Berlin Das Wirtschaftsforum der SPD fordert als Konsequenz aus dem milliardenschweren US-Inflationsbekämpfungsgesetz (Inflation Reduction Act; kurz: IRA) eine massive europäische Investitionsoffensive, und zwar ohne festgelegte finanzielle Obergrenze, finanziert aus weiteren europäischen Schulden.
Konkret schlagen die Wirtschaftsexperten einen „nicht gedeckelten Geldbetrag“ für Investitionen vor. Das US-Subventionspaket, das sich auf etwa 369 Milliarden US-Dollar beläuft, soll hierfür als Orientierung dienen. „In Europa sollte über die EU-Institutionen und -Mitgliedstaaten zunächst ein ähnlich hoher Betrag in den Raum gestellt werden, der nach oben hin jedoch überschritten werden darf“, heißt es in dem Papier des SPD-Wirtschaftsforums, das dem Handelsblatt vorliegt.
Um keine Zeit zu verlieren, solle es eine „Anschubfinanzierung“ durch die Aufnahme frischen Kapitals auf den Finanzmärkten geben, etwa über die Ausgabe europäischer Anleihen. Dieser Vorschlag ist brisant. Denn damit schlägt sich der SPD-nahe Verband, in dem auch viele Energie- und Industrieunternehmen Mitglied sind, auf die Seite Frankreichs.
Die französische Regierung hatte in einem internen Papier, über das das Handelsblatt berichtet hatte, ebenfalls ein Investitionspaket gefordert, dessen Volumen nach oben offen ist. Auch zeigt sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron offen für eine weitere Vergemeinschaftung europäischer Schulden. Die SPD-geführte Bundesregierung lehnt dies dagegen bislang ab.
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Die Präsidentin des SPD-Wirtschaftsforums, Ines Zenke, drängt zur Eile. „Die Industrie berichtet uns von Ansiedlungsentscheidungen gegen Europa“, sagte Zenke dem Handelsblatt. Es gelte daher, nun „schnell zu handeln, wenn die Wertschöpfung hierbleiben soll“.
SPD-Wirtschaftsflügel spricht von „Jahrhundertchance für Europa“
In seinem Positionspapier stellt Zenkes Verband den amerikanischen IRA nicht nur als Gefahr dar, stattdessen sei er auch eine „Jahrhundertchance für Europa“. Gefragt sei nun eine wirtschafts- und industriepolitische Antwort, die zum „Katalysator für die Beschleunigung der Energie- und Ressourcenwende“ werden könne.
So sehen die SPD-Wirtschaftspolitiker in Anlehnung an das US-Subventionspaket in Steuererleichterungen ein Element, um Investitionen zu beschleunigen. Profitieren sollen jene, die Emissionen einsparen, ihre Mitarbeiter „angemessen“ bezahlen und tariflich organisiert seien.
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„Sowohl die Privatwirtschaft als auch die Haushalte sollten zudem Steuergutschriften auf alles erhalten, was den Ausbau der Erneuerbaren fördert“, heißt es in dem Papier. Für außereuropäische Unternehmen sollen ebenfalls Subventionen möglich sein – allerdings an die Bedingung geknüpft, dass diese Konzerne europäischen Partnerunternehmen Zugang zu ihrer Technologie geben.
Der Zugang zu Mitteln aus dem Investitionsprogramm soll nach Vorstellung des SPD-Wirtschaftsforums ohne bürokratische Hindernisse möglich sein. Die „überholten“ EU-Beihilferegeln müssten dabei an „die neuen Realitäten der Weltwirtschaft“ angepasst werden.
Investitionsoffensive soll europäischer Wirtschaft „gewaltigen Schub“ geben
Zur Finanzierung des Programms braucht es frisches Geld in großem Stil und dafür die Finanzkraft der 27 Mitgliedstaaten. Das SPD-Wirtschaftsforum stellt sich neben neuen EU-Schulden vor, die rund 1,8 Billionen Euro für den EU-Haushalt und den Corona-Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“ nochmals aufzustocken. Das zusätzliche Volumen könne sich dabei an den Ausgaben der Amerikaner und dem Bedarf in Europa orientieren.
Eine weitere Möglichkeit der Gegenfinanzierung sieht das SPD-Wirtschaftsforum in einer strengeren Durchsetzung bestehender Steuergesetze sowie dem Schließen von Steuerschlupflöchern. Die EU schätze, dass pro Jahr der öffentlichen Hand etwa eine Billion Euro durch Steuerhinterziehung und -vermeidung verloren geht, heißt es in dem Positionspapier. Würden die Steuergesetze strikter angewandt, könnte auf diese Weise ein großer Teil der Einnahmen zur Gegenfinanzierung generiert werden.
Die Wirtschaftsexperten versprechen sich von der Investitionsoffensive einen „gewaltigen Schub“ für die europäische Wirtschaft. Als protektionistisch sehen sie das Programm nicht, da jedes Unternehmen unter den vorgegebenen Bedingungen willkommen sei zu investieren.
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US-Präsident Joe Biden hatte im August den „Inflation Reduction Act“ unterzeichnet. Das Gesetz sieht Investitionen in den Klimaschutz und Soziales vor. Nach Ansicht der EU-Kommission werden dadurch EU-Firmen gegenüber der US-Konkurrenz benachteiligt. So sind Subventionen und Steuergutschriften unter anderem daran geknüpft, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder in den USA produzieren.
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