Bangkok In einem der heftigsten Handelskonflikte der jüngeren Geschichte ist die Mitteilung an den Zoll von Guangdong ein bedeutsames Friedenssignal: Die Beamten in der südchinesischen Hafenstadt wurden vor wenigen Tagen von der Lokalregierung angewiesen, Kohlelieferungen aus Australien künftig wieder ins Land zu lassen. Mit dem Schritt beendet China einen inoffiziellen Boykott der australischen Kohlelieferanten, der mehr als zwei Jahre andauerte und die globalen Handelsrouten für den Energieträger durcheinanderbrachte.
Das chinesische Einfuhrverbot für den fossilen Brennstoff war Teil eines umfangreichen Maßnahmenpakets, mit dem die Regierung in Peking Australien wirtschaftlich unter Druck setzen wollte – als Reaktion auf einen zunehmend chinakritischen Kurs der Regierung in Canberra. Die Rücknahme des Importstopps weckt nun in Australien die Hoffnung, dass sich der kostspielige Konflikt seinem Ende nähert. Gleichzeitig warnen Ökonomen aber auch davor, sich in eine neue Abhängigkeit von Chinas Markt zu begeben.
China war lange Zeit einer der wichtigsten Exportmärkte für australische Kohlehersteller. 2019 brachte ihnen das Chinageschäft noch rund 14 Milliarden Dollar ein. Auch Produzenten aus anderen Branchen – wie Weinhersteller, Gerstenbauern sowie Rinder- und Hummerzüchter – verloren durch den Handelsstreit Umsätze in Milliardenhöhe. Insgesamt waren Exporte im Wert von rund 23 Milliarden Dollar von den chinesischen Einfuhrbeschränkungen betroffen, wie Analysten des Investmentmanagers AMP Capital berechnet haben.
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Die nun erwartete Öffnung des chinesischen Marktes ist noch ganz am Anfang: Bisher haben erst vier chinesische Staatsunternehmen die Erlaubnis erhalten, australische Kohle zu importieren – und das nur für eigene Zwecke, also nicht zum Weiterverkauf.
Vertreter anderer betroffener Branchen müssen noch warten. Die größten Hoffnungen macht sich derzeit die Meeresfrüchtebranche. Der Besuch eines chinesischen Diplomaten in einem Zuchtbetrieb in Westaustralien wurde als Entspannungssignal gewertet. Chinesische Importeure gehen davon aus, dass der Hummerhandel zwischen den beiden Ländern in der zweiten Jahreshälfte wieder anlaufen wird.
Australiens Premier Albanese gibt sich optimistisch
Australiens Premierminister Anthony Albanese gibt sich optimistisch, dass ein positiver Wandel möglich ist: „China ist unser wichtigster Handelspartner, und wir haben daran gearbeitet, die Beziehungen zu ändern“, sagte er am Wochenende. „Es liegt im Interesse Australiens, ungehindert nach China exportieren zu können“, so Albanese. „Es ist auch in Chinas Interesse, diese Exporte aus Australien zu erhalten.“
Aus Sicht von Beobachtern sind es aber weniger wirtschaftliche als politische Gründe, weshalb China bereit ist, die Handelsbeschränkungen zu lockern. Zwar war Australien für das Land bis zum Start des Boykotts der zweitwichtigste Kohlelieferant, inzwischen hat China aber längst Ersatz gefunden, etwa in Russland und Indonesien.
Die Entscheidung, Importe wieder zu ermöglichen, sei deshalb primär als „vorsichtiger Schritt zur Wiederaufnahme der bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Staaten zu verstehen“, kommentiert der in Australien ausgebildete Politologe Zhongzhou Peng, der nun in Shanghai forscht.
Primärer Auslöser für den Neuanfang war der Regierungswechsel in Canberra im vergangenen Jahr, bei dem Albanese mit seiner Labor-Partei den konservativen Premier Scott Morrison ablöste. Morrisons Regierung hatte China immer wieder mit harscher Rhetorik erzürnt. Die Forderung des damaligen Regierungschefs nach einer unabhängigen Untersuchung des Coronavirus-Ursprungs in China lieferte den Anlass für die Boykottmaßnahmen.
China hat seine Ziele nicht erreicht
Chinas Präsident Xi Jinping musste jedoch einsehen, dass ihm der wirtschaftliche Druck nicht half, Australien zu einer chinafreundlicheren Politik zu bewegen. Im Gegenteil: Die Konfrontation sorgte dafür, dass die Regierung in Canberra ihre Sicherheitskooperation mit anderen westlichen Ländern massiv verstärkte. So schloss sich Australien im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft Aukus mit den USA und Großbritannien zusammen – mit dem Ziel, das australische Militär mit Atom-U-Booten auszustatten.
Gleichzeitig gelang es Australiens Wirtschaft schnell, neue Absatzmärkte zu erschließen und sich so von der Volksrepublik unabhängiger zu machen. Australische Ökonomen warnen davor, dies wieder rückgängig zu machen: „Hoffentlich haben wir unsere Lektion gelernt“, kommentierte etwa der Volkswirt und Publizist David Llewellyn-Smith. „Großzügigkeit aus dem kommunistischen China gibt es nicht umsonst. Sie ist an Bedingungen geknüpft, die leicht zu einem nationalen Würgeisen werden können, wenn wir nicht vorsichtig sind.“
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Diese Vorsicht will auch Premier Albanese nicht ablegen. Seine Rhetorik ist zwar weniger aggressiv, was die Wiederaufnahme direkter Kontakte auf Regierungsebene ermöglichte. Im Grundsatz will Albanese China aber nicht nachgeben: „Wir werden mit China kooperieren, wo wir können, wir werden widersprechen, wo wir müssen, und wir werden uns für unsere nationalen Interessen einsetzen“, sagte er am Dienstag in einem TV-Interview.
Dazu gehört auch Australiens weitere Aufrüstung: Als Teil der zunehmenden militärischen Kooperation mit den USA kündigte Albaneses Regierung am Mittwoch den Kauf von 40 US-Militärhubschaubern für rund zwei Milliarden US-Dollar an. Die USA planen zudem, bis zu sechs atomwaffenfähige B-52-Bomber in Nordaustralien zu stationieren, wie im Oktober bekannt wurde.
Richard McGregor, Chinaexperte des australischen Lowy Institute, schlussfolgert: „Sein Hauptziel, Australiens Wirtschaft hohe Kosten aufzuerlegen und damit die nationale Sicherheitspolitik zu ändern, hat China mit seinen Handelsbeschränkungen nicht erreicht.“
Mehr: Australiens Ex-Premier warnt vor Verlust aller ausländischen Investitionen in China
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