Peking Die chinesische Staatsführung signalisiert ein Ende der harten Gangart gegenüber den Tech-Konzernen des Landes. Mehrere Entscheidungen sprechen dafür, dass die Regierung ihre sogenannte „Berichtigungskampagne“ für weit genug fortgeschritten hält.
So ist etwa die App der Taxiplattform Didi seit Freitag wieder in den chinesischen App-Stores verfügbar. Das Unternehmen kann nun erstmals seit eineinhalb Jahren wieder neue Kunden akquirieren. Die Onlinespieleriesen Tencent und Netease erhielten Freigaben für neue Computerspiele. Dem Internethändler Alibaba sagten hochrangige Vertreter der Kommunistischen Partei bei einem Unternehmensbesuch gar ihre „unerschütterliche“ Unterstützung zu.
Doch Experten warnen vor zu viel Optimismus. Die Motivation des chinesischen Staates hinter dem Durchgreifen im Technologiebereich bestehe unverändert, betont Klaus Mühlhahn, Professor für Moderne China-Studien an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen. Daher sei es „unwahrscheinlich, dass es zur tiefgreifenden politischen Kehrtwende gegenüber den großen Internetunternehmen kommen wird“, glaubt der Experte.
Mit massiven Eingriffen hat der Staat seine Kontrolle über die Unternehmen in den vergangenen Jahren deutlich ausgeweitet und diese auf Linie der Kommunistischen Partei gebracht. Sie sollen den Interessen der Partei dienen und dabei helfen, die Industrie zu modernisieren. Die Signale der Entspannung von offizieller Seite dürften auch damit zusammenhängen, dass die chinesische Wirtschaft zuletzt schwächelte.
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Die erfolgsverwöhnten Tech-Konzerne haben die Eingriffe schmerzhaft zu spüren bekommen. Sie wuchsen zuletzt deutlich langsamer, die Gewinnmargen sanken.
Chinas Tech-Branche ist verunsichert
Das Beispiel der Alibaba-Finanzdienstleistungstochter Ant zeigt, wie weitreichend die staatlichen Eingriffe zum Teil waren: Der Finanzkonzern, zu dem die weit verbreitete Bezahlapp Alipay gehört, musste sein hochprofitables Verbraucherkreditgeschäft abspalten. Die Verbindungen zum Mutterkonzern Alibaba wurden weitgehend gekappt, berichtet das Wirtschaftsmagazin „Caixin“, so auch der Datenaustausch zwischen den Gesellschaften.
Zuletzt kündigte Alibaba-Gründer Jack Ma an, seine Kontrollmehrheit an Ant abzugeben. Erst danach signalisierten die Finanzaufseher, dass die Regulierungsbestrebungen bei einem guten Dutzend von Finanztöchtern der Tech-Konzerne, inklusive Ant, „nahezu abgeschlossen“ seien.
Die Verunsicherung in der einst so selbstbewussten Branche war bei Unternehmensbesuchen des Handelsblatts im vergangenen Jahr deutlich spürbar. Sie mühen sich redlich um ein besseres Image. Tech-Konzerne wie Baidu oder JD.com verweisen dabei gezielt auf ihren wichtigen Beitrag zur Entwicklung der realen Wirtschaft.
Als „digitales Unternehmen mit Charakteristiken der Realwirtschaft“ bezeichnet sich etwa der Onlinehändler und Logistikkonzern JD.com in einer Präsentation. Man stärke „Industriepartner entlang der Lieferkette“, betont ein Unternehmensvertreter. Vor allem kleinen und mittleren Unternehmen werde so geholfen, heißt es dabei ganz im Sinne der Parteivorgaben. Das sei wichtig für die Entwicklung in China.
Goldene Aktien: Staat hat Kontrolle über Tech-Unternehmen ausgebaut
Chinas Tech-Sektor arbeite unter völlig neuen Bedingungen, erklärt Antonia Hmaidi von der deutschen China-Denkfabrik Merics. „Der Staat hat die Kontrolle über die Unternehmen ausgebaut“, sagt sie dem Handelsblatt. So sollen Alibaba und Tencent ein Konsortium für die Entwicklung von Chips gründen, an denen die Staatsführung starkes Interesse habe. „Westliche Regierungen stehen im Umgang mit chinesischen IT-Plattformen nun vor neuen Herausforderungen, da diese vom Parteistaat abhängig sind“, warnt Hmaidi.
In diesem Zusammenhang verweisen Chinaexperten auch auf den wachsenden Einfluss der Staatsführung auf die Tech-Konzerne mithilfe sogenannter „goldener Aktien“. Diese verleihen dem Inhaber Sonderrechte wie beispielsweise ein weitreichendes Mitspracherecht bei der Ernennung von Vorstandsmitgliedern und anderen Unternehmensentscheidungen, obwohl die staatliche Beteiligung meist nur ein Prozent des Aktienkapitals beträgt. Derzeit scheint es der Staatsführung dabei vor allem darum zu gehen, die über die Tech-Plattformen verbreiteten Inhalte stärker zu kontrollieren.
Über den „China Internet Investment Fonds“, der an die Internetaufsicht CAC angegliedert ist, hält der Staat bereits zahlreiche Beteiligungen unter anderem an dem Kurzvideodienst Kuaishou und dem Überwachungsspezialisten Sensetime. Dies geht aus einer Liste auf der Webseite des Fonds hervor. Medienberichten zufolge hält dieser zudem Anteile an dem chinesischen Twitter-Pendant Weibo, das Tencent gehört, sowie an der Tiktok-Mutter Bytedance.
Wie die „Financial Times“ („FT“) jüngst berichtete, soll sich der Staat zuletzt auch einen Anteil an einer Alibaba-Medientochter gesichert haben. Bei einer Tencent-Tochter steht der Einstieg demnach kurz bevor. Die Unternehmen versuchen dabei offenbar, eher lokale Behörden als Anteilseigner zu gewinnen. Diese dürften ein gesteigertes Interesse an weiterem Wachstum in ihrer Region haben und weniger streng agieren, wohingegen in der Pekinger Zentralverwaltung der Nachweis von Linientreue eine wichtigere Rolle spielt.
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Bislang treffe der neue Kontrollmechanismus allerdings nur die Medientöchter der Tech-Konzerne, betonen Experten des China-Thinktanks Trivium. Damit würde Peking seiner ursprünglichen Intention, lediglich die Inhalte auf den Plattformen zu kontrollieren, treu bleiben. Sollten Goldene Aktien auch außerhalb der Medienbranche verpflichtend werden, würden die Trivium-Experten „anfangen, sich Sorgen zu machen“.
Chinas Konzerne trennen internationales Geschäft ab
Insbesondere global tätige chinesische Tech-Konzerne scheinen dennoch zu fürchten, dass die Staatsbeteiligung ihrem internationalen Image schadet. Wie die „FT“ mit Verweis auf interne Dokumente von Bytedance berichtete, versucht das Unternehmen, seine globalen Einheiten stärker abzukoppeln, offenbar um sie der Kontrolle der staatlichen Aufseher im Management zu entziehen.
Seit Ende 2020 hat die Staatsführung im Rahmen der Berichtigungskampagne die Kontrolle über die zuvor de facto unreguliert gewachsenen Tech-Konzerne deutlich ausgeweitet. Offiziell geht es dabei darum, den Wettbewerb zu wahren, Verbraucher zu schützen und eine „unkontrollierte Kapitalvermehrung“ zu unterbinden. Doch wie so oft in China will die Partei auch ihre Kontrolle und Macht ausbauen.
So wies die Staatsführung im November 2020 den Internetriesen Alibaba und seinen Gründer Jack Ma in die Schranken. Ma hatte zuvor öffentlich die „Pfandhausmentalität“ der Regulierer kritisiert. Die Finanzaufseher stoppten daraufhin den auf 2,8 Milliarden Dollar taxierten Ant-Börsengang. Staats- und Parteichef Xi Jinping selbst habe die Order dazu gegeben, berichtete damals das „Wall Street Journal“ mit Verweis auf Insider.
Es folgten hohe Strafen für Internetplattformen wie Alibaba oder Meituan, weil sie ihre Marktmacht missbraucht haben sollen. Im Juli 2021 geriet der Taxidienstleister Didi ins Visier der chinesischen Internetaufsicht CAC. Sie warf ihm vor, durch seinen Börsengang in den USA die nationale Sicherheit Chinas gefährdet zu haben. Es folgten weitere Schläge gegen Online-Spielekonzerne wie Tencent, die Internetnachhilfebranche sowie zahlreiche Fintechs.
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