Berlin Neben schnellen Emissionsminderungen ist auch die Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre notwendig, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius im vorindustriellen Vergleich begrenzen zu können. Doch während viele Regierungen weltweit bis zur Mitte des Jahrhunderts Klimaneutralität anstreben, gibt es nur wenige Pläne, wie genügend Treibhausgase aus der Luft gebunden werden können.
Das zeigt der erstmals vorgelegte Bericht zum Stand der CO2-Entnahmen eines internationalen Forscherteams. Geleitet wurde der Bericht von der Smith School of Enterprise and the Environment der Universität Oxford, mitgeleitet vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC.
Die Forscher stellen einen großen Nachholbedarf fest. „Der Stand von Forschung, Entwicklung und Politik ist ähnlich rückständig wie der zu erneuerbaren Energien vor 25 Jahren“, sagte Jan Minx, Autor des Berichts und Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung.
Laut dem Bericht basiert fast die gesamte derzeitige CO2-Entnahme auf konventionellen landgestützten Methoden. Gemeint sind damit unter anderem die Restaurierung von Ökosystemen und die Aufforstung. Wälder binden Kohlendioxid. Deutschland setzt beispielsweise auch auf die Renaturierung von Mooren. Ebenso sind Praktiken in der Landwirtschaft, die den Bodenkohlenstoffgehalt erhöhen, in der Erprobung.
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Das reicht aber weitem nicht aus. Mit konventionellen Methoden ist der Aufgabe nicht beizukommen. Es brauche neue Technologien, heißt es in dem am frühen Donnerstag veröffentlichten Bericht. Zudem brauche es eine gezielte politische Steuerung.
Unterirdische Speicherung von CO2
Mit-Autor Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), sagte: „CO2-Entnahme ist kein Kann, sondern ein Muss, um das Temperaturziel des Paris-Abkommens zu erreichen.“ Beim Pariser Klimaabkommen hatte sich Ende 2015 die Staatengemeinschaft darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad im vorindustriellen Vergleich begrenzen zu wollen. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass nur eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels verhindern kann. Bis heute hat sich die Welt auf rund 1,2 Grad erwärmt.
Steve Smith von der Smith School of Enterprise and Environment, erklärte, viele CO2-Entnahmemethoden hätten Potenzial. Er riet davon ab, sich nur auf eine oder zwei Maßnahmen zu fokussieren, sondern sich breit aufzustellen.
Diskutiert wird beispielsweise über die sogenannte „beschleunigte Verwitterung“. Hier helfen Mineralien auf Landflächen dabei, CO2 aus der Luft chemisch zu binden. Eine andere Möglichkeit ist, CO2 unterirdisch zu speichern. Die Rede ist von Carbon Capture and Storage, kurz CCS.
Konkret nennt der Bericht zwei CO2-Entnahmetechnologien, die weiter erforscht werden müssten. Wenn CO2 etwa in Biomasse gespeichert wird, diese dann in Kraftwerken verfeuert wird, um Strom zu erzeugen, wird CO2 wieder freigesetzt, aufgefangen und gespeichert: Bio Energy with Carbon Capture and Storage, BECCS. Bei einer anderen Technologie wird das Klimagas direkt aus der Luft gefiltert und später gespeichert: Direct Air Carbon Capture and Storage, DACCS.
Doch die Idee, CO2 unterirdisch zu speichern, stößt vielerorts auf Skepsis, auch in Deutschland. Die Vorstellung, dass unter der Erde große Mengen Kohlendioxid gespeichert werden, gefällt vielen Menschen nicht. Die Regierung hat sich deswegen bislang vorrangig darum bemüht, etwa mit dem CCS-Vorreiterland Norwegen Lagerabkommen zu schließen.
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Auf dem Energie-Gipfel des Handelsblatts diese Woche kündigte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an, dass er CCS auch in Deutschland nicht ausschließe. Mitte 2023 will die Regierung eine umfangreiche „Carbon Management Strategie“ vorlegen.
Doch angesichts der Größenordnung, die die CO2-Entnahme bis Mitte des Jahrhunderts erreichen muss, drängt die Zeit, mahnen die Forscher. Das in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erforderliche Volumen sei nur denkbar „mit erheblichem Aufbau in den nächsten zehn Jahren, in der Aufbauphase der neuartigen CO2-Emissionen“.
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