Berlin Der frühere Heeresgeneral Hans-Lothar Domröse hat die deutsche Entscheidung, gemeinsam mit anderen Nationen Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern, begrüßt. Wenn am Ende fast 100 Panzer zusammenkämen, dann mache das für den Kriegsverlauf in der Ukraine schon „einen gewissen Unterschied“, sagte Domröse am Rande der Handelsblatt-Jahrestagung „Sicherheit und Verteidigung“ in Berlin.
Zwar bedeute die angekündigte Lieferung noch nicht den entscheidenden Wendepunkt. Aber zumindest vereinzelt könnte die Ukraine mit den in Aussicht gestellten Panzern Erfolge erzielen. Lesen Sie hier das vollständige Interview:
Herr Domröse, wie bewerten Sie die Entscheidung, dass Deutschland jetzt doch Kampfpanzer liefert?
Ich finde es gut, dass der quälende Entscheidungsprozess nun vorbei ist und eine gute Entscheidung für die Ukraine getroffen wurde.
Ist es denn eine Entscheidung, die die Ukraine militärisch wirklich weiterbringt?
Wenn sich wirklich mehrere Nationen beteiligen und wir am Ende fast 100 Panzer haben, dann macht das einen gewissen Unterschied. Zumindest örtliche Erfolge sind dann möglich, weil der Panzer schnell und den russischen Fahrzeugen technisch überlegen ist.
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Lässt sich der Leopard denn innerhalb kurzer Ausbildungszeit beherrschen?
Wer bis jetzt Panzer gefahren ist, der muss natürlich umgeschult werden, aber das Grundprinzip beherrscht er. Das Gleiche gilt für den Richtschützen, in vier Wochen Intensivkurs beherrscht der das. Die Ukrainer sind seit 2014 im Krieg, die sind bis in die Haarspitzen motiviert. Die Logistik ist das Hauptproblem, die Ersatzteile und die Wartung.
Wie sieht es mit Munition aus?
Die Industrie hat gesagt, dass sie Munition in Deutschland produzieren könne. Sie braucht nur einen Auftrag.
Halten Sie es für sinnvoll, dass mit dem amerikanischen Abrams und dem Leoparden jetzt zwei verschiedene Panzermodelle geliefert werden?
Ideal wäre natürlich ein Panzermodell für alle, aber es ist aus transatlantischer Perspektive nicht schlecht, wenn jetzt auch amerikanische Panzermodelle am Boden in der Ukraine sichtbar werden. Der Schachzug ist gar nicht unklug.
Es hieß, der Abrams sei zu kompliziert.
Die Amerikaner sagen, er sei ein bisschen komplizierter. Aber die Logistik und die Ausbildung sind auch beim Leoparden nicht ganz einfach. Aber ich muss voller Hochachtung vor den Ukrainern sagen: Die haben ja jetzt schon den totalen Gemischtwarenladen, weil jedes Land etwas anderes liefert, aber kommen damit klar.
>> Lesen Sie auch: Wie die Ukraine die Krim erobern kann und welche Waffen sie dafür braucht – ein Gastbeitrag
Tut es der Bundeswehr weh, jetzt Panzer abgeben zu müssen?
Wenn jetzt der Leopard 2A6 geliefert wird, dann räumt das irgendwo in Deutschland eine Kompanie leer. Wichtig ist, dass alles, was abgegeben wird, damit die Ukraine durchhalten und ihr Land zurückerobern kann, auch ersetzt wird. Und die Industrie ist nach eigener Aussage dazu ja auch in der Lage.
Sollte jetzt auch die Industrie den Auftrag bekommen, ältere Panzermodelle wie den Leopard 1 instand zu setzen, um gegebenenfalls später noch mehr liefern zu können?
Der Rheinmetall-Chef hat gestern auf Ihrer Konferenz gesagt, er habe nicht so viel Geld, dass er das vorstrecken könne. Er braucht einen Auftrag und Geldmittel. Das ist eine politische Entscheidung, ob wir mehr liefern wollen als diese eine Kompanie.
Mit der Lieferung von Kampfpanzern wird es nicht getan sein, sie wirken nur im Verbund mit Schützenpanzern oder Artillerie.
Die Ukraine ist im Raum um Donezk, Soledar und Bachmut schwer unter Druck und hat hohe Verluste, etwa 100 Tote pro Tag. Es geht jetzt darum, die Lage zu stabilisieren. Aber irgendwann wird auch das Gerät, dass jetzt kommen soll, zerschossen oder kaputt sein. Das ist die große Aufgabe der Politik, weit zu gucken, bis in den Herbst oder nächstes Jahr. Irgendwann braucht die Ukraine sowieso eine Streitmacht, und die muss westlich ausgerüstet sein.
Die lange deutsche Zurückhaltung erklärte sich auch mit dem Argument, Deutschland dürfe auf keinen Fall Kriegspartei werden. Fürchten Sie, dass Russland die Kampfpanzer-Lieferung als Grund sehen könnte, den Krieg weiter zu eskalieren?
Ich glaube nicht, dass die deutsche Panzerlieferung die Entscheidungen von Präsident Wladimir Putin wirklich beeinflusst. Wir sind nicht Kriegspartei, aber wir sind moralisch Partei. Wir haben der Ukraine eine EU-Perspektive angeboten, die Ukraine kämpft um ihre Freiheit gegen einen übermächtigen Aggressor. Das unterstützen wir doch alle und jetzt müssen wir der Ukraine auch die Mittel geben, ihr Land zurückzuerobern.
Gehören dazu auch weitreichende Raketensysteme oder Kampfflugzeuge, wie der ukrainische Präsident sie fordert?
Der, der im Krieg steht und jeden Tag schweres Leid erfährt, kann nie genug Unterstützung bekommen. Die Politik wird sich hoffentlich mit der Frage auseinandersetzen, was das nächste Level ist.
Mehr: Alle Entwicklungen im Ukrainekrieg gibt es hier im Newsblog
<< Den vollständigen Artikel: Hans-Lothar Domröse: Ex-General lobt Panzer-Lieferungen nach „quälendem Entscheidungsprozess“ >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.