Bangkok Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir feiert das Vorhaben als einen Meilenstein, in Südostasien sorgt es für Empörung: Die Anti-Entwaldungsverordnung der Europäischen Union, die laut Bundesregierung voraussichtlich Mitte des Jahres in Kraft treten wird, soll die Abholzung von Wäldern rund um den Globus bremsen.
Die Regierungen von Malaysia und Indonesien – zwei Staaten, die sich von den Plänen besonders stark betroffen fühlen – betrachten die Regelung jedoch primär als Handelsdiskriminierung. Sie sehen die Existenzgrundlage von Hunderttausenden Landwirten in Gefahr.
Kern der EU-Verordnung ist, dass bestimmte Rohstoffe und Produkte künftig nur noch importiert werden dürfen, wenn sie nachweislich nicht im Zusammenhang mit Entwaldung produziert worden sind. Dabei geht es um Soja, Rindfleisch, Kaffee, Kakao, Kautschuk, Holz – und auch Palmöl. Dessen Produktion war laut Umweltschützern in den vergangenen Jahrzehnten der Haupttreiber der Regenwaldzerstörung in Südostasien.
Indonesien und Malaysia, die zusammen für mehr als 80 Prozent der globalen Palmölproduktion stehen, fühlen sich jedoch von Europa durch die neue Vorschrift unfair behandelt. Und sie drohen jetzt mit einer harten Reaktion: Aus Protest erwägt die Regierung in Kuala Lumpur einen kompletten Stopp der Lieferungen nach Europa.
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„Wenn es uns die EU zu schwer macht, dann können wir die Exporte auch einfach einstellen und uns auf andere Länder konzentrieren“, droht Malaysias stellvertretender Regierungschef Fadillah Yusof.
„Europa braucht uns und wir brauchen Europa“
Der Politiker, der auch Malaysias Rohstoffminister ist, kritisiert, dass die Dokumentationspflichten durch die EU-Verordnung für die Palmölindustrie seines Landes zu einer massiven Zusatzbelastung werden, die die Wettbewerbsfähigkeit der Branche untergräbt.
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Die Regelung sei ein bewusster Versuch Europas, den Marktzugang für Palmöl zu blockieren und im Gegenzug in der EU produzierte Konkurrenzprodukte wie Rapsöl zu schützen, klagte Fadillah. Er will im Februar nach Indonesien reisen, um mit seinem Amtskollegen in Jakarta über eine gemeinsame Strategie zu sprechen. „Europa braucht uns und wir brauchen Europa“, sagt er. „Aber alles muss fair sein, wir dürfen uns nicht gegenseitig diskriminieren.“
Der EU-Botschafter in Malaysia, Michalis Rokas, weist den Vorwurf der Diskriminierung zurück. Die EU-Verordnung betreffe alle Länder gleichermaßen. Zuvor hatten Indonesiens Präsident Joko Widodo und Malaysias Regierungschef Anwar Ibrahim bei einem Treffen Anfang des Monats bekräftigt, gemeinsam „Diskriminierung von Palmöl zu bekämpfen“.
Um den Rohstoff, der in vielen Produkten wie Speiseeis, Tiefkühlpizzen, Shampoos, Kerzen und Biodiesel zum Einsatz kommt, gibt es seit Jahren Konflikte. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace geht davon aus, dass in Südostasien in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Millionen Hektar Regenwald zerstört worden sind, um Palmölplantagen zu errichten.
„Wir können es uns nicht leisten, dass für unseren Konsum anderswo auf der Welt weiterhin Wälder gerodet oder geschädigt werden“, betont Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir mit Blick auf die EU-Pläne. Lieferketten entwaldungsfrei zu machen, sei deshalb ein echter Meilenstein.
Neben dem geplanten Importstopp, der für Palmöl von seit 2021 gerodeten Flächen gelten soll, will die EU wegen der Umweltbedenken auch die Verwendung von Palmöl in Biokraftstoffen bis 2030 auslaufen lassen.
Dieser Plan sorgt ebenfalls für Streit und belastet die Beziehungen mit den Haupterzeugerländern. Im Fall Indonesiens, das rund 60 Prozent des weltweit verwendeten Palmöls herstellt, sind die Bestimmungen auch eine wesentliche Hürde für den Abschluss eines Freihandelsabkommens, an dem die EU bereits seit 2016 mit Südostasiens größter Volkswirtschaft verhandelt.
Länder finden ihre Anstrengungen nicht ausreichend gewürdigt
Sowohl Indonesien als auch Malaysia verweisen darauf, selbst Maßnahmen eingeführt zu haben, um die Abholzung der Regenwälder zu stoppen. Tatsächlich ist das Problem laut der indonesischen Forschungseinrichtung Center for International Forestry Research in den vergangenen Jahren nach einem Entwaldungsrekord im Jahr 2016 spürbar zurückgegangen.
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Die Regierungen in Jakarta und Kuala Lumpur haben den Eindruck, dass die Fortschritte nicht ausreichend gewürdigt werden. Indonesiens Präsident Widodo machte zuletzt im Dezember beim Gipfeltreffen der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean mit den EU-Staaten klar, dass er den Druck der Europäer für ungerechtfertigt hält. „Es kann nicht sein, dass eine Seite immer der anderen die Regeln diktiert und davon ausgeht, dass ihre Standards immer die besseren sind“, klagte er.
Umweltschützer sehen den Widerstand gegen die EU-Richtlinie kritisch. „Das EU-Abholzungsgesetz stellt keine Bedrohung für den Handel dar, wenn sich die Regierungen Indonesiens und Malaysias verpflichten, die Abholzung für Palmöl zu stoppen“, findet Kiki Taufik, der die Waldschutzkampagne von Greenpeace in Indonesien verantwortet.
Die indonesische Organisation Madani, die sich für eine Stärkung der Zivilgesellschaft einsetzt, warnt hingegen vor der Gefahr, dass die EU-Verordnung Kleinbauern künftig ausschließen könnte. Eine Umfrage der NGO zeigte, dass wohl nur ein kleiner Bruchteil von ihnen die geforderten Nachweise liefern könnte.
Betroffen sind Millionen Menschen, die in Indonesien Ölpalmen auf vergleichsweise kleinen Flächen anbauen und die Früchte über ein Netz an Mittelsmännern verkaufen. Die geforderte Rückverfolgbarkeit könne so womöglich gar nicht oder nur mit großem Aufwand gewährleistet werden, fürchtet auch die indonesische Umweltorganisation Kaoem Telapak.
Achmad Surambo, der Chef der palmölkritischen Organisation Sawit Watch, sieht die Gefahr, dass die EU am Ende nur die Handelsströme verschiebt, anstatt die Umweltprobleme wirklich zu lösen. „Indonesien kann seinen Markt leicht nach China, Indien oder Pakistan verlagern, die im Vergleich zur EU laxere Nachhaltigkeitsvorschriften haben“, warnt er. „Wenn das passiert, wird es keine Verbesserungen im Palmölmanagement geben – und die Abholzung der Wälder geht weiter.“
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