London Acht Monate nach den Regionalwahlen in Nordirland gibt es immer noch keine Aussicht auf eine Regierungsbildung in Belfast. Am Freitag verstreicht aller Voraussicht nach erneut eine von London gesetzte Deadline, bis zu der sich die Parteien in der Provinz einigen müssen. Grund für die Blockade ist die Weigerung der London-treuen Democratic Unionist Party (DUP), einer Regierung unter der nationalistischen Sinn-Fein-Partei zuzustimmen. Die politisch Nachfolgeorganisation der Irish Republican Army (IRA) war im Mai 2022 erstmals stärkste Kraft in Nordirland geworden.
Nordirlandminister Chris Heaton-Harris wird voraussichtlich erneut die Frist nach hinten verschieben, um mehr Zeit für eine politische Lösung zu gewinnen. „Wenn heute keine Exekutive gebildet wird, bin ich rechtlich verpflichtet, innerhalb der nächsten zwölf Wochen Neuwahlen abzuhalten“, twitterte der Minister.
Er werde aber zunächst die nächsten Wochen nutzen, um alle Optionen für das weitere Vorgehen sorgfältig zu prüfen. Der Tory-Politiker hatte bereits im Dezember die gesetzliche Frist verlängert und müsste nun erneut das Unterhaus in London um Zustimmung bitten. Die DUP begründet ihre Blockade mit dem ungelösten Streit über das Nordirlandprotokoll zwischen London und Brüssel.
DUP-Chef Jeffrey Donaldson, sagte: „Wir haben beide Seiten daran erinnert, dass Fortschritte in Nordirland immer nur dann erzielt werden, wenn sowohl Unionisten als auch Nationalisten sie unterstützen.“
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Die Unionisten befürchten, dass sie durch den im Protokoll vereinbarten Verbleib Nordirlands im EU-Binnenmarkt politisch von Großbritannien abgekoppelt werden. Die konservative Regierung in London unterstützt die DUP und drängt die EU, die im Protokoll vorgesehenen Zollkontrollen deutlich zu lockern.
„Wir werden noch in diesem Jahrzehnt ein Referendum anstreben“
Brüssel und London verhandeln derzeit intensiv über eine Lösung und einigten sich vor Kurzem auf einen Datenaustausch über die Warenströme zwischen Nordirland und dem Rest Großbritanniens.
Sinn-Fein-Vorsitzende Mary Lou MacDonald sagte in London: „Alle Elemente für eine Lösung liegen auf dem Tisch. Jetzt geht es darum, das Problem aus der Welt zu schaffen.“ Die DUP verstecke sich nur hinter dem Streit über das Nordirlandprotokoll, wolle aber in Wirklichkeit eine von Sinn Fein geführte Regierung verhindern. Die Nationalisten befürchten, dass die Zentralregierung in London durch die Blockade faktisch wieder die politische Macht in Nordirland an sich ziehen könnte.
Im Karfreitagsabkommen von 1998 hatten sich die früheren Bürgerkriegsparteien auf eine Machtteilung in Belfast geeinigt. Ohne die Zustimmung der jeweiligen Opposition kann deshalb keine neue Regierung gebildet werden. Das Friedensabkommen wird in diesem Jahr 25 Jahre alt, und US-Präsident Joe Biden drängt Brüssel und London, bis dahin ihren Streit über den Handelsverkehr beizulegen.
Als ein verbleibendes Hindernis gilt die künftige Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der normalerweise alle rechtlichen Streitigkeiten im EU-Binnenmarkt regelt. Die Briten sehen das jedoch nach ihrem Austritt aus der Gemeinschaft als Einschränkung ihrer Souveränität und fordern ein alternatives Schlichtungsverfahren. Im Moment loten beide Seiten aus, ob ein unabhängiges Schiedsgericht dem EuGH zur Seite gestellt werden könnte.
Nach Meinung von MacDonald hat der Brexit auch dazu geführt, dass Bestrebungen für eine Wiedervereinigung der beiden Teile Irlands neuen Auftrieb erhalten haben. Notwendig wäre dafür eine Volksabstimmung auf beiden Seiten der irischen Grenze.
„Wir werden noch in diesem Jahrzehnt ein Referendum anstreben“, sagte die Sinn-Fein-Führerin. Ihre Partei ist nach Meinungsumfragen inzwischen auch in der Republik Irland die stärkste politische Kraft.
Mehr: London und Brüssel nähern sich im Nordirland-Streit an
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