Jan 22, 2023
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Covid-19: Reisewelle zum Neujahrsfest: Legt Corona nun das ländliche China lahm?

Written by Sabine Gusbeth

Peking Zwei leerstehende PCR-Test-Stationen auf dem Bahnhofsvorplatz in Peking sind die einzigen Hinweise darauf, dass in China bis vor Kurzem die striktesten Coronaregeln der Welt galten. Inzwischen ist das Gegenteil der Fall, die Staatsführung hat alle Maßnahmen aufgehoben.

Nun nutzen Millionen von Chinesen die unverhofft zurückgewonnene Freiheit, um zum Neujahrsfest zu ihren Familien im ganzen Land zu reisen. Viele von ihnen haben die Angehörigen seit dem ersten Ausbruch der Pandemie vor drei Jahren nicht mehr gesehen. 

So wie Herr Liu, der mit Frau und Kind auf dem Weg in seinen Heimatort in der nordostchinesischen Provinz Heilongjiang ist. Er fällt auf, weil er als einer der wenigen Reisenden keine Maske trägt. Später will er sie noch aufsetzen, sagt er. Aber Sorgen, sich oder seine Familienmitglieder anzustecken, hat der 33-jährige Auktionator nicht: „Wir hatten es alle schon“. 

Auch Rentner Li und seine Frau wollen den ältesten Sohn zum ersten gemeinsamen Neujahrsfest seit drei Jahren besuchen. Selbst der 70-Jährige hat keine Bedenken zu reisen. Sie hätten bereits Covid gehabt, ein „leichter Verlauf“. Ohnehin sei das Schlimmste doch bereits vorbei, ergänzt seine Frau.

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Die Einschätzung der Seniorin ist auch eine Folge der Berichterstattung in staatlichen Medien. China habe den Höhepunkt der Covid-Erkrankungen mit schweren Verläufen inzwischen überschritten, vermeldete das Partei-Sprachrohr „Global Times“ mit Verweis auf die Gesundheitsbehörden.

Corona könnte sich in Chinas ländlichen Regionen ausbreiten

Doch Experten fürchten, dass sich das Virus infolge der Reisewelle zum chinesischen Neujahr im medizinisch schlecht versorgten ländlichen Raum ausbreitet und dort zahlreiche Todesopfer fordert. Chinas Verkehrsministerium rechnet in den kommenden 40 Tagen mit mehr als zwei Milliarden Reisen.
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Der britische Datenverarbeiter Airfinity warnte am Donnerstag, das Neujahrsfest könnte zu einem Superspreader-Event werden, bei dem sich bis zu 4,8 Millionen Menschen pro Tag infizieren. Zugleich könnte die Zahl der Todesopfer in der Festtagswoche auf den Rekordwert von bis zu 36.000 pro Tag steigen. Bislang sind nach Schätzungen von Airfinity rund 674.000 Chinesen an Corona gestorben.

Reisende auf dem Weg zum Bahnsteig

Insgesamt zwei Milliarden Reisen erwartet das Verkehrsministerium im gesamten Land.


(Foto: Bloomberg)

Die Staatsführung hatte am 7. Dezember ihre bis dato strenge Null-Covid-Politik überraschend beendet. Forscher der Universität Peking schätzen, dass sich bis Mitte Januar rund 900 Millionen Chinesen, mehr als 60 Prozent der Bevölkerung, mit Corona infiziert haben. Offizielle Daten zu den Infektionen gibt es nicht, da praktisch keine Tests mehr angeboten werden.

Während sich das Virus zuerst insbesondere in den Millionenstädten sowie den angrenzenden Regionen rasant ausgebreitet hat, sind ländlichere Gegenden bislang teilweise verschont geblieben. Doch angesichts der aktuellen Reisewelle dürfte sich das Virus auch seinen Weg in entlegene Gebiete bahnen.

Vorbereitungen für das Neujahrsfest

Das chinesische Neujahrsfest ist eines der wichtigsten Feste im Land, die gesamte Woche danach ist arbeitsfrei.


(Foto: IMAGO/VCG)

Das neue Jahr, das sich am Mondkalender orientiert, beginnt an diesem Sonntag. Das wichtigste Fest mit der engsten Familie findet am Vorabend statt. Die darauffolgende Woche ist in ganz China frei. Die Feiertage um das chinesische Neujahrsfest sind insbesondere für viele der rund 300 Millionen Wanderarbeiter die einzige Gelegenheit im Jahr, zu ihren Familien zu reisen.

Selbst Xi sorgt sich um ländliches China

Selbst Staats- und Parteichef Xi Jinping zeigte sich in einer Videokonferenz mit Gesundheits- und Pflegepersonal am Mittwoch besorgt über eine Ausbreitung im ländlichen China. Das Angebot an medizinischen Dienstleistungen und die Verfügbarkeit von Medikamenten müssten erhöht werden. Es ist das bislang offenste Eingeständnis des Staatsoberhaupts einer Gesundheitskrise, die aus der abrupten politischen Kehrtwende nach drei Jahren strenger Coronabeschränkungen resultiert.

Xi Jinping

Der chinesische Staatschef zeigte sich jüngst besorgt darüber, dass die Reisen zum Neujahrsfest die Ansteckungsgefahr im ländlichen China verstärken könnten.



(Foto: dpa)

Bei den Reisenden am Bahnhof Peking, die mit dem Handelsblatt sprechen, überwiegt dagegen der Eindruck, das Schlimmste sei bereits überstanden. Nur eine Haushälterin aus der nordostchinesischen Provinz Shandong will lieber nicht mit Fremden sprechen, aus Sorge sich anzustecken. Sie habe noch kein Covid gehabt. Ob ihre Familienmitglieder bereits infiziert waren, weiß sie allerdings nicht. Sie hätten nicht über das Thema gesprochen.

Wanderarbeiter Wang aus der ostchinesischen Provinz Anhui ist dagegen davon überzeugt, dass der Höhepunkt der Krankheitswelle bereits überschritten ist. Er habe vor einem Monat ebenfalls Symptome gehabt. Ob es tatsächlich Covid war, wisse er aber nicht. Statt Geld für die damals schwer erhältlichen Selbsttests auszugeben, habe sich der 36-jährige Handwerker lieber etwas zu essen gekauft.

Westbahnhof in Peking

Viele Wanderarbeiter nutzen die einzige Gelegenheit im Jahr, um ihre Familien zu besuchen.


(Foto: AP)

Auch seine Familienmitglieder in Anhui hätten Symptome gehabt, aber sich nicht getestet. Noch weiß Wang nicht, ob er nach dem Neujahrsfest nach Peking zurückkehrt. Er gehe dorthin, wo er am meisten verdiene. Für das kommende Jahr wünscht er sich denn auch Gesundheit, Glück und mehr Geld.

Zum Jahresende hatten zunächst zahlreiche Lockdowns und dann die Coronawelle infolge der Lockerungen viele Branchen lahmgelegt. Am stärksten betroffen waren Handel und Dienstleistungen. Die Krise im Immobiliensektor hält an. Chinas Wirtschaft ist im vergangenen Jahr offiziellen Schätzungen zufolge nur noch um drei Prozent gewachsen. Es ist, nach dem Krisenjahr 2020, der zweitniedrigste Wert seit 1976.

Doch auch hier geben Chinas Offizielle Entwarnung. Er sei zuversichtlich, dass das Wachstum „höchstwahrscheinlich zu seiner normalen Entwicklung zurückfinden“ werde und sich die zweitgrößte Volkwirtschaft der Welt 2023 „deutlich erhole“, betonte Vizepremier und oberster Wirtschaftsberater Liu He am Mittwoch auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos

Wanderarbeiter Chen, 60, und seine Frau aus Jiangsu im Osten Chinas wollen daran nicht so recht glauben. Beide arbeiten seit zehn Jahren in Peking auf dem Bau und haben in den vergangenen drei Jahren deutlich weniger verdient als zuvor. In der Hauptstadt sei zuletzt viel weniger gebaut worden als früher.

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In diesem Jahr warten sie sogar noch auf einen Teil ihres Jahresgehalts. Ihr Chef habe versprochen, es bis zum Neujahrsfest zu überweisen. Aber sie wüssten nicht, ob sie ihm glauben können, denn bislang sei nichts angekommen. Die Sorgen sind den beiden anzusehen. 

Über Covid machten sich Chen und seine Frau dagegen keine Gedanken. Sie und ihre Familienmitglieder hätten es bereits gehabt. Hoffnung auf eine Besserung 2023 haben sie allerdings auch nach dem Ende der Null-Covid-Politik nicht. Es sei doch immer das gleiche, „tagein, tagaus“.

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