Berlin Ein Drittel der geplanten bezahlbaren Wohnungen in Deutschland wird 2023 und 2024 nicht neu gebaut werden können. Das ergab eine Umfrage des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW bei seinen Mitgliedsunternehmen.
„Eine Verkettung von historisch schlechten Baubedingungen und eklatante Fehler der Regierung lassen den bezahlbaren Wohnungsbau aktuell dramatisch einbrechen“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko anlässlich der Vorstellung der Umfrage bei den sozial orientierten Wohnungsunternehmen. „Und das angesichts einer zu erwartenden – und notwendigen – hohen Zuwanderung nach Deutschland.“ Als bezahlbar sieht der GdW derzeit Mieten bis maximal zwölf Euro pro Quadratmeter an.
Auch die Baubranche warnte am Mittwoch vor einem „Drama im Wohnungsbau“. Seit Monaten sei die Zahl der Baugenehmigungen rückläufig, hieß es. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Baugewerbes, berichtete von zunehmenden Stornierungen auch bereits genehmigter Projekte. Die GdW-Unternehmen etwa wollen statt der ursprünglich für 2023 und 2024 geplanten 61.000 Wohnungen knapp 20.000 Wohnungen weniger bauen.
Im sozialen Wohnungsbau sind die Aussichten ähnlich schlecht. Mehr als ein Fünftel der für 2023 und 2024 geplanten Sozialwohnungen werden die Unternehmen nicht realisieren, heißt es. Statt 20.000 neuer Sozialwohnungen würden rund 4200 weniger entstehen.
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Die Wohnungswirtschaft hat dafür drei Gründe ausgemacht: Eine nicht verlässliche und unzureichende Förderung, gestiegene Materialkosten und höhere Finanzierungszinsen. Darüber hinaus schlagen fehlende Bau- und Handwerkskapazitäten, Materialengpässe und gestiegene Energiekosten zu Buche. „Die Bundesregierung muss sofort um- und gegensteuern, um ein Drama für die Wohnungssuchenden abzuwenden“, forderte Gedaschko.
Energetische Sanierung bricht ebenfalls ein
Eine ebenso dramatische Lage zeigt sich auch bei den geplanten Modernisierungsvorhaben. Rund ein Fünftel der Maßnahmen werden die GdW-Unternehmen nicht umsetzen, heißt es vom Verband.
Von den ursprünglich vorgesehenen rund 272.000 Wohneinheiten werden 53.000 weniger erneuert. Wohnungen, die eine Sanierung bekommen, sollen zudem weniger aufwendig erneuert werden.
Das betrifft vor allem die energetische Sanierung. Statt 200.000 Wohnungen werden 2023 und 2024 nur rund 157.000 energetisch saniert – ein Minus von mehr als 20 Prozent, so der GdW. Nicht nur die Wohnungsbauziele, sondern auch die Klimaziele würden so zunehmend unerreichbar.
Aufgabe der Regierung wäre es, mit einem langfristigen Förderkonzept zu helfen und den bezahlbaren Wohnungsbau „als soziale Frage unserer Zeit“ voranzubringen, sagte Gedaschko. Doch leider tue sie das Gegenteil.
Nach mehreren abrupten Förderstopps mit anschließenden deutlichen Verschärfungen der Förderbedingungen habe die Bundesregierung die Förderanforderungen zum Jahresbeginn 2023 erneut ohne Vorankündigung verschärft, kritisierte der Verbandspräsident. So seien beim sogenannten QNG-Nachhaltigkeitssiegel des Bundes, das für eine Förderung zusätzlich zum Energieeffizienz-Standard E40 erreicht werden muss, die maximalen CO2-Emissionen quasi über Nacht um 14 Prozent verschärft worden.
Kritik an der Bundesregierung
EH40 bedeutet, dass ein Gebäude nur 40 Prozent der Energie verbraucht, die ein gesetzlich definiertes Standardhaus benötigt. Je kleiner die Kennzahl, desto geringer ist später der Energiebedarf der Immobilie. Bis Jahresbeginn 2022 waren noch EH55-Gebäude gefördert worden. Das staatliche Gütesiegel QNG des Bundesbauministeriums wiederum ist mit Anforderungen an die ökologische Qualität von Gebäuden verbunden, etwa die Verwendung schadstoffarmer Baumaterialien.
Für ganz Deutschland rechnet die Wohnungswirtschaft mit einem Einbruch der Fertigstellungen auf rund 280.000 Wohnungen für 2022, nur noch 242.000 für 2023 und lediglich 214.000 im Jahr 2024. 2021 wurden in Deutschland 293.393 Wohnungen fertiggestellt. Geplant hatte die neue Bundesregierung, jährlich für 400.000 neue Wohnungen zu sorgen, davon 100.000 Sozialwohnungen.
Vergangene Woche hatte bereits das Verbändebündnis „Soziales Wohnen“ Alarm geschlagen und ein Sondervermögen in Höhe von 50 Milliarden Euro bis 2025 gefordert, um den zu erwartenden „Kollaps“ auf dem sozialen Wohnungsmarkt abzuwenden.
Mehr: Verbände fordern wegen Rekord-Wohnungsmangel Bauoffensive vom Bund
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