbedingungen bei Tesla an. „Angesichts der Engpässe bei Fach- und Arbeitskräften in Brandenburg wird es im Wettbewerb um Personal nur den Unternehmen langfristig gelingen, in ausreichendem Umfang Fach- und Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten, die attraktive Arbeitsbedingungen im Sinne guter Arbeit bieten“, sagte Steinbach dem Handelsblatt. Dies gelte für alle Unternehmen gleichermaßen, „aber angesichts des in kurzer Zeit in hoher Anzahl benötigten Personalzuwachses natürlich für Tesla im Besonderen“.
Der Minister erinnerte zugleich daran, dass Gewerkschaftsmitglieder im Konfliktfall kostenfrei arbeits- und sozialrechtliche Beratung durch die Gewerkschaft erhalten können. „Außerdem können sich Beschäftigte an den Betriebsrat wenden, wenn es Probleme oder Anliegen gibt.“
Tesla zeigt indes laut IG Metall keine Dialogbereitschaft. „Tesla ist kein Unternehmen – das wissen wir aus den USA –, das unbedingt die Nähe zu den Gewerkschaften sucht“, sagte die Bezirksvorsitzende Schulz. „Das bedauern wir sehr, weil wir in Deutschland eine ganz andere Tradition haben.“
Der Umgang mit den Tesla-Mitarbeitern dürfte die Gewerkschaft noch lange Zeit beschäftigen, zumal der Konzern nicht nur seine Autoproduktion ausweiten, sondern auch Gelände zukaufen will, um sich zu erweitern.
Die Pläne dafür sind schon weit gediehen und werden von der Gemeinde Grünheide unterstützt. Bürgermeister Arne Christiani (parteilos) hält eine Aufstellung des Bebauungsplans bis zum ersten Quartal 2024 für möglich.
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