Jan 19, 2023
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Frankreich: Zehntausende Menschen protestieren gegen Macrons Rentenreform

Written by Gregor Waschinski


Zehntausende Menschen bahnten sich am Donnerstagnachmittag den Weg durch die Straßen der französischen Hauptstadt. „Arbeiten über das Alter von 60 Jahren hinaus schadet der Gesundheit“, stand auf dem selbst gemalten Plakat eines Demonstranten.

Landesweit fanden mehr als 200 Protestveranstaltungen statt. Offizielle Angaben zu den Teilnehmerzahlen lagen zunächst nicht vor, die Gewerkschaften hofften auf mehr als eine Million Demonstranten in ganz Frankreich. Streiks legten das Land lahm: Ein Großteil der Fernzüge der Staatsbahn SNCF fiel aus, auch der Nahverkehr war stark beeinträchtigt. Flugverbindungen wurden gestrichen.

Schulen und Kindergärten blieben wegen fehlender Lehrkräfte und Erzieher geschlossen. Der Energiekonzern EDF musste seine Atomstromproduktion drosseln, weil Beschäftigte die Arbeit niederlegten. Die Raffinerien in Frankreich standen weitgehend still.

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Macron bekommt heftigen Gegenwind für seine am 10. Januar vorgestellten Reformpläne, die unter anderem die Anhebung des Renteneintrittsalters vorsehen. Die acht großen Gewerkschaften des Landes haben gemeinsam zu Streiks und Protesten aufgerufen, diese Einigkeit gab es im zerstrittenen französischen Gewerkschaftslager seit 2010 nicht mehr. Auch damals ging es um eine Rentenreform: Macrons Vorvorgänger Nicolas Sarkozy hatte das Rentenalter von 60 auf 62 Jahre erhöht.

Anhebung bis 2030 auf 64 Jahre

Macrons Plänen zufolge soll die Altersgrenze nun jährlich um weitere drei Monate nach oben gehen und 2030 so 64 Jahre erreichen. Großzügige Regeln zur Frühverrentung für bestimmte Berufsgruppen will die Regierung abschaffen, etwa für die Angestellten der Pariser Verkehrsbetriebe oder für Beschäftigte im Energiesektor. In Umfragen spricht sich eine deutliche Mehrheit der Franzosen gegen das Reformprojekt aus.

>> Lesen Sie hier: „Den Preis der Freiheit bezahlen“ – Macron riskiert neue „Gelbwesten“-Bewegung

Die Regierung begründet die Reform vor allem damit, dass die Alterung der Gesellschaft die Sozialsysteme zunehmend unter Druck setze. Ohne Gegensteuern befürchtet Paris, dass die Rentenkasse 2030 ein Minus von 13,5 Milliarden Euro schreiben könnte.

Sollte Macron die Reform durchziehen, würde das allgemeine Renteneinstiegsalter von 64 Jahren in Frankreich aber immer noch unter dem vieler anderer europäischer Ländern liegen. In Deutschland etwa steigt die Altersgrenze stufenweise bis 2029 auf 67 Jahre.

Um die volle Rentenzahlung ohne Abschläge zu erhalten, müssen französische Neurentner den Plänen zufolge ab 2027 mindestens 43 Beitragsjahre vorweisen. Für Franzosen, die sehr früh in das Berufsleben eingestiegen sind, gilt das neue Renteneintrittsalter dagegen nicht.

Das Versprechen von Macrons Regierung: Niemand soll länger als 44 Jahre arbeiten müssen. Wer seit dem 16. Lebensjahr berufstätig ist, kann also mit 60 Jahren in den Ruhestand gehen. Ausnahmen gibt es auch für Menschen mit körperlich besonders anstrengenden Tätigkeiten, die diese im Alter nicht mehr ausüben können. Außerdem will Macron die Mindestrente um 100 Euro auf rund 1200 Euro monatlich erhöhen, um Geringverdiener besserzustellen.

Macron warnt vor einer Blockierung Frankreichs

Am 23. Januar soll das Kabinett dem Rentengesetz zustimmen, bis zum Sommer soll es vom Parlament verabschiedet werden. Die Reform soll ab September 2023 greifen.

In der Nationalversammlung, wo Macrons Mitte-Regierung seit den Parlamentswahlen im vergangenen Sommer keine absolute Mehrheit mehr hat, stemmen sich der rechtsnationale Rassemblement National (RN) und das Linksbündnis um die Partei Unbeugsames Frankreich gegen die Pläne. Die konservativ-bürgerlichen Republikaner haben indes signalisiert, dass sie dem Präsidenten zu einer Mehrheit verhelfen könnten.

Macron hatte seit seinem Einzug in den Élysée-Palast 2017 eine Rentenreform versprochen. In seiner ersten Amtszeit versuchte er sich an einem noch weitreichenderen Umbau der Alterssicherung, bei dem die unterschiedlichen Regelungen für Berufsgruppen komplett gestrichen und ein einheitliches Punktesystem für die Rentenansprüche eingeführt werden sollten.

>> Lesen Sie hier: Macron will Rentenalter auf 64 Jahre anheben

Die Pläne entfachten monatelange Proteste, zu Beginn der Coronapandemie im Frühjahr 2020 brach der Präsident den Reformversuch dann ab. Auch nach seiner Wiederwahl im April 2022 wartete Macron zunächst ab und suchte das Gespräch mit Gewerkschaften und Opposition über mögliche Kompromisse – ohne Erfolg.

Demonstranten in Paris

Bis 2030 soll das Rentenalter von bislang 62 Jahren auf 64 Jahre steigen. Das kommt nicht gut an bei den Franzosen.


(Foto: AP)

Der Präsident warnte am Mittwoch davor, „das Land zu blockieren“. Den Vertretern des Linksbündnisses, die am Samstag zu einem weiteren „Marsch für unsere Renten“ in Paris aufgerufen haben, warf er die Verbreitung von „Lügen und Unwahrheiten“ über seine Reformpläne vor.

Regierung will Reform mit Entschlossenheit durchsetzen

Während der Proteste befand sich Macron außer Landes: Er reiste am Donnerstag nach Barcelona, um mit Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez über gemeinsame Energieprojekte zu sprechen und einen Kooperationsvertrag zwischen beiden Ländern zu unterzeichnen.

Der Präsident kam bei seinem Besuch aber nicht umhin, sich auch zu den Demonstrationen gegen das wichtigste Reformvorhaben seiner zweiten Amtszeit zu äußern. Sein Vorschlag für den Umbau der Alterssicherung sei „gerecht und verantwortlich“, sagte Macron. Die Regierung werde den eingeschlagenen Weg „mit Respekt, im Dialog, aber mit Entschlossenheit“ fortsetzen.

Mehr: Jetzt oder nie: Darum muss Macron seine umstrittene Rentenreform in diesem Jahr durchsetzen



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