Jan 17, 2023
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Bundesfinanzhof: Streit um Solidaritätszuschlag könnte vor dem Bundesverfassungsgericht landen

Written by Heike Anger


Bundesfinanzhof verhandelt über den Solidaritätszuschlag

Die Kläger Margarete und Andreas Berberich stehen im Verhandlungssaal des Bundesfinanzhof. Hält der Oberste Gerichtshof des Bundes
für Steuern und Zölle den Soli für verfassungswidrig, wird das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.



(Foto: dpa)

München, Berlin Nur gut eine Stunde dauerte die mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzhof (BFH) in München an diesem Dienstag: Der IX. Senat prüfte, ob die ab 2020 fortgeltende Erhebung des Solidaritätszuschlags verfassungswidrig sei. Eine Tendenz ließen die Richter dabei nicht erkennen.

Am Ende stand immerhin ein Beschluss, den BFH-Präsident Hans-Josef Thesling vortrug: Die Entscheidung im Soli-Verfahren (Aktenzeichen IX R 15/20) wird am 30. Januar verkündet. Dann steht fest, ob die Klage dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorgelegt wird.

Der BFH verhandelte eine Musterklage vom Bund der Steuerzahler (BdSt). Mithilfe des Verbands klagt ein Ehepaar aus Bayern gegen den Solidaritätszuschlag. Der Rechtsstreit läuft seit mittlerweile drei Jahren. Das Finanzgericht Nürnberg hatte die Klage zwar in erster Instanz abgewiesen (Aktenzeichen 3 K 1098/19), doch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache eine Revision zum BFH zugelassen.

Der Soli ist eine ergänzende Abgabe zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer. Er wird seit 1995 erhoben, um die deutsche Einheit zu finanzieren. Und das, obwohl der Solidarpakt II als Aufbauhilfe für die östlichen Bundesländer Ende 2019 auslief und die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu geordnet wurden. 2021 fiel der Soli für rund 90 Prozent aller Steuerzahler vollständig weg. Vor allem Spitzenverdiener und Unternehmen müssen den Zuschlag aber noch entrichten.

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Die Kläger argumentieren, dass der Zuschlag nach dem Auslaufen des Solidarpakts II verfassungswidrig geworden sei. Ergänzungsabgaben seien „Zwecksteuern“. Entfalle der Zweck, müsste demnach auch die dazugehörige Abgabe entfallen, sagte der Vertreter der beiden Kläger, der Steuerrechtler Roman Seer.

Milliarden für den Bundeshaushalt

Darüber hinaus werfen die Kläger und ihre Anwälte dem Bund einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vor, weil nur noch eine kleine Minderheit der Steuerzahler die Abgabe zahlen muss, die große Mehrheit jedoch nicht. „Es ist in Wirklichkeit eine zusätzliche Einkommensteuer“, sagte Rechtsprofessor Seer. Der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, kritisierte: „Der Solidaritätszuschlag ist mittlerweile durch die Hintertür eine Reichensteuer geworden.“

Der Solidaritätszuschlag soll im laufenden Jahr rund zwölf Milliarden Euro in den Bundeshaushalt spülen. Wie alle Steuereinnahmen ist auch der Soli nicht zweckgebunden. Die Mittel wurden nie ausschließlich für den Aufbau Ost verwendet.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte beschlossen, dass sich sein Ressort nicht an dem BFH-Verfahren beteiligt – entgegen der Position seines Amtsvorgängers, des heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD). Die FDP fordert schon lange die komplette Abschaffung des Solis.

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer sagte: „Mit der heutigen Verhandlung hat hoffentlich der Anfang vom Ende des Solidaritätszuschlags begonnen, auch wenn am Ende das Bundesverfassungsgericht abschließend entscheiden wird.“ Spätestens mit dem Auslaufen des Solidarpakts sei die verfassungsrechtliche Grundlage für die Erhebung des Solidaritätszuschlags entfallen.

Christoph Meyer

Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion spricht sich im Namen seiner Partei für eine Ende des Soli aus.


(Foto: IMAGO/Future Image)

Meyer erteilte zugleich einer Umwidmung des Solis eine Absage: Würden sich die Einnahmen des Bundes durch eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags reduzieren, würde dies nicht „durch andere Steuer- oder Abgabeerhöhungen“ kompensiert. Der Soli gehöre „grundsätzlich abgeschafft“. Dies trage auch „zur Senkung der Belastungen von Bürgern und Unternehmen in der Krise bei“.

>> Lesen Sie auch: Soli-Abschaffung würde vor allem Gutverdiener entlasten

Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch betonte, der BFH habe über den Soli „und nicht über die Frage einer gerechten Steuerpolitik“ verhandelt. „Der Grundsatz, dass die absoluten Topverdiener einen höheren Beitrag leisten müssen, ist völlig unabhängig vom Ausgang des Verfahrens“, erklärte der Grünen-Politiker. In einer Zeit, in der viele Menschen mit wenig Geld harte Einschnitte im Alltag in Kauf nehmen müssten, sei es „absurd“, die Reichsten des Landes zu entlasten.

Um das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, müsse der Bundesfinanzhof zu der Überzeugung kommen, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags für das Jahr 2020 verfassungswidrig sei, stellte die Direktorin des Instituts für Steuerrecht an der Universität zu Köln, Johanna Hey, zum weiteren Ablauf klar. Sie betonte: „Bloße Zweifel reichen nicht.“ Billigt der BFH den Soli, können die Kläger Verfassungsbeschwerde einlegen.

Mehr: Alle wichtigen Fragen und Antworten zum Soli



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Politik

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